Anhörungsbogen / polizeiliche Vorladung – reagieren oder ignorieren?

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Bekommt man einen Anhörungsbogen oder eine polizeiliche Vorladung, so stellt sich die Frage, wie man auf diese Post richtig reagieren sollte. Zunächst sollte das Schreiben aufmerksam durchgelesen werden. Es kann sich um einen Anhörungsbogen, eine polizeiliche Vorladung oder eine Vorladung der Staatsanwaltschaft handeln. Weiterhin sollte man genau schauen, ob man als Zeuge oder Beschuldigter in Betracht kommt. Nach der Strafprozessordnung hat ein Beschuldigter andere Rechte und Pflichten als ein Zeuge. Dieser Beitrag widmet sich den Rechten und Pflichten eines Beschuldigten bei einer polizeilichen Vorladung bzw. einem polizeilichen Anhörungsbogen.


1. Polizeiliche Vorladung


Muss man als Beschuldigter der polizeilichen Vorladung nachkommen?


Antwort ist: Nein!

Ergibt sich aus der polizeilichen Vorladung, dass man beschuldigt wird eine Straftat begangen zu haben, so steht die Beschuldigteneigenschaft seitens der Ermittlungsbehörden fest. Als Beschuldigter hat man das Recht zu schweigen. Dies gilt für die gesamte Dauer des Strafverfahrens. Demnach muss man als Beschuldigter einer Vorladung durch die Polizei nicht nachkommen. Man muss weder vorher Absagen noch den Grund des Nichterscheinens nennen.


Entscheidet man sich dennoch den Termin der Vorladung abzusagen, dann sollte dies am besten schriftlich und nicht telefonisch erfolgen. E-Mail Adresse sowie Fax sind in der Vorladung angegeben. Einen Grund muss man nicht angeben. Bei telefonischen Absagen besteht die Gefahr in einen Gespräch verwickelt zu werden und ungewollt Angaben zum Vorwurf zu machen.


Muss man als Beschuldigter der Vorladung der Staatsanwaltschaft nachkommen?


Antwort ist: Ja!

Wird die Vorladung durch die Staatsanwaltschaft oder Gericht angeordnet, so besteht die Pflicht der Vorladung nachzukommen. Kommt man der Vorladung nicht nach, so kann dies eine Verhängung von Ordnungsgeld oder sogar Ordnungshaft nach sich ziehen.


Aber auch hier gilt das Schweigerecht des Beschuldigten. Es besteht zwar die Pflicht zu erscheinen, jedoch keine Pflicht eine Aussage zum Vorwurf und zu den wirtschaftlichen Verhältnissen zu machen. Man ist nur verpflichtet seine Personalien anzugeben. Diese sind: Name (Geburtsname), Vorname, Geburtsort- und Datum, Familienstand, Beruf, Wohnort, aktuelle Anschrift und die Staatsangehörigkeit. Verweigert man diese Angaben oder macht man falsche Angaben, so kann dies nach § 111 OWiG als Ordnungswidrigkeit geahndet werden.


Bin unschuldig – ist es sinnvoll der polizeilichen Vorladung nachzukommen?


Antwort ist: Nein!

Auch wenn man sich für unschuldig hält und die Vorladung als ein Missverständnis ansieht, sollte man der Vorladung nicht Folge leisten, um bei der Polizei seine Unschuld durch eine Aussage zu beweisen. Die letztendliche Entscheidungsgewalt, ob die Anklage erhoben oder ein Strafbefehl erlassen wird, liegt allein bei der Staatsanwaltschaft. Der Polizei wird es in der Beschuldigtenvernehmung in erster Linie darum gehen, den Beschuldigten als Täter zu überführen. Oft ist die in der Vorladung vorgeworfene Tat unpräzise. Außerdem kann sich die Vernehmung auf eine andere Tat beziehen, die in der Vorladung nicht angegeben wurde. Vor diesem Hintergrund kann man sich während der Vernehmung um Kopf und Kragen reden. Nicht selten werden die Aussagen des Beschuldigten von den Polizeibeamten anders interpretiert und im Protokoll anders wiedergegeben. Zwar muss der Beschuldigte das Vernehmungsprotokoll lesen und selbst unterzeichnen, jedoch erkennt man in einer Stresssituation nicht, ob alles genau so wiedergegeben wurde, wie man das auch gesagt hat.


Ein Beschuldigter kann nie wirklich richtig einschätzen, was tatsächlich vorgeworfen wird und ob die erhobenen Vorwürfe gerechtfertigt sind. Daher sollte man am besten einen Rechtsanwalt kontaktieren. Der Rechtsanwalt kann durch die umfassende Akteneinsicht die tatsächliche Lage rechtlich einschätzen.


Kann das Nichterscheinen bzw. das Schweigen als Geständnis gewertet werden?


Antwort ist: Nein!

Das Schweigerecht darf zu keiner Zeit zum Nachteil des Beschuldigten angerechnet werden. Dieser Grundsatz gilt für Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht. Daher kann die Verweigerung einer Aussage nicht zum Nachteil des Beschuldigten ausgelegt werden.



2. Polizeilicher Anhörungsbogen 


Muss man als Beschuldigter den polizeilichen Anhörungsbogen ausfüllen?


Antwort ist: Nein!

Für den Anhörungsbogen gilt das gleiche wie für die polizeiliche Vorladung. Der Anhörungsbogen ist wie die polizeiliche Ladung dafür gedacht, dem Beschuldigten Gelegenheit zu geben, sich zu der vorgeworfenen Tat zu äußern, um Informationen für weitere Ermittlungen zu beschaffen. Auch hier gilt das Schweigerecht des Beschuldigten. Aber auch das bloße Ignorieren des Anhörungsbogens sollte vermieden werden. Denn dadurch wird das Strafverfahren nicht aus der Welt geschafft.


Man sollte lediglich die Personalien angeben. Angaben zu den wirtschaftlichen Verhältnisse und zum Vorwurf selbst, sind nicht verpflichtend. Angaben zu den Personalien sind: Name (Geburtsname), Vorname, Geburtsort- und Datum, Familienstand, Beruf, Wohnort, aktuelle Anschrift und die Staatsangehörigkeit. Verweigert man diese Angaben oder macht man falsche Angaben, so kann dies nach § 111 OWiG als Ordnungswidrigkeit geahndet werden.


Um die Personalien mitteilen zu können, muss nicht zwingend der Anhörungsbogen verwendet werden. Diese können auch als gesondertes Schreiben, als E-Mail, als Fax oder telefonisch erfolgen. Eine besondere Form oder eine Unterschrift sind nicht erforderlich. Bei telefonischen Mitteilungen besteht die Gefahr in einen Gespräch verwickelt zu werden und ungewollt Angaben zum Vorwurf zu machen.


Am besten sollte man einen Rechtsanwalt so früh wie möglich kontaktieren. Dieser wird die Personalien des Beschuldigten angeben, die Polizeibeamten über das Gebrauchmachen des Schweigerechts informieren und Akteneinsicht beantragen.


Neben der Polizei verschicken auch das Hauptzollamt und Bußgeldbehörden die Anhörungsbögen. Für diese gelten die gleichen Grundsätze wie bei einem Anhörungsbogen der Polizei.


Muss die im Anhörungsbogen gesetzte Frist zwingend eingehalten werden?


Antwort ist: Nein!

Die kurze Frist von 1-2 Wochen, sollte einen nicht unter Druck setzen. Das Verstreichen der gesetzten Frist löst keine rechtlichen Konsequenzen aus. Grundsätzlich wird das als Ausübung des Schweigerechts gesehen. Da man nicht verpflichtet ist Angaben zum Vorwurf zu machen, ist man folglich auch nicht verpflichtet den Anhörungsbogen innerhalb von der gesetzten Frist zurückzuschicken. Wie bereits oben ausgeführt, ist man lediglich verpflichtet Angaben zu den Personalien zu machen. Diese müssen nicht zwingend innerhalb der gesetzten Frist erfolgen. Um aber spätere mögliche ordnungswidrigkeitsrechtliche Konsequenzen zu vermeiden, sollte man nach Verstreichen der Frist die Angabe der Personalien gegenüber der Polizei nachholen.


Bin unschuldig – ist es sinnvoll den Sachverhalt aus eigener Sicht wiederzugeben?


Antwort ist: Nein!

Auch wenn man sich für unschuldig hält oder der Meinung ist, der Sachverhalt habe sich anders zugetragen, sollte man keine Angaben zum Vorwurf machen. Das Entlasten gelingt in der Regel nicht. Oft ist die in dem Anhörungsbogen vorgeworfene Tat unpräzise beschrieben. Die Angaben des Beschuldigten können falsch interpretiert und gegen ihn verwendet werden. Ein Beschuldigter kann nie wirklich richtig einschätzen, was tatsächlich vorgeworfen wird und ob die Vorwürfe gerechtfertigt sind. Zudem weiß er oft nicht, welche Beweismittel mit welchem Inhalt bereits existieren. Daher sollte man einen Rechtsanwalt so früh wie möglich kontaktieren. Der Rechtsanwalt kann durch die umfassende Akteneinsicht die tatsächliche Lage rechtlich einschätzen. Erst danach kann es sinnvoll sein, sich durch eigene Angaben zum Vorwurf zu entlasten.


Kann das Nichtausfüllen als Geständnis gewertet werden?


Antwort ist: Nein!

Das Schweigerecht darf zu keiner Zeit zum Nachteil des Beschuldigten angerechnet werden. Dieser Grundsatz gilt für Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht. Daher kann die Verweigerung einer Aussage nicht zum Nachteil des Beschuldigten ausgelegt werden.



3. Lohnt es sich einen Rechtsanwalt einzuschalten?


Antwort ist: Ja!

Durch das bloße Ignorieren der Vorladung oder des Anhörungsbogens wird das Strafverfahren nicht aus der Welt geschaffen. Eine polizeiliche Vorladung oder der Anhörungsbogen bedeuten, dass Ermittlungen bereits laufen. Der Beschuldigte darf nach § 137 StPO in jeder Lage des Strafverfahrens einen Strafverteidiger hinzuziehen. Je früher ein Verteidiger eingeschaltet wird, desto besser stehen die Chancen im Verfahren. Der Verteidiger hat nach § 147 StPO das umfassende Recht zur Akteneinsicht. Dieses Recht sorgt dafür, dass gegenüber den Ermittlungsbehörden eine „Waffengleichheit“ herrscht.


Der Verteidiger wird in der Regel zunächst die Polizei kontaktieren und dieser mitteilen, dass der Beschuldigte von seinem Schweigerecht Gebrauch macht. Außerdem wird er Akteneinsicht beantragen. Erst durch die umfassende Aktenkenntnis kann der Vorwurf und die Beweislage durch die Expertise des Verteidigers präzise ermittelt und eine richtige Verteidigungsstrategie herausgearbeitet werden. Durch seine Fachkenntnisse, kann er richtig beurteilen, ob der Vorwurf nachgewiesen werden kann oder die vorliegenden Beweise unverwertbar sind. Zudem kann er beurteilen, ob die Tatbestandsmerkmale der vorgeworfenen Tat tatsächlich vorliegen. Er kann beispielsweise sagen, ob eine einfache oder gefährliche Körperverletzung vorliegt, ob der Beschuldigte in Notwehr gehandelt hat oder tatsächlich eine Fahrerflucht vorliegt etc.


Wird der Verteidiger frühestmöglich eingeschaltet, so wird er sich darum bemühen, dass das Strafverfahren im frühen Stadium (Ermittlungsverfahren) durch die Staatsanwaltschaft eingestellt wird. Dabei sind die Chancen oft gut.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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