Streik und Streikrecht: Wer darf wie streiken?
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- Das Recht zum Arbeitskampf für Arbeitnehmer wie für Arbeitgeber wird aus dem Grundgesetz hergeleitet.
- Auch das Streikverbot für Beamte basiert auf dem Grundgesetz, obwohl es es ebenfalls nicht ausdrücklich nennt.
- Die Teilnahme an rechtswidrigen Streiks kann eine Abmahnung und Kündigung rechtfertigen.
Streiks bei der Bahn und bei Fluggesellschaften oder wie aktuell der Warnstreik der BVG in Berlin treffen auch viele Unbeteiligte. Doch was ist beim Streiken überhaupt erlaubt? Und warum darf fast jeder streiken, Beamte aber nicht?
Streiken ist Grundrecht
Seit 1968 gewährleistet das Grundgesetz in Artikel 9 das Recht zum Arbeitskampf, ohne es jedoch klar zu nennen. Streiks gab es natürlich schon vorher – und das wesentlich häufiger, wie besonders in den 20er-Jahren. Bis heute gibt es kein spezielles Streikgesetz. Das Streikrecht prägten und prägen deshalb vor allem die Entscheidungen der Gerichte.
Keine Arbeitspflicht, kein Lohn
Die gegenseitigen Pflichten von Arbeitnehmer und Arbeitgeber ruhen während eines Streiks. Das heißt: Der streikende Arbeitnehmer muss nicht arbeiten. Der Arbeitgeber muss ihm aber auch keinen Lohn zahlen. Arbeitnehmer, die Mitglied der am Streik beteiligten Gewerkschaft sind, erhalten als Ausgleich Streikgeld.
Aussperrung durch Arbeitgeber
Das Kampfmittel der Arbeitgeber ist die Aussperrung. Sie verweigern damit, die Arbeitsleistung der Arbeitnehmer anzunehmen und sind nicht zur Lohnzahlung verpflichtet.
Vieles ist erlaubt, aber lange nicht alles
Neben dem Grundgesetz gibt es kein Gesetz, das den Arbeitskampf besonders regelt. Was beim Streiken erlaubt ist und was verboten ist, prägte vor allem die Rechtsprechung. Nicht jeder Streik ist danach rechtmäßig.
Warnstreik
Zu Warnstreiks kommt es oft während laufender Tarifverhandlungen. Der Warnstreik ist zulässig, wenn die Verhandlungen stocken, weil die Arbeitgeberseite nicht auf die Arbeitnehmerforderungen eingeht. Warnstreiks dauern meist nur wenige Stunden und nur ein kleiner Teil der Beschäftigten ist zum Streik aufgerufen. Erhebliche Auswirkungen können Warnstreiks dennoch haben, wenn der Warnstreik den Bahn- oder Flugverkehr betrifft.
Schwerpunktstreik
Der Schwerpunktstreik richtet sich gezielt gegen Arbeitgeber, die eine Schlüsselrolle haben. Dadurch wirkt er sich stärker aus. Kann beispielsweise ein bestreikter Lieferant keine Teile mehr liefern, stockt die Produktion beim Abnehmer.
Flächenstreik
Ein Flächenstreik richtet sich voll gegen die Arbeitgeber einer ganzen Branche. Der Flächenstreik wird deshalb auch als Vollstreik bezeichnet.
Unterstützungsstreik
Ein Unterstützungsstreik richtet sich nicht gegen den eigenen Arbeitgeber. Er richtet sich vielmehr gegen andere Arbeitgeber. Ziel ist, die Forderungen anderer zu unterstützen. Wenn der Unterstützungsstreik dazu geeignet, nötig oder angemessen ist, ist er laut Bundesarbeitsgericht zulässig. Der unterstützte Streik bzw. die Forderungen müssen jedoch rechtmäßig sein.
Wilder Streik
Dieser Streik gilt als wild, weil keine Arbeitnehmervereinigung zum Streik aufgerufen hat. Nach dem Grundgesetz dürfen jedoch nur Vereinigungen Arbeitskämpfe führen. Wilde Streiks sind deshalb rechtswidrig, solange keine Gewerkschaft beschließt, den wilden Streik zu übernehmen.
Ebenso unzulässig sind wilde Aussperrungen durch Arbeitgeber, die keine Arbeitgeberorganisation trägt. Das gilt selbst für Aussperrungen als Reaktion auf einen wilden Streik.
Unzulässige Streiks
Streiks dürfen auch keine politischen Ziele verfolgen. So darf der Gesetzgeber beispielsweise nicht mittels Streik zum Erlass oder zur Aufhebung von Gesetzen gezwungen werden. Andererseits ist der Staat zur Neutralität verpflichtet und darf nicht in Arbeitskämpfe eingreifen.
Unzulässig sind Streiks, solange die tarifvertragliche Friedenspflicht gilt. Existiert ein ungekündigter Tarifvertrag, sind Streiks gegen dessen Vereinbarungen danach rechtswidrig. Der Tarifvertrag kann auch eine absolute Friedenspflicht vorsehen. Arbeitskämpfe sind dann auch wegen noch nicht tarifvertraglich geregelter Ziele unzulässig.
Verfolgt der Streik zugleich rechtmäßige Ziele, gilt die Rührei-Theorie: Verfolgt ein Streik nur teilweise rechtswidrige Ziele, ist er dennoch insgesamt rechtswidrig.
Unmittelbar von einem rechtswidrigen Streik betroffene Arbeitgeber können Unterlassung und Schadensersatz verlangen. Dasselbe gilt für Arbeitnehmer bei einer rechtswidrigen Aussperrung.
Darf der Arbeitgeber wegen der Streikteilnahme abmahnen oder kündigen?
Es kommt darauf an, ob der Streik rechtmäßig oder rechtswidrig ist. Bei einem rechtmäßigen Streik sind Benachteiligungen von Arbeitnehmern unzulässig. Die Teilnahme an einem rechtswidrigen Streik kann dagegen arbeitsrechtliche Folgen wie die Abmahnung und sogar Kündigung rechtfertigen.
Beamte dürfen nicht streiken! Aber warum?
Ein ausdrückliches Streikverbot für Beamte gibt es nicht. Die Gerichte begründen es jedoch mit Artikel 33 Absatz 5 Grundgesetz. Das Streikverbot gehöre zu den Grundsätzen des Berufsbeamtentums: Es habe seit der Weimarer Republik Tradition. Im Jahr 1922 hatte die Regierung Beamten das Streiken per Notverordnung verboten. Der Grund: Vorherige heftige Streiks der damals noch regelmäßig verbeamteten Eisenbahnbeschäftigten.
Treuepflicht, Alimentations- und Lebenszeitprinzip
Ein ausdrückliches gesetzliches Streikverbot für Beamte gibt es nicht mehr. Jedoch ist das Streikverbot eng verknüpft mit den verfassungsrechtlichen Fundamenten des Berufsbeamtentums: der Treuepflicht, dem Alimentationsprinzip und dem Lebenszeitprinzip.
Die Treuepflicht gilt für den Staat wie für dessen Beamte. Der Staat ist besonders verpflichtet, für das Wohl jedes Beamten zu sorgen – auch nach dem Ausscheiden aus dem Dienst. Jeder Beamte ist wiederum dem Staat gegenüber besonders verpflichtet, seinen Dienst zu leisten. Dieses besondere Dienst- und Treueverhältnis schließt auch laut Bundesverfassungsgericht ein Streikrecht für Beamte aus.
Das Alimentationsprinzip verpflichtet den Staat, für seine Beamten und deren Familien lebenslang angemessen zu sorgen.
Nach dem Lebenszeitprinzip besteht das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit. Sie sind besonders vor Entlassungen geschützt.
Wenn Beamte Regelungen durch Streik verändern könnten, bliebe für die Prinzipien kein Raum mehr. Das Bundesverfassungsgericht hält das Streikverbot für Beamte deshalb für verfassungsgemäß (Urteil v. 12.06.2018, Az.: 2 BvR 1738/12, 2 BvR 646/15, 2 BvR 1068/14, 2 BvR 1395/13). Auch der Gewerkschaftsverband dbb Beamtenbund und Tarifunion steht hinter dem Streikverbot.
(GUE)
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Rechtstipps zu "Streik" | Seite 5
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25.05.2020 Rechtsanwalt Savin Vaic„… Fällen obligatorisch: in Arbeitsstreitigkeiten der Durchführung des Streiks in Familienrechtsstreitigkeiten aus den Familienverhältnissen bevor eine Scheidungsklage eingereicht wird wenn die Ehegatten …“ Weiterlesen
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15.04.2020 Rechtsanwältin Christiane Knack-Wichmann„… die Betriebsratstätigkeit – ähnlich wie bei einem wilden Streik für die Dauer der Verhandlungen mit dem Arbeitgeber – der Ersatzberechnung die volle übliche Vergütung zugrunde zu legen ist. Hierzu lassen sich m. E. noch …“ Weiterlesen
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01.04.2020 Rechtsanwalt Markus Jansen„… in der Leistungserbringungspflicht. Höhere Gewalt – das waren bislang Sturm, Schnee, Feuer und Hagel – unter Umständen auch Krieg oder Streik. Ganz neu auf der Liste: Pandemien wie das Coronavirus! Ganz neu ist die Diskussion …“ Weiterlesen
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31.03.2020 Avvocato Dr. Massimo Fontana-Ros Business Law„… internationale Verträge folgende Vorkommnisse als „ höhere Gewalt “: Epidemien, Naturkatastrophen, Kriege, Aufstände und hoheitliche Verwaltungsakte (z. B. Embargo). Vorkommnisse wie Streiks, Lieferengpässe …“ Weiterlesen
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30.03.2020 Rechtsanwalt Matthias Lorenz„… sind. Auch bei Arbeitskämpfen (Streik) kommt unter der Maßgabe des § 100 SGB III der Bezug von Kurzarbeitergeld in Betracht. Möglich ist der Bezug allerdings nur dann, wenn die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer …“ Weiterlesen
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26.03.2020 Rechtsanwalt Markus Czech„… die Kinderbetreuung beschaffen oder sich selbst kümmern, sich dafür Urlaub nehmen oder unbezahlt von der Arbeit freistellen lassen – genau wie bei einem Kita-Streik oder wenn Kitas oder Schulen wegen eines Sturms …“ Weiterlesen
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19.03.2020 Rechtsanwalt Martin Loibl„… Ausübung haben, wie bspw. Streik, Blitzschlag oder Flughafensperrungen. Technische Mängel begründen hingegen keine außergewöhnlichen Umstände nach Art. 5 Abs. 3 der Fluggast-VO. Der EuGH entschied …“ Weiterlesen
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18.03.2020 Rechtsanwalt Jan Marcel Binner„… ) oder durch einen nicht angekündigten Streik der Erzieherinnen. Gleiches gilt, wenn z. B. eine Tagesmutter plötzlich erkrankt. Unerheblich ist, ob der Auslöser, z. B. ein Tarifkonflikt, eine unbestimmte Zahl …“ Weiterlesen
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13.03.2020 Rechtsanwalt Bernd Kerger„… Vertragsgrundlage, können der Behinderungsanzeige folgende Umstände zugrunde gelegt werden: Streik und Aussperrung im eigenen Betrieb Witterungseinflüsse, wenn bei Abgabe des Angebots nicht damit …“ Weiterlesen
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04.03.2020 Rechtsanwältin und Notarin Ulrike Schmidt-Fleischer„… , der Arbeit fernzubleiben. Ein solches Verhalten würde einem Streik ähneln. Jeder Arbeitnehmer hat selbst dafür Sorge zu tragen, wie er zu seinem Arbeitsplatz kommt. Kita- oder Schulschließung …“ Weiterlesen
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26.02.2020 Rechtsanwalt Guido Kluck„Habe ich bei einem Streik der Fluggesellschaft einen Anspruch auf Entschädigung? Diese Frage stellen sich Fluggäste immer wieder, deren Flüge aufgrund von Streiks verspätet oder sogar ausgefallen …“ Weiterlesen
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10.02.2020 Rechtsanwältin Maike Pia Pfeffer„Immer wieder kommt es im Flugverkehr zu Streiks. Massenhafte Arbeitsniederlegungen gehen oft mit vielen Flugverspätungen und Flugausfällen einher. Dies stellt nicht nur die Geduld der Passagiere …“ Weiterlesen
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08.02.2020 Rechtsanwalt Martin Loibl„… ausgeschlossen, wenn außergewöhnliche Umstände nach Art. 5 Abs. 3 Fluggast-VO vorliegen. Was sind außergewöhnliche Umstände? Schlechtes Wetter Blitzschlag Streik. Bei einem Streik, wie beispielsweise …“ Weiterlesen
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07.02.2020 Rechtsanwalt Martin Loibl„… , der Zielflughafen liegt innerhalb der EU Verspätung/Ankunft am Ziel mit mehr als 3 Std. Keine außergewöhnlichen Umstände, z. B. Streik, Blitzschlag, Flughafensperrung Fluggast nach Fluggast-VO – Definition …“ Weiterlesen
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04.02.2020 Rechtsanwalt Torsten Thiel LL.M.„Das Landgericht Frankfurt am Main hat entschieden, dass Flugreisende nach einer Annullierung ihrer Flüge wegen eines Streiks der Piloten Ausgleich verlangen können, wenn die Airline nicht alles …“ Weiterlesen
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28.11.2019 Katharina Kästel, anwalt.de-Redaktion„… organisieren sich die Schüler besonders über die sozialen Medien in Form von WhatsApp-Gruppen, Instagram und Facebook. Dass die Jugendlichen während der Unterrichtszeit streiken, ist bewusst gewählt …“ Weiterlesen
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08.11.2019 Rechtsanwalt Holger Hopperdietzel„Seit 07. November 2019 streiken bei der Deutschen Lufthansa AG die in der Flugbegleitergewerkschaft UFO organisierten Mitglieder des Kabinenpersonals. Lufthansa hat für den 07. November 2019 …“ Weiterlesen
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20.10.2019 Rechtsanwalt Holger Hopperdietzel„Am 20. Oktober 2019 begann bei den Fluggesellschaften Sun Express, Lufthansa Cityline, Eurowings und Germanwings ein Streik des Kabinenpersonals (Flugbegleiter). Bereits am Morgen des 20. Oktober …“ Weiterlesen
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24.09.2019 Daniel Goldmann, anwalt.de-Redaktion„… umfasst auch alle Umstände, auf die weder Arbeitgeber noch Arbeitnehmer Einfluss haben. Dazu gehören: Stürme Streiks in der Fluggesellschaft, Flugsicherung, beim Flughafenpersonal etc. technische …“ Weiterlesen
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24.01.2024 Rechtsanwalt Vincent Aydin„… des Unternehmens sind in den Jahren 2015 und 2016 an einem Streik gegen das Unternehmen beteiligt gewesen. Um einen geregelten Arbeitsablauf zu gewährleisten, sicherte der Arbeitgeber per Aushang jedem …“ Weiterlesen
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17.03.2023 Fachanwältin für Arbeitsrecht Dorit Jäger„Wann ist ein Streik zulässig? Arbeitnehmer dürfen gemeinsam die Erfüllung des Arbeitsvertrags verweigern, um den Arbeitgeber zu Zugeständnissen zu bewegen. Sie dürfen streiken. Das Streikrecht …“ Weiterlesen
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01.03.2019 Rechtsanwältin Apollonia Stuhldreier„… an den Abfertigungsschaltern am Flughafen in New York zurückzuführen. Hintergrund war ein Streik bei dem Unternehmen, das für die Telekommunikationsleitungen gegenüber dem Flughafenbetreiber verantwortlich war …“ Weiterlesen
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11.02.2019 Rechtsanwalt Holger Hopperdietzel„… die Erbringung der Leistung durch Dritte übernimmt. Daher dürfen sowohl der Streik der Leistungserbringer als auch dessen Insolvenz nicht dazu führen, dass der Reiseveranstalter vor Antritt der Reise …“ Weiterlesen