Verjährung und Verfall von Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüchen

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Das Urlaubsrecht unterliegt einer stetigen Fortentwicklung, die mittlerweile durch unionsrechtliche Vorgaben bestimmt wird. Ein Update zur Verjährung von Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüchen wurde kürzlich mit Urteil des 9. Senats des BAG (BAG Urt. v. 31.1.2023 – 9 AZR 456/20) vorgenommen, nachdem der EuGH in seiner Entscheidung vom 22.09.2022 (C-120/21) feststellte, dass nationale Regelungen, die den Urlaubsanspruch nach drei Jahren verjähren lassen, unzulässig sind, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht in die Lage versetzt hat, seinen Urlaub wahrzunehmen. Dies lies viele Fragen offen, weshalb die nun vorgenommene Klarstellung zu begrüßen ist.

1. Verjährung des Urlaubsanspruches

Der gesetzliche Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub unterliegt grundsätzlich der gesetzlichen Verjährung. Die dreijährige Verjährungsfrist beginnt allgemein mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Arbeitnehmer von den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder erlangen müsste. Unklar war lange Zeit, ob die Verjährung auch dann zu laufen beginnt, wenn der Arbeitgeber seinen Mitwirkungs- und Informationspflichten gegenüber dem Arbeitnehmer nicht nachkommt, diesen also über das Bestehen und den Verfall seiner Urlaubsansprüche nicht hinreichend informiert. Dies ungeachtet davon, dass der Arbeitnehmer üblicherweise über den Bestand seines Urlaubsanspruchs Kenntnis hat, schon allein deswegen da dieser als wesentliche Arbeitsbedingung nach dem Nachweisgesetz gegenüber dem Arbeitnehmer nachgewiesen werden muss.

Der 9. Senat des BAG hat nun klargestellt, dass die Verjährungsfrist erst am Ende des Kalenderjahres beginnt, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt hat, und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat. Dies abhängig davon, dass der Arbeitnehmer überhaupt in der Lage war seinen Urlaub zu nehmen. Die Erfüllung der Mitwirkungspflichten des Arbeitgebers ist somit Voraussetzung für den Beginn der Verjährungsfrist.

2. Verfall des Urlaubsanspruches

Die Verjährung des Urlaubsanspruches wird dennoch nur in sehr seltenen Fällen, vornehmlich bei Langzeiterkrankungen des Arbeitnehmers, Anwendung finden. Üblicherweise wird der Urlaubsanspruch am Ende des Jahres, spätestens am 31.03. des Folgejahres bzw. nach Ablauf einer tarifvertraglich vereinbarten Ausschlussfrist verfallen. Dies jedoch nur, wenn der Arbeitgeber seine Mitwirkungspflichten erfüllt und den Arbeitnehmer auf den Verfall des Urlaubsanspruches hingewiesen hat.

Bei der Erkrankung des Arbeitnehmers ist zudem eine Besonderheit zu beachten. Grundsätzlich verfällt der Urlaubsanspruch des Jahres eines Langzeiterkrankten Arbeitnehmers nach 15 Monaten. Der 9. Senat hat nunmehr klargestellt, dass der Urlaubsanspruch von Arbeitnehmern, die über einen längeren Zeitraum hinweg erkrankt sind,  über die Grenze von 15 Monaten bestehen bleibt, wenn der Arbeitgeber in dem Jahr des Eintritts der Erkrankung seine Hinweis- und Mitwirkungspflichten noch nicht erfüllt hat, sie aber hätte erfüllen können. Daraus resultiert die Antwort auf die nun lange ungeklärte Frage, wann der Arbeitgeber seinen Mitwirkungs- und Hinweispflichten nachkommen sollte. Das Resultat: so schnell wie möglich, gleich zu Beginn des jeweiligen Kalenderjahres.

3. Verjährung des Urlaubsabgeltungsanspruches

Der Urlaubsabgeltungsanspruch ist als reiner Geldanspruch vom grundsätzlich in natura zu gewährenden Urlaubsanspruch abzugrenzen. Er entsteht mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Höhe der nicht genommenen Urlaubstage und unterliegt der Verjährung, auch wenn der Arbeitgeber nicht auf dessen Bestehen und dessen Höhe hingewiesen hat. Die dreijährige Verjährungsfrist beginnt in der Regel mit dem Ende des Jahres, in dem der Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet.

4. Verfall des Urlaubsabgeltungsanspruches

Ebenfalls unabhängig von einem Hinweis des Arbeitnehmers verfällt der Urlaubsabgeltungsanspruch aufgrund arbeits- oder tarifvertraglicher Ausschlussfristen.

5. Fazit

Die Mitwirkungspflichten des Arbeitgebers sind von großer Bedeutung für die Urlaubsansprüche der Arbeitnehmer im laufenden Arbeitsverhältnis. Ihre Verletzung führt zur Aufrechterhaltung der Urlaubsansprüche über lange Zeiträume hinweg. Mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses tritt jedoch eine Zäsur ein, und der Arbeitnehmer ist gehalten, seine Ansprüche innerhalb der geltenden Ausschluss- und Verjährungsfristen geltend zu machen. Die Rechtsprechung des 9. Senats stärkt die Rechte der Arbeitnehmer bezüglich der Verjährung von Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüchen und trägt zur Klarheit und Durchsetzbarkeit dieser Ansprüche bei. Arbeitgeber sollten daher Ihre Arbeitnehmer gleich zu Beginn des jeweiligen Jahres über die bestehenden Urlaubsansprüche sowie deren Verfallfristen in Kenntnis setzen und gegen Ende des Jahres, spätestens im Oktober, die Arbeitnehmer nochmals dazu auffordern den bis dahin verbliebenen Urlaub zu nehmen. Des Weiteren sollte auf die Vereinbarung wirksamer Verfallfristen geachtet werden.



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