Aufklärungspflichten beim Kauf gebrauchter Immobilien

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In den nächsten Jahren werden viele gebrauchte Immobilien ihren Eigentümer wechseln. Viele Verkäufer setzen sich kleiner oder genießen ihren Ruhestand im Ausland. Da der Neubau von Wohnungen gegenwärtig sehr schleppend vorangeht, werden viele Immobilieninteressenten darauf angewiesen sein, eine gebrauchte Immobilie zu erwerben. Die Käufer planen, die Immobilie nach ihren Wünschen herzurichten, zu renovieren oder aufwendig umzubauen. Voraussetzung dafür ist, dass die gebrauchte Immobilie in ihrer Substanz eine ausreichende Grundlage bildet, diese Veränderungen auch tatsächlich innerhalb der vorgesehenen Zeit und zum dem vorgesehenen Budget umsetzen zu können.


Gebrauchte Immobilien werden meist unter Verzicht auf jegliche Gewährleistungsrechte verkauft. So stellt sich für den Käufer die Frage, ob nicht möglicherweise über die gewöhnliche Abnutzung der Immobilie hinaus seit ihrer Erstellung Mängel oder massive Beschädigungen an der Immobilie aufgetreten sind, auf die der Verkäufer hinweisen muss. Bereits in einem älteren Beitrag hatten wir uns zu dieser Problematik im November 2023 geäußert (https://jasper-law.com/blog/schadensersatzpflicht-des-immobilienverkaeufers-bei-unzureichender-aufklaerung-des-kaeufers).


In der Praxis sind redliche Verkäufer verunsichert, welche Informationen sie dem Käufer geben müssen und auf welche Informationen nicht ausdrücklich hingewiesen werden muss. Leider zeigt sich, dass selbst ein dezenter, wohlgemeinter Hinweis auf „Mängel“ der Immobilie (nach dem Motto „Ehrlich währt am längsten“), die Immobilie so gut wie nicht vermarktbar macht. Interessenten vermuten, dass hinter dem dezenten Hinweis doch ein massives Problem stehen könnte. Wann aber muss der Verkäufer auf Sachverhalte hinweisen? In welchen Fällen darf der Käufer erwarten, dass der Verkäufer Einzelheiten und Umstände der Immobilie aufdeckt?


Grundsätzlich gilt: Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs besteht bei Ver- tragsverhandlungen zwar keine allgemeine Rechtspflicht, den anderen Teil über alle Einzelheiten und Umstände aufzuklären, die dessen Willensentschließung beeinflussen könnten. Vielmehr ist grundsätzlich jeder Verhandlungspartner für sein rechtsgeschäftliches Handeln selbst verantwortlich und muss sich deshalb die für die eigene Willensentscheidung notwendigen Informationen auf eigene Kosten und eigenes Risiko selbst beschaffen. Allerdings besteht auch bei Vertragsverhandlungen, in denen die Parteien entgegengesetzte Interessen verfolgen, für jeden Vertragspartner die Pflicht, den anderen Teil über Umstände aufzuklären, die den Vertragszweck des anderen vereiteln können und daher für seinen Entschluss von wesentlicher Bedeutung sind, sofern er die Mitteilung nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung redlicherweise erwarten darf (vgl. BGH Senat, Urteil vom 2. Februar 1996 - V ZR 239/94, BGHZ 132, 30, 34; Urteil vom 15. Juli 2011 - V ZR 171/10, BGHZ 190, 272 Rn. 7; Urteil vom 1. Februar 2013 - V ZR 72/11, NJW 2013, 1807 Rn. 8; BGH, Urteil vom 11. August 2010 - XII ZR 192/08, NJW 2010, 3362 Rn. 21; Urteil vom 14. September 2017 - VII ZR 307/16, NJW 2017, 3586 Rn. 14 jeweils mwN).


Eine Hinweispflicht besteht beispielsweise bei:


  • Erheblichen Feuchtigkeitsschäden (Kammergericht Berlin MDR 2006, 200),
  • Feuchtigkeit in den Kellerwänden (OLG Koblenz, VersR 2004, 1057),
  • Ölkontamination (BGH NJW 2002, 1867),
  • Bestehen von Altlasten (BGH NJW 2001, 64),
  • Bestehen einer Einsturzgefahr (BGH NJW 1990, 975),
  • Fehlen einer Bauerlaubnis (BGH NJW 2003, 2381),
  • Fehlen der Genehmigung, die Räume als Wohnung zu nutzen (BGH BeckRS 20, 14890 Tz 7),
  • Fehlende Zustimmung des Nachbarn zur Bebauung (OLG Koblenz NJW-RR 2003, 119).


Eine Hinweispflicht besteht nicht bei:

  • Rissen im Estrich (OLG München BB 97 961),
  • Vorbenutzung der Immobilie als chemische Reinigung (OLG Celle NJW-RR 1997, 848).


An dieser Stelle noch eine Empfehlung: Der Vorwurf des Käufers, der Verkäufer habe Sachverhalte arglistig verschwiegen, wiegt schwer. Der Käufer muss vor Gericht darlegen und beweisen, dass der Verkäufer insoweit arglistig gehandelt hat. Das wiederum stellt den Käufer vor große Probleme. Er muss das Gericht davon überzeugen, dass der Verkäufer von diesem Sachverhalt wusste und die Tatsachen arglistig dem Käufer nicht offenbart hat. Doch wie soll der Käufer das anstellen? Aus dem Schriftverkehr wird sich das selten ergeben. Zeugen sind keine zu finden, oder sie können sich nicht ausreichend erinnern. In der Praxis gelingt der Beweis oft nicht, so dass der Käufer neben seinem Schaden an der Immobilie auch noch Rechtsanwalts- und Gerichtskosten zahlen muss.


Dass bei dem Verkaufsanbahnungsprozess oft ein Makler involviert ist, macht die Sache nicht einfacher. Viele Immobilien werden, insbesondere von Kapitalanlegern, allein über Makler verkauft, so dass Käufer und Verkäufer sich selten Angesicht zu Angesicht gegenübergestanden oder gar die Verhandlungen über den Verkauf der Immobilie selbst geführt haben. Welche rechtlichen Probleme hier entstehen können, betrachten wir in einem weiteren Beitrag, der in den nächsten Wochen erscheinen wird.



Düsseldorf, 26. Juni 2024

Dr. Dieter Jasper

Rechtsanwalt

Foto(s): Dr. Dieter Jasper


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