Abfindung im Insolvenzverfahren: Was ist pfändbar und was ist pfändungsfrei?

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0. Einleitung
Wenn ein Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz verliert, kommt es häufig zu einer Auszahlung einer Abfindung, um die finanziellen Folgen der Kündigung abzumildern. Doch was passiert mit dieser Abfindung, wenn der Arbeitnehmer in einem Insolvenzverfahren steckt? Kann die Abfindung vollständig vom Insolvenzverwalter gepfändet werden, oder gibt es rechtliche Möglichkeiten, einen Teil der Abfindung zu schützen?

In einem Insolvenzverfahren gilt grundsätzlich der sogenannte Insolvenzbeschlag gemäß § 35 Insolvenzordnung (InsO). Dieser erfasst das gesamte Vermögen des Schuldners, welches zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorhanden ist sowie das Vermögen, das der Schuldner während des Verfahrens erlangt. Darunter fällt auch eine Abfindungszahlung, die dem Schuldner für den Verlust seines Arbeitsplatzes gezahlt wird. Abfindungen stellen oft einen erheblichen Geldbetrag dar, der für die wirtschaftliche Sicherung der betroffenen Person wichtig ist. Vor allem bei einem hohen Abfindungsbetrag entsteht das Bedürfnis, einen pfändungsfreien Anteil für den Lebensunterhalt zu erhalten.

Doch die Frage, welche Anteile einer Abfindung pfändbar sind, ist nicht einfach zu beantworten. In diesem Artikel erläutern wir Ihnen die gesetzlichen Regelungen und die Besonderheiten der Pfändungsfreigrenzen gemäß § 850c ZPO, wie diese auf Abfindungen anzuwenden sind und was Sie beachten müssen, um einen unpfändbaren Anteil im Insolvenzverfahren zu schützen.


1. Gesetzliche Grundlagen zur Pfändung von Abfindungen

Gemäß § 35 InsO unterliegt das gesamte Vermögen des Schuldners, einschließlich sämtlicher Einkünfte, die während des Verfahrens erworben werden, dem sogenannten Insolvenzbeschlag. Dies bedeutet, dass auch Abfindungszahlungen in das Insolvenzverfahren fallen und von dem Insolvenzverwalter grundsätzlich zur Befriedigung der Gläubiger verwendet werden können.

Die Pfändbarkeit von Einkommen und Abfindungen richtet sich jedoch nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung (§§ 850 ff. ZPO). Hierbei spielt insbesondere § 850c ZPO eine zentrale Rolle, welcher die Pfändungsfreigrenzen regelt. Diese Freigrenzen dienen dazu, dem Schuldner und seiner Familie einen existenzsichernden Anteil seines Einkommens zu belassen.

Eine Abfindung unterscheidet sich von regulärem Arbeitseinkommen dadurch, dass es sich um eine Einmalzahlung handelt. Dies führt dazu, dass die Pfändungsfreigrenzen von § 850c ZPO oftmals überschritten werden und eine Sonderregelung erforderlich ist. Um dies zu berücksichtigen, sieht das Gesetz eine sogenannte "Glättung" vor. Dabei wird die Abfindung so behandelt, als würde sie über einen längeren Zeitraum in gleichmäßigen Raten ausgezahlt werden.

Die Gerichte haben hierzu unterschiedliche Ansätze entwickelt, um die Pfändbarkeit von Abfindungen fair zu berechnen. In der Praxis wird häufig ein fiktiver Zeitraum von sechs bis zwölf Monaten als Grundlage genommen. Dies bedeutet, dass die Abfindung auf diesen Zeitraum aufgeteilt wird und so die monatlichen Pfändungsfreigrenzen berechnet werden. Zu den maßgeblichen Urteilen gehört beispielsweise die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) in seinem Urteil vom 10. Februar 2011 (IX ZR 105/09), wonach der pfändungsfreie Anteil einer Abfindung berechnet werden muss, indem die Abfindung auf den Zeitraum verteilt wird, für den sie gezahlt wurde.


2. Berechnung des pfändungsfreien Betrags
Um den pfändungsfreien Anteil einer Abfindung zu ermitteln, sind folgende Schritte erforderlich:

  1. Bestimmung der Gesamthöhe der Abfindung: Welche Summe erhält der Schuldner insgesamt?
  2. Festlegung des relevanten Zeitraums: Für welchen Zeitraum soll die Abfindung den Verdienstausfall kompensieren? Hierbei können unterschiedliche Zeiträume angesetzt werden, je nachdem, ob der Schuldner schnell wieder eine Anstellung findet oder ob die Abfindung explizit für einen langen Zeitraum gezahlt wird.
  3. Ermittlung der monatlichen Freigrenze nach § 850c ZPO: Die Pfändungsfreigrenzen berücksichtigen den Unterhaltspflichtigen und variieren je nach Anzahl der unterhaltsberechtigten Personen.
  4. Aufteilung der Abfindung auf den relevanten Zeitraum: Die Abfindung wird gleichmäßig auf die festgelegten Monate verteilt.
  5. Berechnung des pfändbaren Anteils: Der überschüssige Betrag, der über die Freigrenzen hinausgeht, ist pfändbar.

Ein praktisches Beispiel verdeutlicht diese Berechnung:

Beispiel:
Ein Arbeitnehmer erhält aufgrund einer Kündigung eine Abfindung in Höhe von 30.000 Euro. Die Abfindung soll den Verdienstausfall für die nächsten sechs Monate kompensieren. Die monatliche Pfändungsfreigrenze beträgt nach § 850c ZPO für diesen Arbeitnehmer, der keine Unterhaltspflichten hat, 1.500 Euro.

  • Aufteilung auf 6 Monate: 30.000 Euro ÷ 6 Monate = 5.000 Euro/Monat
  • Pfändbarer Betrag pro Monat: 5.000 Euro - 1.500 Euro = 3.500 Euro
  • Gesamter pfändbarer Betrag: 3.500 Euro × 6 Monate = 21.000 Euro

Somit können 21.000 Euro der Abfindung im Insolvenzverfahren zur Verteilung an die Gläubiger verwendet werden, während 9.000 Euro als pfändungsfreier Betrag verbleiben.


3. Antrag auf Freigabe des pfändungsfreien Anteils
Um den pfändungsfreien Anteil einer Abfindung zu schützen, ist es erforderlich, diesen Betrag beim Insolvenzgericht geltend zu machen. Der Schuldner oder sein Rechtsanwalt müssen einen entsprechenden Antrag stellen, in dem die Berechnung des pfändungsfreien Anteils detailliert dargelegt wird. Das Insolvenzgericht prüft daraufhin, ob die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind und erlässt einen Beschluss, welcher den pfändungsfreien Betrag festsetzt.

Wichtig ist es, hierbei möglichst frühzeitig tätig zu werden, da eine unberechtigte Einbehaltung durch den Insolvenzverwalter zu erheblichen finanziellen Engpässen führen kann.


Fazit: Rechtliche Beratung ist unerlässlich
Die Berechnung und Durchsetzung pfändungsfreier Anteile bei einer Abfindung im Insolvenzverfahren ist komplex und setzt eine genaue Kenntnis der gesetzlichen Regelungen voraus. Eine falsche Berechnung kann dazu führen, dass Ihnen erhebliche Beträge entzogen werden, die eigentlich geschützt werden könnten, denn in jedem Einzelfall können besondere Umstände und modifizierte Berechnungen ins Feld geführt werden.

Deshalb empfiehlt es sich, die Hilfe eines erfahrenen Fachanwalts für Insolvenzrecht in Anspruch zu nehmen. Gerne unterstütze ich Sie bei der Berechnung und Durchsetzung Ihrer Rechte im Insolvenzverfahren. Vereinbaren Sie noch heute einen Beratungstermin und lassen Sie sich kompetent und zuverlässig vertreten!



Dieser Artikel stellt keine konkrete und individuelle Rechtsberatung dar, sondern gibt lediglich einen groben Erstüberblick über die geschilderte rechtliche Materie. Insbesondere sind die Ausführungen exemplarisch und erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Rechtliche Sicherheit für Ihre konkrete Fallkonstellation können Sie nur durch abgestimmte Prüfung und Beratung eines fachkundigen Rechtsanwalts erhalten. Zumal sich die Rechtslage über die Zeit verändern kann.


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Foto(s): Dr. Holger Traub generiert über Midjourney


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