Heilungsbewährung im Schwerbehindertenrecht – die Psyche zählt, - das soll aber geändert werden!

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Seit Jahren wird eine Reform des Schwerbehindertenrechtes - weitestgehend unbeachtet - geplant. Die Heilungsbewährung soll völlig neu gestaltet werden.

Der Grad der Behinderung orientiert sich an den Teilhabeeinschränkungen des Betroffenen im täglichen Leben. Am einfachsten sind sichtbare Körperbehinderungen. Ganz "handfest" ist das z. B. bei orthopädischen Leiden wie Arthrose oder fehlende Extremitäten. Schwieriger ist es schon mit der Beurteilung psychischer Defizite. Depression, Schizophrenie, Autismus – das sieht man den Betroffenen nicht an, oftmals merkt die Umwelt nicht einmal, wie schlimm es wirklich steht. Doch auch psychische Beeinträchtigungen sind fassbar, von Ärzten oder Therapeuten. Sie können beurteilt werden.

Was aber niemals zählt, das sind Befürchtungen oder Ängste. Wenn z. B. In der Familie Diabetes schon bekannt ist oder eine Krankheit langsam fortschreitet, so daß der Betroffene befürchten muß, im Rollstuhl zu enden. Was bei der Bewertung des Grad der Behinderung nur zählt, ist der IST – Zustand, niemals das, was sein könnte.

Wie wird der Grad der Behinderung gebildet?

Zunächst werden Befundberichte der behandelnden Ärzte eingeholt und dem medizinischen Dienst vorgelegt. Das ist meistens eine Abteilung innerhalb der Behörde und besteht nur aus Ärzten.

Bildung Einzel – GdB anhand der Tabelle der versorgungsmedizinischen Grundsätze (VMG). Die VMG sind eine Art "Katalog", in denen alle Erkrankungen mit einem Grad der Behinderung gelistet sind (übrigens nicht "Prozente", wie immer gesagt wird). Ab einem Grad von 20 zählen die Beeinträchtigungen. Die einzelnen GdB werden nicht addiert! Bei der Beurteilung des Gesamt - GdB muß man von der Beeinträchtigung ausgehen, die am schwerwiegendsten (höchsten) ist. Dann werden die anderen GdB dahingehend untersucht, wie sie diese Beeinträchtigung beeinflussen.

Grds. werden Ängste, daß eine Behinderung sich verschlimmert, nicht mitbewertet.

Was ist an der Heilungsbewährung so besonders?

Mit allen Grundsätzen bricht die Heilungsbewährung. Hier werden Gesundheitsschäden, die erst noch zu erwarten sind und seelische Belastungen berücksichtigt und führen zu einem höheren GdB; z. B. Tumorentfernung bei einer Niere. Dahinter verbirgt sich folgender Gedanke: Ein Betroffener erleidet eine bösartige Krankheit (in der Regel ein Karzinom, Tumor, Transplantation o. a.), die kurzfristig durch OP, Bestrahlung oder Chemotherapie beseitigt werden kann. Diese Erkrankungen haben aber alle gemein, daß sie nach einiger Zeit wieder auftreten können, sogenannte Rezidive bilden. Nach medizinischer Erfahrung dauert es durchschnittlich drei bis fünf Jahre, bis der Betroffene entweder erneut an der Erkrankung leidet oder sie nicht mehr aufgetreten ist. Während dieser Zeit des Abwartens wird ein höherer GdB zuerkannt, als er sich aus der vorliegenden Behinderung ergibt. Konkrete Beeinträchtigungen müssen dafür nicht geltend gemacht und belegt werden. Maßgeblicher Bezugspunkt für den Beginn der Heilungsbewährung ist der Zeitpunkt, an dem die Geschwulst durch Operation oder andere Primärtherapien (Bestrahlung oder Chemotherapie) als beseitigt angesehen werden kann. Nach Ablauf der Zeit der Heilungsbewährung wird der GdB neu bewertet. Soweit kein Rückfall feststellbar ist, wird regelmäßig ein niedrigerer GdB für die Zukunft festgesetzt.

Was soll an der Heilungsbewährung geändert werden?

Seit über zehn Jahren ist geplant, das System der versorgungsmedizinischen Grundsätze komplett zu überarbeiten. Insbesondere die Heilungsbewährung soll neu gestaltet werden.

Die wichtigsten Änderungen:

- jede einzelne Erkrankung erhält einen "eigenen" GdB. Jetzt gelten z. B. alle Betroffenen nach einer Tumorentfernung als schwerbehindert, künftig wird danach unterschieden, welche Art von Tumor entfernt wurde und in welchem Stadium sich die Erkrankung befand. So kann es durchaus sein, daß die Entfernung eines Tumor im Frühstadium dann nicht mehr als Schwerbehinderung gilt.

- Krankheiten, die in den versorgungsmedizinischen Grundsätze nicht gelistet sind, sollen analog ohne Heilungsbewährung bewertet werden können. D. h., daß die Betroffen dann das Ausmaß ihrer Beeinträchtigung nachweisen müssen.

- der Grad der Behinderung wird befristet. Während jetzt vor einer Herabsetzung eine Anhörung erfolgen muß, ist das dann nicht mehr notwendig. Der Grad der Behinderung endet irgendwann "automatisch".

Die jetzige Heilungsbewährung ist als Entlastung gedacht; die Betroffenen haben genug damit zu tun, gegen Krebs / Herzinfarkte / Tumore zu kämpfen und sollen sich nicht auch noch mit "Papierkram" herumschlagen müssen. Durch die Reform wird diese Entlastung entfallen. Die geplanten Änderungen sind weitestgehend unbekannt. Noch ist Zeit, gegenzusteuern. Anträge und Widersprüche müssen sorgfältig durchgeführt werden.

Hierfür stehe ich Ihnen mit Rat und Tat zur Seite! Melden Sie sich.



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