Völkermordfall Gaza: Wer ist Zivilist und wer nicht - weiter aktualisiert

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Seit Beginn des Gaza-Krieges am 7./8. Oktober 2023 melden internationale Medien übereinstimmend und - insoweit - wahrheitsgemäß, dass durch Angriffe der israelischen Armee im Gazastreifen "Mitglieder der Hamas", die teilweise auch als "Terrororganisation Hamas" bezeichnet wird, getötet wurden; seit der Ausdehnung der Kämpfe auf den Libanon ist in gleicher Weise von der Tötung von "Mitgliedern der Hisbollah" die Rede. Im Gegensatz zu dem, was durch solche Berichte suggeriert wird, kommt es für die Rechtmäßigkeit der Angriffe jedoch nicht auf die die bloße Mitgliedschaft einer Person in einer bestimmten Organisation an, sondern auf die konkrete Rolle, welche sie innerhalb der bewaffneten Kämpfe einnimmt (Status als Kombattant oder Zivilist):

Nach dem universell (also auch für Israel und die USA) geltenden Völkergewohnheitsrecht müssen die Parteien eines (bewaffneten) Konflikts zu jeder Zeit zwischen Zivilisten und Kombattanten (Kämpfern) unterscheiden. Angriffe dürfen nur gegen Kombattanten gerichtet werden und nicht gegen gegen Zivilisten; dies gilt sowohl für internationale bewaffnete Konflikte (zwischen Staaten) als auch für nicht internationale (i.d.R. zwischen Staaten und sonstigen bewaffneten Gruppen, Internationales Komitee vom Roten Kreuz, "ICRC", List of Rules, Rule 1). 

Zivilisten sind hiernach zunächst alle Personen, die nicht Mitglieder der (staatlichen) Streitkräfte sind; in nicht internationalen Konflikten sind dies auf der nicht staatlichen Seite alle Personen, die nicht an den Kämpfen teilnehmen (im Gegensatz zu "Kombattanten", ICRC, List of Rules, Rule 5). 

Nicht Kombattant, sondern Zivilist ist in jedem Fall medizinisches und religiöses Personal, und zwar selbst dann, wenn es Teil/Mitglied von staatlichen Streitkräften ist (ICRC, List of Rules, Rule 3). Ebenfalls sind Zivilisten sonstige Personen, die zwar Mitglieder der staatlichen Streitkräfte sind, aber ebenfalls nicht direkt an den Kämpfen teilnehmen wie Richter, Regierungsmitglieder, Handwerker oder Polizisten ("civil defense personnel", siehe hierzu wiederum und insbesondere auch zur Handhabung gerade der deutschen und US-amerikanischen Streitkräfte: ICRC, List of Rules, Rule 3).

Wenn somit davon die Rede ist, dass von der israelischen Armee Ärzte, Rettungssanitäter oder Polizisten getötet wurden, müssen die Alarmglocken klingeln und zwar erst recht, wenn sie ohne weitere Klarstellung als "Mitglieder" von Hamas oder Hisbollah bezeichnet werden: Bei ihnen handelt es sich in jedem Fall um Zivilisten, auf die sich, unabhängig von ihrer Mitgliedschaft oder politischen Zugehörigkeit, jeglicher direkte Angriff verbietet und deren Gefährdung im Übrigen wie diejenige aller sonstigen Zivilisten den Prinzipien der Vorsicht und der Verhältnismäßigkeit unterliegt. Gleiches gilt im Übrigen auch für direkte Angriffe oder Anschläge gegen zivile Politiker wie etwa Mitglieder des libanesischen Parlaments, die dem als reguläre Partei zugelassenen politischen Arm der Hisbollah angehören.

Inzwischen hört man, dass Israel nun auch ganz offiziell seine Bombenangriffe im Libanon auf zivile Institutionen ausdehnen will, angefangen mit Geschäftsbanken, die zwar der Organisation Hisbollah gehören, die jedoch lediglich Kredite an Zivilpersonen ausgeben. Diese Ausweitung, die, laut dem israelischen Verteidigungsminister, dazu dienen soll, Hisbollah nicht mehr nur  militärisch zu besiegen, sondern "insgesamt" zu "zerstören", und die sich möglicherweise, wie schon in Gaza gegen die Hamas, auf sämtliche wirtschaftlichen und sozialen Einrichtungen der Organisation einschließlich Schulen, Universitäten und Krankenhäuser erstrecken wird, ist eindeutig nicht vom humanitärem Völkerrecht gedeckt. Ebenso sind die seit einigen Tagen gehäuften gezielten Angriffe auf Journalisten in Gaza und im Libanon als Kriegsverbrechen zu bewerten; eine bestimmte politische Ausrichtung oder Verbindung zu einer bestimmten militärischen Gruppe macht Journalisten nicht zu legitimen militärischen Zielen.






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