Achtung Auftraggeber – Beweislastumkehr droht bei Vernichtung des angeblich mangelhaften Werks!
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1. Zum Fall
Die Parteien streiten um Mängel an Bauteilen für Hotelzimmer in Nizza, die aus Deutschland geliefert und in Frankreich montiert werden. Es gilt deutsches Recht. Der Auftraggeber rügt angebliche Mängel; der Auftragnehmer verweigert die „Beseitigung", da er die Auffassung vertritt, die Beschaffenheit der Leistungen sei ordnungsgemäß. Daraufhin tritt der Auftraggeber vom Vertrag zurück. Der Auftragnehmer erhebt Zahlungsklage gerichtet auf Restvergütung, die der Auftraggeber um angebliche mangelbedingte Ersatzvornahmekosten gekürzt hatte. Die Mängel sind streitig und können im Prozess nicht mehr aufgeklärt werden, weil der Auftraggeber die vom Auftragnehmer gelieferten und montierten Bauteile allesamt zwischenzeitlich vernichtet hatte.
2. Zum Urteil
Das LG Wuppertal verurteilt den Auftraggeber zur Zahlung der vollen Restvergütung. Grundsätzlich sieht das Landgericht den Auftragnehmer in der Darlegungs- und Beweislast dahingehend, eine mangelfreie Leistung erbracht zu haben.
Aber durch die Vernichtung bzw. Beseitigung der angeblich mangelhaften Bauteile durch den Auftraggeber, sei es zu einer Beweislastumkehr gekommen, dass nunmehr der Auftraggeber die Mangelhaftigkeit beweisen müsse.
Dazu sei der Auftraggeber beweisfällig geblieben und müsse folglich verurteilt werden.
„Im Ergebnis geht die Unaufklärbarbeit zu Lasten der Beklagten. Sie hat zwar die Leistung der Klägerin von Beginn Auftragnehmer als nicht ordnungsgemäß zurückgewiesen, und grundsätzlich wäre die Klägerin für die Ordnungsgemäßheit ihrer Leistung beweispflichtig. Die Beklagte hat aber die Beweisführung dadurch vereitelt, dass sie die montierten Dekorationen nicht für eine eventuelle Aufklärung zur Verfügung gehalten hat. Es liegt eine mindestens grob fahrlässige Beweisvereitelung vor, die nach Überzeugung der Kammer zur Folge hat, dass die Beweislast sich umkehrt und, weil Aufklärung nicht möglich ist, die Beklagte als beweisfällig anzusehen ist."
( LG Wuppertal, Urteil vom 01.02.2011 14 O 23/08)
3.Anmerkung
Auch der Bundesgerichtshof hatte 2005 in einer Entscheidung - allerdings zu einem Mangel bei einem Gebrauchtfahrzeug- folgende Grundsätze zur fahrlässigen Beweisvereitelung und Beweislastumkehr entwickelt (Urteil vom 23.11.2005 -VIII ZR 43/05):
„ Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH liegt eine Beweisvereitelung vor, wenn eine Partei ihrem beweispflichtigen Gegner die Beweisführung schuldhaft erschwert oder unmöglich macht. Dies kann vorprozessual oder während des Prozesses durch gezielte oder fahrlässige Handlungen geschehen, mit denen bereits vorhandene Beweismittel vernichtet oder vorenthalten werden."
4. RA Faust empfiehlt
Gerade bei strittigen Baumängeln sollten Auftraggeber Beweise für Mängel - insbesondere vor der Durchführung einer Ersatzvornahme- sorgfältig und umfassend sichern, sei es z.B. durch Fotodokumentationen, Videos, Privatgutachten oder über ein selbständiges Beweisverfahren. Es gilt zu beachten, dass nicht jedem Mittel der Beweissicherung die gleiche Qualität im späteren Prozess zukommt. Das sicherste Mittel ist nach wie vor die Erlangung eines Beweisgutachtens im Rahmen eines gerichtlichen selbständigen Beweisverfahrens. Mangelbehaftete Materialien sollten zusätzlich auch verwahrt werden.
In einer Auseinandersetzung über Baumängel ist nicht nur die optimale juristische Vorgehensweise sorgfältig abzustimmen, sondern auch die Beweissicherung. Ein zu frühes Vernichten von Beweismitteln kann zum Verlust eines Gerichtsverfahrens führen.
Autor: Rechtsanwalt Roland Faust zugleich Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
Kanzlei BMF Rechtsanwälte/ Fachanwälte
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