Zeugenvernehmung - Rechte und Pflichten von Zeugen

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Dieser Artikel behandelt die wichtige Rolle von Zeugen im Strafrecht und deren Rechte und Pflichten. Zeugen sind verpflichtet, wahrheitsgemäß auszusagen und müssen zu einer Vernehmung erscheinen, wenn sie ordnungsgemäß geladen sind. Es werden die Folgen von Falschaussagen sowie das Zeugnisverweigerungsrecht bestimmter Berufsgruppen und Angehöriger thematisiert. Darüber hinaus wird das Auskunftsverweigerungsrecht erläutert, welches Zeugen das Recht gibt, auf bestimmte Fragen nicht zu antworten, um sich oder Angehörige nicht zu belasten. Die Belehrungspflichten der Ermittlungsbehörden bezüglich der Verweigerungsrechte und die Bedeutung des anwaltlichen Beistands für Zeugen werden betont. Speziell wird auf die Situation von Kronzeugen eingegangen, die durch ihre Aussage eine Strafmilderung erreichen wollen, dabei aber Risiken eingehen. Der Artikel hebt hervor, dass Zeugenaussagen auf Tatsachen basieren sollen und weist auf die Bedeutung von Zeugenaussagen für die Urteilsfindung hin. Für Beratung und Unterstützung wird empfohlen, sich an eine Fachanwältin für Strafrecht zu wenden.

1) Gesetzeslage

Zeugen sind persönliche Beweismittel, weshalb auch von Beweispersonen gesprochen wird. Sie sind für die Erfüllung der Aufgaben einer funktionierenden Strafrechtspflege von großer Bedeutung.

Sie sind verpflichtet, wahrheitsgemäß auszusagen.

Zu einer Vernehmung müssen sie erscheinen,
- wenn die Ladung dazu durch einen Richter erfolgt ist oder
- wenn es eine polizeiliche Ladung im Auftrag der Staatsanwaltschaft ist.
Dies ist in einer Ladung ausdrücklich vermerkt. In der Ladung wird auch auf die Folgen hingewiesen, wenn ein Zeuge nicht erscheint. Es ist sodann möglich, die durch das Ausbleiben entstandenen Kosten einem Zeugen aufzuerlegen sowie Ordnungsgeld oder Ordnungshaft anzuordnen.

Bei nicht wahrheitsgemäßer Aussage kann ein Zeuge selbst zum Beschuldigten werden, kann ein Verfahren gegen ihn wegen einer falscher Verdächtigung oder einer Strafvereitelung eingeleitet werden.
Im Falle einer Falschaussage vor Gericht droht eine Freiheitsstrafe von mindestens 3 Monaten, im Falle eines Meineides droht eine Freiheitsstrafe von mindestens 1 Jahr.

2) Zeugnisverweigerungsrechte, §§ 52, 53 StPO

Personen, welche ein Zeugnisverweigerungsrecht haben, haben das Recht, keinerlei Aussage zu machen.

- Berufsgeheimnisträger

Ein Zeugnisverweigerungsrecht steht bestimmten Berufsgruppen zu, da ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen ihnen und den Menschen, die ihre Hilfe, ihren Rat suchen für ihren Beruf essentiell ist.
Dieses Zeugnisverweigerungsrecht der Berufsgeheinmisträger ist in § 53 Strafprozessordnung (= StPO) geregelt.
So haben u.a. Verteidiger, Rechtsanwälte, Steuerberater, Geistliche, Ärzte, Apotheker, psychologische Psychotherapeuten nicht nur ein Zeugnisverweigerungsrecht über das, was ihnen anvertraut worden ist, sondern auch eine Schweigepflicht. § 203 Strafgesetzbuch (= StGB) stellt den Verstoß gegen diese Schweigepflicht ausdrücklich unter Strafe.

- Angehörige


Ein Zeugnisverweigerungsrecht steht aber auch nahen Angehörigen zu. Dieses Zeugnisverweigerungsrecht ist in § 52 StPO geregelgt.

Danach haben ein Zeugnisverweigerungsrecht der Ehepartner und die Ehepartnerin eines Beschuldigten. Dieses Zeugnisverweigerungsrecht besteht auch nach der Scheidung fort.

Auch der Lebenspartner hat ein Zeugnisverweigerungsrecht. Damit ist aber nur ein Partner einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft gemeint, welche nach § 1 I LPartG wirksam eingetragen ist.

Wichtig ist darüber hinaus das Zeugnisverweigerungsrecht der Eltern, Kindern, Großeltern, Enkel, Urgroßenkel, Urgroßeltern, voll - und halbbürtigen Geschwister sowie Nichten und Neffen.
Auch Verschwägerte haben ein Zeugnisverweigerungsrecht.

Da es für einen Laien häufig nicht zu erkennen ist, ob er zu den Zeugnisverweigerungsberechtigten gehört, ist es sinnvoll, bei Zweifeln Rat durch eine Fachanwältin für Strafrecht einzuholen.

3) Belehrung über das Zeugnisverweigerungsrecht, §§ 52, 53 StPO

Zeugnisverweigerungsberechtigte sind über ihr Schweigerecht zu belehren, und zwar vor jeder Vernehmung.
Wird diese Belehrung unterlassen, darf die Aussage des Zeugen nicht verwertet werden. Dies gilt auch dann, wenn der Zeuge erst später von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht. Hat eine Zeugin allerdings vor einem Richter nach Belehrung ausgesagt, kann diese Aussage auch bei späterer Zeugnisverweigerung verwertet werden.

Eine Person, die ihr Zeugnisverweigerungsrecht wahrnimmt, braucht dies nicht zu begründen. Dies ist ein in der Praxis sehr wichtiger Umstand. Denn immer wieder geschieht es, dass Vernehmungspersonen nachfragen, warum denn keine Angaben gemacht werden, dass diese doch helfen könnten.
Ob Angaben durch einen Zeugen helfen oder nicht, kann ein Zeuge nicht beurteilen. Er hat keinerlei oder allenfalls völlig unzureichende Verfahrenskenntnisse. Tatsächlich helfen Angaben eines Zeugen den Ermittlungsbehörden, dem verwandten Beschuldigten aber eher nicht.

4) Auskunftsverweigerungsrecht, § 55 StPO

Zeugen, welche mit wahrheitsgemäßen Antworten auf Fragen sich oder einen Angehörigen in die Gefahr bringen können, dass aufgrund ihrer Antworten gegen sie selbst oder einen Angehörigen ein Ermittlungsverfahren durch die Polizei wegen einer Straftat eingeleitet wird, haben ein Auskunftsverweigerungsrecht. Dieses gilt grundsätzlich für die Beantwortung einzelner Fragen, kann aber auch zu einem umfassenden Auskunftsverweigerungsrecht werden.
Dieses Recht ist in § 55 StPO geregelt.

5) Belehrung über das Auskunftsverweigerungsrecht, § 55 StPO

Auch über dieses Recht sind Zeugen zu belehren.

Die Belehrung erfolgt aber häufig in eher unzutreffender Weise. Es wird dem Zeugen erklärt, er brauche sich mit seiner Aussage nicht selbst zu belasten.
Dies entspricht nicht einer korrekten Belehrung gem. § 55 StPO.
Denn ob ein Zeuge bei Antworten sich oder einen Angehörigen selbst belastet, ist von diesem häufig gar nicht zu erkennen. Dafür müßte er Kenntnis vom Akteninhalt haben, welcher den Ermittlungsbehörden vorliegt.
Außerdem sind die Anforderungen für die Einleitung eines Ermittlungsverfahren relativ gering. Es reicht ein sog. Anfangsverdacht, welcher auch aufgrund von kriminalistischen Erfahrungen und Indizien, also Beweisanzeichen, gegeben sein kann.


6) Auskunftsverweigerungsrecht und bereits laufendes, eigenes Strafverfahren, § 55 StPO

Ein Auskunftsverweigerungsrecht ist immer zu prüfen, wenn gegen einen Zeugen bereits ein Strafverfahren läuft, welches mit dem Verfahren, zu welchem er aussagen soll, in einem Zusammenhang stehen könnte.

Grundsätzlich haben solche Zeugen ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht, brauchen also während des Laufes ihres Verfahrens überhaupt keine Angaben zu machen.

7) Zeugenbeistand

Auch ein Zeuge hat das Recht, sich anwaltlichen Beistand zu nehmen. Dieses Recht ist in § 68 b StPO geregelt.

Angesichts der rechtlichen Schwierigkeiten bei der Beurteilung des Vorliegens eines Zeugnisverweigerungsrechts gem. § 52 StPO oder eines Auskunftsverweigerungsrechts gem. § 55 StPO sollten Zeugen in diesen Fällen sich vor einer Vernehmung zumindest anwaltlichen Rat bei einer Fachanwältin für Strafrecht holen.

8) Kronzeugen

Dies gilt ganz besonders, wenn ein Beschuldigter die sog. "Kronzeugenregelung" wahrnehmen möchte. Gem. § 46 b Strafgesetzbuch (StGB), § 31 Betäubungsmittelgesetz (BtmG) kann eine Strafe gemildert oder sogar ganz von Strafe abgesehen werden, wenn ein Täter die Tat über seinen eigenen Tatbeitrag hinaus aufklärt, also andere Personen benennt, welche an der Tat beteiligt waren, welche "Drogenstraftaten" begangen haben.

Immer wieder kommt es vor, dass Beschuldigte als Kronzeugen umfassende Angaben zu anderen Personen machen, sich zugleich aber selbst damit weit über das hinaus belasten, was ihnen bis zum Zeitpunkt der Vernehmung hätte nachgewiesen werden können. Im Ergebnis hilft ihnen sodann die "Kronzeugenregelung" nicht, es kann sogar trotz Aussage zu einer höheren Strafe kommen als wenn geschwiegen worden wäre.

9) Gegenstand einer Zeugenaussage

Zeugen ist vor ihrer Vernehmung der Gegenstand der Ermittlungen mitzuteilen. Es ist auch zulässig, dass ihnen die Person des Beschuldigten mitgeteilt wird.


Sie sollen sodann zunächst im Zusammenhang angeben, was sie zu dem Gegenstand der Untersuchungen wissen. 

Sie haben auch auf Fragen und Vorhalte aus dem Akteninhalt zu antworten.


Wichtig ist, dass Gegenstand ihrer Aussage Tatsachen sind. Die können auch negativer Natur sein - z.B. in der Form, dass ein Zeuge eine Äußerung, welche ihm aus der Akte mitgeteilt wird, nicht gehört hat.
Ein Zeuge kann auch dazu vernommen werden, wie ein Geschehen auf ihn selbst gewirkt hat, z.B.: welche Emotionen es verursacht hat. Das sind dann Angaben zu inneren Tatsachen des Zeugen.


Gegenstand einer Zeugenaussage sollen aber grundsätzlich nicht sein Mutmaßungen, Schlußfolgerungen. Wenn ein Zeuge Vermutungen äußert, ist dies von ihm mitzuteilen, ist von ihm mitzuteilen, aufgrund welcher Tatsachen er zu seinen Schlußfolgerungen kommt.

Eine Zeugenvernehmung ist wohl für jede Person ein eher unangenehmes Erleben, welches möglichst schnell hinter sich gebracht werden soll.
Polizei und Justiz sind aber für ihre Urteile auf Zeugenaussagen angewiesen.
Wichtig ist, dass Zeugen tatsächlich nur das aussagen, was sie selbst erinnern, was sie selbst erlebt haben - und nicht das, was ggfs. der vernehmende Polizeibeamte hören will, was andere Zeugen vielleicht ausgesagt haben.
Zeugen sollten sich bewußt sein, dass ihre Aussagen existentielle Folgen für einen Beschuldigten haben können.

Sollten Sie einen Zeugenbeistand benötigen oder eine Beratung vor einer Zeugenvernehmung können Sie sich gern an Frau Rechtsanwältin Wüllrich wenden.



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