Anwaltliche Zwangsvollstreckung in der Türkei

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Internationale Wirtschaftsbeziehungen vermehren sich und Schuldenverhältnisse werden täglich komplexer. In diesem Kontext ergeben sich einige Fragen: Wie kann ein Gläubiger seine Forderung in der Türkei geltend machen und durchsetzen? Wenn der Gläubiger und der Schuldner im selben Land leben und der Schuldner Vermögen in einem anderen Land hat, was kann der Gläubiger tun, um seine Forderung geltend zu machen? Unabhängig davon, ob der Gläubiger eine natürliche oder juristische Person ist und sein eigenes Rechtssystem gut kennt, gibt es erhebliche Unterschiede zwischen den nationalen Rechtssystemen im Hinblick auf das Zwangsvollstreckungsverfahren.

Als türkische Rechtsanwältin unterstütze ich seit 15 Jahren meine Mandanten dabei, ihre Forderungen auf effizienteste Weise geltend zu machen. Derzeit vertiefe ich die Zusammenarbeit mit Deutschland und erziele erfolgreiche Ergebnisse im Zwangsvollstreckungsverfahren, in dem ich türkische und deutsche Mandanten vertrete.

Wenn Ihr Schuldner seinen Wohnsitz in der Türkei hat, besteht meine Aufgabe als Rechtsanwältin im Zwangsvollstreckungsverfahren darin, seine gesamten Vermögenswerte in der Türkei zu ermitteln und Ihnen mitzuteilen. Aufgrund der täglich wachsenden Arbeitsbelastung der Behörden ist es schwierig, Ansprüche persönlich (ohne Anwalt) zu verfolgen und durchzusetzen. Auch Vollzugsbeamte bieten den Gläubigern meist keine große Hilfe und erklären ihnen den Prozess nicht, wenn sie ihre Ansprüche selbst geltend machen möchten.

Wenn ein Gläubiger in Deutschland ein vollstreckbares Urteil erhalten möchte, kann ein in Deutschland durchgeführtes Verfahren in der Türkei nicht anerkannt werden und es würde viel Zeit verschwendet werden. Es müsste zuerst ein Anerkennungsverfahren eingeleitet werden, um das Urteil in der Türkei vollstrecken zu können, aber das dauert mindestens acht Monate. In der Zwischenzeit besteht jedoch das Risiko, dass der Schuldner seine Vermögenswerte verliert oder an Dritte überträgt. Daher ist es ratsam, vorläufige Maßnahmen zu ergreifen.

Erster Schritt: Zahlungsbefehl

Der Gläubiger fordert den Schuldner durch einen Zahlungsbefehl auf, die Schuld zu zahlen oder Einspruch einzulegen. Andernfalls wird das Verfahren fortgesetzt und seine Vermögenswerte werden gepfändet. Dieser Zahlungsbefehl ist der erste Schritt im Zwangsvollstreckungsverfahren.

Um seine Forderungen schnell durchzusetzen, empfehle ich dem Gläubiger, sich vor dem Verfahren von einem Anwalt beraten zu lassen, ob er in Deutschland oder in der Türkei mit der Vollstreckung beginnen sollte. Auf diese Weise kann er Zeit und unnötige Kosten sparen.

Der Zwangsvollstreckungsprozess in der Türkei ähnelt teilweise dem in Deutschland. Der Zahlungsbefehl wird vom Vollstreckungsamt an den Schuldner gesendet. Nach Zustellung hat der Schuldner sieben Tage Zeit, Widerspruch einzulegen. Legt der Schuldner keinen Widerspruch ein, ist der Befehl vollstreckbar und es kann in die Vermögenswerte des Schuldners vollstreckt werden. Wenn er Widerspruch einlegt, wird das Verfahren unterbrochen und der Gläubiger muss eine Klage einreichen, um den Widerspruch anzufechten. Wenn der Schuldner einen offensichtlich unbegründeten Widerspruch einlegt, endet das Klageverfahren automatisch und er muss neben der Schuld zusätzlich Schadenersatz in Höhe von mindestens 20% der Schuld leisten.

Zweiter Schritt: Zustellung

Der Gläubiger kann in die Vermögenswerte des Schuldners vollstrecken, jedoch nur nach Zustellung des Zahlungsbefehls an diesen. Wenn der Schuldner in der Türkei ist, wird der Zahlungsbefehl innerhalb von drei Tagen per Post von Amts wegen an den Schuldner versandt. Wenn es mehrere Schuldner gibt, erhält jeder Schuldner einen eigenen Zahlungsbefehl.

Die internationale Zustellung erfolgt nach dem Zustellungsgesetz (Nr.7201). Die erste Methode ist die diplomatische Zustellung. Hierbei wird die Zustellung zuerst an das türkische Justizministerium und dann an das deutsche Justizministerium gesendet. Das deutsche Justizministerium stellt den Zahlungsbefehl dann gemäß dem deutschen Zustellungsrecht dem Schuldner zu. Im Rahmen der internationalen Regeln muss auch der Zahlungsbefehl übersetzt werden.

Im türkischen Zustellungsgesetz gibt es eine weitere Zustellungsmethode für Türken, die im Ausland leben. Mit dieser Methode kann der Zahlungsbefehl durch das Vollstreckungsamt direkt an das türkische Konsulat geschickt werden. Diese Methode basiert auf dem Haager Zustellungsübereinkommen und bilateralen Verträgen. Es ist wichtig zu betonen, dass diese Zustellungsmethode nur für türkische Staatsangehörige, die im Ausland leben, gilt. Ist der Schuldner kein türkischer Staatsbürger, muss die diplomatische Methode angewendet werden.

Wenn der Schuldner türkischer Staatsangehöriger ist und im Ausland lebt, kann der Zahlungsbefehl durch das Konsulat zugestellt werden. Eine wichtige Frage, die sich hier stellt, ist: Was passiert, wenn der Schuldner nicht zum Konsulat geht, um die Zustellung entgegenzunehmen? Diese Zustellung enthält einige Informationen, u. a. den Zahlungsbefehl, die zuständige Behörde, das den Zahlungsbefehl vorbereitete, und was passiert, wenn der Schuldner sich innerhalb von 30 Tagen nach Erhalt der Zustellung nicht meldet. Wenn er sich innerhalb von 30 Tagen nicht meldet, gilt die Zustellung als erfolgt. Das türkische Konsulat stellt gemäß deutschem Zustellungsrecht dem Schuldner zu (per Einschreiben) und erhält eine Quittung, dass der Schuldner die Zustellung in Empfang genommen hat. Auf diese Weise gilt der Zahlungsbefehl als dem Schuldner zugestellt. Eine weitere wichtige Frage ist: Was passiert, wenn der Schuldner zum Konsulat geht, aber die Zustellung nicht akzeptiert? In diesem Fall muss von den Mitarbeitern ein Protokoll über die Situation erstellt werden. Der Zahlungsbefehl gilt am Tag der Erstellung des Protokolls als zugestellt.

Dritter Schritt: Einstweilige Verfügung der Zwangsvollstreckung

Unter der einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung nach türkischem Recht werden die Vermögenswerte des Schuldners mit einer vorläufigen Gerichtsentscheidung provisorisch gepfändet, um die Forderung unter Garantie zu setzen. Falls der Gläubiger nicht sicher ist, dass der Schuldner seine Schuld pünktlich zahlt, kann er erst diesen Prozess und dann den Vollstreckungsprozess führen oder Forderungsklage einreichen. Auf diese Weise kann verhindert werden, dass der Schuldner seine Vermögenswerte an Dritte verkauft oder überträgt. Wenn der Vollstreckungsprozess rechtskräftig und vollstreckbar ist, werden die vorher vollstreckten Vermögenswerte durch das Vollstreckungsamt veräußert.

Die vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung und die vorläufige Verfügung sind zwei verschiedene Maßnahmen. Eine vorläufige Verfügung kann erlassen werden, wenn der Gegenstand der Klage nicht Geld, sondern eine bewegliche oder unbewegliche Sache ist.

Um einen Beschluss über die vorläufige Einstellung zu erhalten, muss zuerst ein Antrag beim Gericht gestellt werden. Es ist keine Zustellung an den Schuldner erforderlich. Der Gläubiger sollte jedoch überzeugende Beweise vorlegen und 15% des Streitwertes als Sicherheitsleistung beim Gericht hinterlegen. Gegen den Beschluss über die vorläufige Einstellung kann kein Rechtsmittel eingelegt werden.

Nach Erhalt eines Beschlusses über die vorläufige Einstellung muss dieser innerhalb von 10 Tagen vom Vollstreckungsamt bearbeitet werden. Nach Ablauf dieser Frist wird der Beschluss ungültig.

Ein Schuldschein, der in Deutschland von einem Notar oder einer Behörde ausgestellt wurde, muss, um in der Türkei eine vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung zu erreichen, den Schuldbetrag und das Zahlungsdatum enthalten; außerdem darf die Schuld nicht mit einer Bedingung verknüpft sein. Mit Unterlagen, die keine Schuldanerkenntnis enthalten (z. B. ein Vertrag), können in der Türkei keine Beschlüsse über eine vorläufige Einstellung erreicht werden. Man kann aber Forderungsklage einreichen und am Anfang des Prozesses eine Entscheidung über die einstweilige Verfügung beantragen.

Kosten der Zwangsvollstreckung

Die Gebühren für das Zwangsvollstreckungsverfahren werden jährlich vom Finanzministerium festgelegt und im Amtsblatt veröffentlicht. Die Gebühren für 2023 sind wie folgt: Die Anmeldegebühr beträgt 60,75 TL. Wenn der Betrag der Forderung bekannt ist, hängt die Gebühr von der Phase des Verfahrens ab. Wenn die Forderung zwischen Zustellung und Vollstreckung beglichen wird, beträgt die Gebühr 4,65 % der Summe, zwischen Vollstreckung und Verkauf 9,30 % und nach dem Verkauf 11,63 % der Summe. Außerdem ist eine pauschale Gebühr von 142,65 TL zu entrichten.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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