Kfz-Unfall: Der Geschädigte muss nicht zur Verkürzung der Ausfalldauer des Fahrzeugs die eigene Kaskoversicherung in Anspruch nehmen

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Der Geschädigte wurde unverschuldet mit seinem vollkaskoversicherten Pkw in einen Verkehrsunfall verwickelt. Noch am Tag des Unfalls beauftragte der Geschädigte ein Sachverständigenbüro mit der Erstellung eines Kfz-Haftpflichtgutachtens, um die entstandenen Schäden zu beziffern. 

Der Geschädigte beauftragte einen Rechtsanwalt, um die Schäden bei der gegnerischen Kfz Haftpflichtversicherung geltend zu machen. Über den Rechtsanwalt ließ der Geschädigte der gegnerischen Kfz Haftpflichtversicherung mehrfach mitteilen, dass er aus finanziellen Gründen nicht in der Lage sein wird, die Kosten für die notwendige Reparatur des Fahrzeugs vorzufinanzieren. 

Die Regulierung zog sich aber durch die gegnerische Versicherung hin. Rund 6 Wochen nach dem Unfall erteilte der Geschädigte seiner Werkstatt dann den Reparaturauftrag. Für die Zeit des Nutzungsausfalls von 42 Tagen, die über den Rechtsanwalt bei der gegnerischen Versicherung geltend gemacht wurden, regulierte die Versicherung aber nur 15 Tage. 

Der Geschädigte erhob daraufhin Klage und bekam nunmehr vom Bundesgerichtshof Recht, BGH Urteil vom 17. November 2020, Az. VI ZR 569/19

Der Bundesgerichtshof stellte klar, dass der Geschädigte nicht gegen die Schadensminderungspflicht verstoßen habe, da es nicht eine generelle, von den Umständen des Einzelfalls losgelöste Verpflichtung des Geschädigten gebe, die Wiederherstellung im Interesse des Schädigers an der Geringhaltung der Kosten möglichst zeitnah nach dem schädigenden Ereignis vorzunehmen und damit vorzufinanzieren. Es sei Aufgabe des Schädigers, die Schadensbeseitigung zu finanzieren. Der durch einen Verkehrsunfall Geschädigte habe nach den Ausführungen des BGH Anspruch auf sofortigen Schadensersatz. Der Geschädigte ist natürlich berechtigt, es besteht aber keine Verpflichtung, den Schaden zunächst aus eigenen Mitteln vorzufinanzieren oder zu beseitigen oder sogar einen Kredit zur Schadensbehebung aufzunehmen. 

Das Gericht stellte weiter klar, dass nur ausnahmsweise und zwar dann, wenn ein Zuwarten mit der Schadensbeseitigung als Verstoß gegen Treu und Glauben vorzuwerfen sei, die Vorfinanzierung als Obliegenheit in Betracht komme. Die Inanspruchnahme der Vollkaskoversicherung durch den Geschädigten, um den Schädiger bzw. dessen Kfz-Haftpflichtversicherung zu entlasten, ist nach den Ausführungen des Bundesgerichtshofs keine Verpflichtung des Geschädigten. Es sei dem Geschädigten regelmäßig nicht zuzumuten, den eigenen Kaskoversicherer -  auch wegen der damit verbundenen Rückstufung – in Anspruch zu nehmen, nur um den Schädiger zu entlasten.

Weiter wurde ausgeführt, dass die Inanspruchnahme des eigenen Kaskoversicherers durch den Geschädigten nur dann in Betracht komme, wenn der Geschädigte von vornherein damit rechnen muss, dass er einen erheblichen Teil seines Schadens selbst tragen muss.

Diese Entscheidung des Bundesgerichtshofs hat große praktische Relevanz, da sich der Geschädigte eines Kfz-Unfalls, dessen Fahrzeug vollkaskoversichert ist, bislang in einer Art Zwickmühle befand: 

Bei Nichtinanspruchnahme der Vollkaskoversicherung entstand dem Geschädigten eine teilweise sehr langer Ausfalldauer mit der Folge, dass die gegnerische Kfz Haftpflichtversicherung den Vorwurf des Verstoßes gegen die Schadensminderungspflicht erhob. Wenn der Geschädigte aber die Vollkaskoversicherung zeitnah in Anspruch genommen hatte und dann den Rückstufungsschaden gegen den Schädiger geltend gemacht wurde, wurde von der gegnerischen Kfz Haftpflichtversicherung gerne der Vorwurf erhoben, die zeitnahe Inanspruchnahme der Vollkaskoversicherung wäre ebenfalls als Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht zu werten, der zusätzliche Prämienschaden sei unnötig gewesen.

Durch die relevante Entscheidung des BGH vom 17. November 2020, Az. VI ZR 569/19 ist diese Zwickmühle für den Geschädigten entschärft worden, da klargestellt ist, dass der Geschädigte gerade nicht verpflichtet ist, vorzeitig seine Vollkaskoversicherung zur Geringhaltung des Schadens in Anspruch zu nehmen. Vielmehr ist der Schädiger grundsätzlich in der Pflicht, zeitnah den Unfall zu regulieren.

Fazit:

Als Geschädigte eines Unfalls sollten Sie die Schadensbegutachtung durch einen von ihnen selbst ausgewählten Sachverständigen vornehmen lassen und dann die Regulierung des Schadens über einen Rechtsanwalt geltend machen. So kann sichergestellt werden, dass der gegnerische Kfz-Haftpflichtversicherer gewarnt wird und auf den Umstand, dass Sie als Geschädigter gegebenenfalls den Schaden nicht vorfinanzieren können, hingewiesen wird.

Gerne können Sie mich mit der Regulierung Ihres Kfz-Unfallschadens beauftragen.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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