Augen auf bei der Gerichtsstands-Wahl!

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Sage mir, vor welchem Gericht Du klagst und ich sage Dir, wie hoch Deine Erfolgschancen sind.

Ganz so einfach ist es freilich nicht, da jeder Fall anders ist und es von hundert Imponderabilien abhängt, ob man, jenseits der reinen Beweissituation, ein Verfahren erfolgreich zu Ende führt oder nicht - das ist reine Binse.

Aber dass es, im Gegensatz zur gerade in der Laienwelt weit verbreiteten Meinung, durchaus nicht egal ist, an welchem Ort man einen anderen verklagt, das lehrt die Erfahrung.

Dabei geht es gar nicht um politisch-weltanschauliche Vorlieben, die der eine oder andere Richter schon manchmal in seiner Rechtsfindung zart aufblitzen lässt.

Nein, es geht um ganz schnöde "Nähe zur Sache" oder, um es noch deutlicher zu machen: Ob ein Gericht oder die Richter mit einer Materie aufgrund ihrer eigenen Lebenswirklichkeit vertraut sind oder ob sie ihnen gänzlich fremd ist.

Wenn etwa im Reitsport-affinen Münsterland ein Pferdehalter einen -züchter verklagt, weil ein von ihm gekauftes Tier bestimmte Merkmale nicht hat oder spezifische Krankheits-Parameter aufweist, kann man davon ausgehen, dass ein gewisser Teil der Richterschaft zumindest schon einmal beruflich etwas mit den Tieren zu tun hatte.

Auch wenn an Nord- oder Ostsee ein Bootsunfall passiert oder eine Regatta "aus dem Ruder läuft", kann man davon ausgehen, dass in den Gerichten im küstennahen Bereich der eine oder andere Richter sitzt, der zumindest ein rudimentäres Verständnis von den Vorfahrtsregeln auf dem Wasser hat.

Gleiches gilt im alpinen Bereich: Das Gros der Richter an den (wenigen) Alpen-nahen Gerichten dürfte schon einmal auf Skiern oder einem Snowboard gestanden sein und entsprechende Kenntnis davon haben, wie dieser Sport "funktioniert", also welche Bewegungsabläufe typisch sind und welche Gefahrensituationen regelmäßig entstehen.

Umgekehrt habe ich in den vergangenen 14 Jahren bei etlichen Verfahren an "Alpen-fernen" Gerichten einige Male Richter erlebt, denen ein "Schwung" eines Ski- oder Snowboardfahrers (für Laien: Eine Kurve im Schnee) kein Begriff war und die deswegen auch wenig Neigung zeigten, andere Wintersport-typische Besonderheiten nachzuvollziehen.

Nun ist es beim Wintersport aber üblich, zur Beurteilung von Haftungsfragen die FIS-Regeln heranzuziehen, die weltweit beachtet werden (näher hierzu: https://www.stiftung.ski/verhaltensregeln/piste/). Auch ein Richter, dem Skifahren nicht nur völlig egal ist, sondern der diesen Sport aus allen möglichen Gründen ablehnt, ja: verachtet, muss sich bei der Einarbeitung in den Sach- und Streitstand, also der Vorbereitung des Termins, soweit in diesem auskennen, dass er damit zusammenhängende Rechtsfragen beurteilen kann.

Noch einmal anders ist es bei Verfahren in Österreich oder Südtirol, wo die Gruppe der Nicht-Skifahrer schneller aufgezählt ist als diejenige, die quasi auf irgendeiner Piste groß geworden ist. Das gilt im Übrigen für Rechts- und Staatsanwälte oder für Sachverständige genauso.

Es ist also nicht nur ein Vorteil, wenn ein Rechtsanwalt sich "damit auskennt" worum es sich bei den meisten Wintersport-Unfällen dreht, sondern auch, wenn der Gerichtsstand gewählt wird, an dem eine Fachkenntnis-reiche Behandlung des Streitstoffes allerhöchstwahrscheinlich ist.

Und da die meisten Skiunfälle nun einmal in Österreich passieren - schon aufgrund der dort vorhandenen Pistenkilometer - sollte man die Möglichkeit des "Gerichtsstands des Schadensorts" im Hinterkopf haben, sodass ein Verfahren nicht nur am Wohnort des Beklagten stattfinden kann, sondern auch in Tirol, Salzburg oder Vorarlberg. 


Andreas Pflieger

Rechtsanwalt in München    

   

       


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