Anwältin für Familienrecht: Das Kindeswohl – Ein Leitprinzip im Familienrecht

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Was versteht man unter dem Begriff “Kindeswohl”?

Das Kindeswohl ist ein zentrales Prinzip im deutschen Familienrecht und dient als Leitlinie für sämtliche Entscheidungen, die Kinder betreffen. Es beschreibt die Gesamtheit der Umstände, die für die Entwicklung eines Kindes förderlich sind, und umfasst sowohl das körperliche und geistige Wohl als auch die soziale und emotionale Stabilität. Der Schutz und die Förderung des Kindes stehen dabei immer im Mittelpunkt. Entscheidungen im Familienrecht werden nicht allein nach den Wünschen der Eltern, sondern vorrangig danach getroffen, was dem Wohl des Kindes am besten dient.


Relevanz im Familienrecht

Das Kindeswohl ist in vielen familienrechtlichen Verfahren von zentraler Bedeutung, insbesondere bei:

    •    Sorgerechtsentscheidungen: Wer das Aufenthaltsbestimmungsrecht oder die elterliche Sorge erhält, wird stets mit Blick auf das Kindeswohl entschieden.

    •    Umgangsrecht: Die Frage, wie oft und unter welchen Bedingungen ein Elternteil das Kind sehen darf, orientiert sich daran, was dem Kind guttut.

    •    Entscheidungen zum Lebensmittelpunkt: Bei Trennung oder Scheidung wird geprüft, welches Umfeld für das Kind die besten Voraussetzungen bietet.

    •    Kindschaftsverfahren: In Verfahren, die die Herausnahme eines Kindes aus der Familie betreffen, ist das Kindeswohl der wichtigste Prüfstein.


Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) legt fest, dass alle Entscheidungen von Gerichten oder Behörden so zu treffen sind, dass sie dem Wohl des Kindes dienen (§ 1697a BGB). Damit ist das Kindeswohl ein maßgebliches Kriterium und nicht verhandelbar.


Wie wird das Kindeswohl bewertet?

Das Kindeswohl ist ein komplexer und individuell zu beurteilender Begriff. Es gibt keine allgemeingültige Definition, sondern vielmehr Leitlinien, die Gerichte und Jugendämter berücksichtigen müssen. Zu den wichtigsten Aspekten zählen:

    •    Bindungen des Kindes: Welche Beziehungen sind für das Kind wichtig? Dazu zählen nicht nur die Eltern, sondern auch Geschwister, Großeltern oder andere enge Bezugspersonen.

    •    Förderung und Entwicklung: Es wird geprüft, welches Umfeld die besten Chancen auf eine gesunde Entwicklung bietet – sei es emotional, sozial oder schulisch.

    •    Willen des Kindes: Je älter und reifer ein Kind ist, desto mehr Gewicht hat sein Wunsch. Kinder haben das Recht, angehört zu werden (§ 159 FamFG).

    •    Schutz vor Gefährdungen: Das Kindeswohl ist gefährdet, wenn das Kind Gewalt, Vernachlässigung oder psychischem Druck ausgesetzt ist. In solchen Fällen sind Maßnahmen zum Schutz des Kindes erforderlich.


Elternkonflikte und ihre Auswirkungen auf das Kindeswohl

Häufig werden Konflikte zwischen Eltern zu einer Belastungsprobe für das Kindeswohl. Intensive Streitigkeiten, insbesondere bei Trennung und Scheidung, können Kinder emotional stark belasten. In solchen Fällen ist es wichtig, Konflikte möglichst einvernehmlich zu lösen, um das Kind zu entlasten. Hierbei können außergerichtliche Verfahren wie Mediation oder die Unterstützung eines Verfahrensbeistands hilfreich sein. Der Verfahrensbeistand vertritt die Interessen des Kindes und sorgt dafür, dass dessen Perspektive im Verfahren berücksichtigt wird.


Kindeswohlgefährdung: Wann handelt das Jugendamt?

Eine Kindeswohlgefährdung liegt vor, wenn die physische, psychische oder soziale Entwicklung eines Kindes erheblich bedroht ist. Typische Gefährdungsfaktoren sind:

    •    Gewalt oder Vernachlässigung

    •    Alkohol- oder Drogenprobleme der Eltern

    •    Extreme Konflikte im familiären Umfeld

In solchen Fällen hat das Jugendamt die Aufgabe, einzuschreiten und geeignete Maßnahmen zu ergreifen – von der Beratung der Eltern bis hin zur Herausnahme des Kindes aus der Familie (§ 1666 BGB).


Fazit: Kindeswohl als oberstes Prinzip

Das Kindeswohl ist nicht nur ein juristisches Konzept, sondern ein moralisches Leitbild, das alle Beteiligten verpflichtet, verantwortungsvoll zu handeln. Eltern, Rechtsanwälte und Gerichte tragen die Verantwortung, stets das Beste für das Kind zu erreichen. Eine frühzeitige juristische Beratung durch eine erfahrene Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt für Familienrecht kann dabei helfen, Konflikte zu minimieren und im Interesse des Kindes tragfähige Lösungen zu finden.

Foto(s): @linusklose

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