Bauträgerinsolvenz: Die wichtigsten Fragen und Antworten (speziell zur PROJECT Immobilien Gruppe)

  • 7 Minuten Lesezeit

Im Rahmen der laufenden Insolvenzverfahren über die Gesellschaften der „PROJECT Immobilien“-Gruppe aus Nürnberg hat die vorläufig eingesetzte Insolvenzverwaltung eine erste Einschätzung vorgenommen. Aktuell werden innerhalb der „PROJECT Immobilien“-Gruppe 118 Projekte mit insgesamt über 1.850 Wohneinheiten betreut. Ein vorrangiges Ziel der Insolvenzverwaltung liegt darin, den zukünftigen Eigentümern der Wohnungen verlässliche Informationen zur Verfügung zu stellen, um bestehende Unsicherheiten auszuräumen. Wir vertreten bereits zahlreiche betroffene Kunden und möchten mit diesem Rechtstipp die derzeit wichtigsten Fragen beantworten.

Welche Gesellschaften aus der PROJECT Immobilien Gruppe haben Insolvenz angemeldet?

Nach unserer Kenntnis sind für folgende Gesellschaften der PROJECT Immobilien Gruppe, die das Bauträgergeschäft betreffen, ein Insolvenzverfahren beantragt und die vorläufige Insolvenzverwaltung vom Insolvenzgericht angeordnet worden:

  1. PROJECT Immobilien Management GmbH (10.08.23, Nürnberg, HRB 30668, Insolvenzgericht Az. IN 977/23)
  2. PROJECT Immobilien Wohnen und Gewerbe GmbH (10.08.23, Nürnberg, HRB 39582, Insolvenzgericht Az. IN 978/23)
  3. PROJECT Immobilien Projektentwicklungs GmbH (11.08.23, Nürnberg, HRB 39279, Insolvenzgericht Az. IN 999/23)
  4. PROJECT Real Estate AG (17.08.23, Nürnberg, HRB 23285, Insolvenzgericht Az. IN 1066/23)

Sind auch die Objektgesellschaften von der Insolvenz betroffen?

In vielen Fällen sind die direkten Vertragspartner der Kunden und Eigentümer der Baugrundstücke einzelne Objektgesellschaften der PROJECT Immobilien Unternehmensgruppe. Diese haben derzeit keine Insolvenz angemeldet und sind daher auch nicht Beteiligte eines Insolvenzverfahrens. Das heißt, dass in vielen Fällen nicht Ihr unmittelbarer Vertragspartner von der Insolvenz betroffen ist. Schauen Sie daher genau in Ihrem Bauträgervertrag oder Kaufvertrag nach, wie Ihr Vertragspartner konkret heißt. Ob über das Vermögen Ihres konkreten Vertragspartners das (vorläufige) Insolvenzverfahren eröffnet wurde, können Sie jederzeit auf der Webseite Insolvenzbekanntmachungen.de nachschauen.

Haben die Insolvenzverfahren Auswirkungen auf die Baustellen der Bauprojekte?

Wir wissen, dass die insolvente PROJECT Immobilien Management GmbH regelmäßig die Rolle der Generalunternehmerin bei den Bauprojekten der einzelnen Objektgesellschaften übernommen hat. Deshalb ruhen wohl in den meisten Fällen die Bautätigkeiten auf den Baustellen.

Was bedeutet das vorläufige Insolvenzverfahren?

Ein vorläufiges Insolvenzverfahren - wie derzeit bei der PROJECT Immobilien Gruppe - ist der erste Schritt im Insolvenzprozess eines Unternehmens. Es wurde eingeleitet, weil es Anzeichen dafür gibt, dass die betroffenen Gesellschaften zahlungsunfähig oder überschuldet sind. Das vorläufige Insolvenzverfahren hat den Zweck, die finanzielle Lage des Unternehmens genauer zu prüfen und gleichzeitig die Vermögenswerte des Unternehmens zu sichern. Dazu wurden vorläufige Insolvenzverwalter eingesetzt. Diese Insolvenzverwalter haben begrenzte Befugnisse und sollen sicherstellen, dass das Unternehmen nicht weiter in finanzielle Schieflage gerät und dass die Vermögenswerte nicht ohne Kontrolle verschoben oder verkauft werden.

Während dieser Phase haben das Unternehmen selbst und auch die Gläubiger des betroffenen Unternehmens die Möglichkeit, beim Insolvenzgericht Vorschläge für das weitere Vorgehen zu machen. Das Gericht kann dann entscheiden, ob das Hauptinsolvenzverfahren eröffnet wird. Insgesamt dient das vorläufige Insolvenzverfahren dazu, Zeit für eine gründliche Prüfung der finanziellen Situation des Unternehmens zu gewinnen und gleichzeitig die Interessen der Gläubiger zu schützen, während Maßnahmen zur Stabilisierung oder Sanierung des Unternehmens vorbereitet werden.

Kann ich mich vom Bauträgervertrag wegen der Insolvenz des Bauträgers lösen?

Viele Betroffene überlegen, ob sie aus dem Bauprojekt aussteigen können, da absehbar ist, dass sich die Fertigstellung der Immobilien erheblich verzögern wird. Deshalb fragen viele, ob sie den Bauträgervertrag wegen der Insolvenz des Bauträgers vorzeitig beenden können, zum Beispiel durch Kündigung oder Rücktritt. Die Rechtslage ist insoweit aber klar im Bauvertragsrecht geregelt: Eine klassische Kündigung des Bauträgervertrags ist ausgeschlossen. Ein Rücktritt vom Bauträgervertrag ist nach dem Gesetz nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Ein Rücktritt ist in den meisten Fällen aber schon deshalb nicht ratsam, weil dies dazu führen würde, dass Sie als Kunde Ihren Schutz durch die im Grundbuch eingetragene Erwerbsvormerkung verlieren. Gleichzeitig können Sie aber Ihren Rückabwicklungsanspruch nicht durchsetzen, weil der Bauträger nicht zahlungsfähig ist. Wirtschaftlich ist ein Rücktritt also nur dann eine Option, wenn beispielsweise eine Bürgschaft nach der Makler- und Bauträgerverordnung vom Bauträger gestellt wurde. Ohne vorherige anwaltliche Beratung und fachliche Prüfung sollten Sie daher keinen Rücktritt vom Bauträgervertrag auf eigene Faust voreilig erklären.

Wird der Bau im vorläufigen Insolvenzverfahren fortgesetzt?

Die Mehrheit der Käufer wird wahrscheinlich bestrebt sein, trotz der Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens in Zusammenarbeit mit dem Bauträger und dem vorläufigen Insolvenzverwalter den Fortschritt des Bauprojekts zu fördern. Alternativ, falls dies nicht realisierbar ist, werden die Käufer zumindest darauf bedacht sein, so viele Informationen wie möglich zu sammeln. Dies ermöglicht es, nach der offiziellen Eröffnung des Insolvenzverfahrens rasche Lösungen anzustreben.

Mein Projekt ist schon fast fertiggestellt - habe ich eine Chance, dass der vorläufige Insolvenzverwalter zügig zu Ende baut?

Obwohl es normalerweise nicht zu erwarten ist, dass ein vorläufiger Insolvenzverwalter unmittelbar nach seiner Ernennung rasche Entscheidungen zur Fortsetzung eines Bauprojekts trifft, gibt es Situationen, in denen dies dennoch gelingt; insbesondere dann, wenn die dahinterstehende Bauträgerbank ein starkes Interesse an der schnellen Fortführung des Projekts hat und Potenzial für wirtschaftlich vertretbare Lösungen sieht. Dies tritt besonders auf, wenn das Projekt bereits weit fortgeschritten ist. In diesen Situationen werden zwischen den Beteiligten (dem Bauträger, dem vorläufigen Insolvenzverwalter und dem jeweiligen Käufer) schnell Absprachen getroffen, um den erreichten Baufortschritt zu klären und die verbleibende Zahlung des Kaufpreises durch die Käufer zu regeln, vorausgesetzt, dass das Projekt ordnungsgemäß fertiggestellt wird. Im Gegenzug wird die Hauptpriorität darauf liegen, dass der Bauträger sich verpflichtet, die Eigentumsübertragung durchzuführen und bestehende Belastungen durch die Bauträgerbank zu befreien.

In der Praxis kommt es oft vor, dass in solchen Situationen Anpassungen an den bestehenden Bauträgerverträgen vorgenommen werden. Hierzu zählen Vereinbarungen zur Restabwicklung sowie Abkommen zwischen dem Bauträger, dem vorläufigen Insolvenzverwalter und der Bauträgerbank. Diese Abkommen betreffen beispielsweise die Bereitstellung eines Darlehens zur Fortsetzung der Abwicklung, insbesondere zur Bezahlung der Baubeteiligten für ihre weiteren Leistungen.

Was kann ich als Betroffener und Kunde im Moment konkret tun? Laufen wichtige Fristen?

Grundsätzlich müssen Sie im Moment vor allem etwas Geduld haben, auch wenn dies in vielen Fällen verständlicherweise schwer auszuhalten ist. Da es derzeit nur ein vorläufiges Insolvenzverfahren gibt, sind aktuell keine Fristen zu beachten. Die Frist zur Forderungsanmeldung läuft erst, wenn das Hauptinsolvenzverfahren eröffnet wird. Daher müssen Betroffene aktuell keine Sorge haben, dass sie wichtige Fristen verpassen könnten. 

Häufig laufen zudem Kredite und es können wegen der ausbleibenden Vertragsstrafenzahlungen in vielen Fällen auch finanzielle Bedrängnisse entstehen. Dennoch ist das oberste Gebot jetzt: Ruhe bewahren und klug handeln. Es ist nicht zwingend erforderlich, in der jetzigen Situation des vorläufigen Insolvenzverfahrens bereits einen Anwalt einzuschalten. Viele Kunden fühlen sich jedoch sicherer, wenn sie von Anfang an von einer Anwältin oder einem Anwalt begleitet werden.

Konkret können Sie - entweder selbst oder anwaltlich vertreten - folgende Maßnahmen ergreifen:

  1. Führen Sie Gespräche mit der Bauträgerbank, um nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine rasche, gemeinsame Lösung mit dem endgültigen Insolvenzverwalter und der Bauträgerbank zu finden, deren Grundpfandrechte Vorrang vor den Übertragungsansprüchen der Erwerber haben.
  2. Koordinieren Sie die weiteren Schritte mit anderen Wohnungskäufern (bei Wohnungskauf). Schließen Sie sich also mit anderen Betroffenen zusammen und tauschen Sie sich untereinander aus. Es gibt bereits Facebook- und WhatsApp-Gruppen von Betroffenen (siehe unser Artikel Käufer von Wohnungen bei Project Immobilien sollten sich zusammenschließen (mit Infos zu Facebook und WhatsApp-Gruppen)
  3. Kontaktieren Sie die Bauunternehmen und möglicherweise die Planer, die für den Bauträger arbeiten. Bewerten Sie den aktuellen Baufortschritt, diskutieren Sie über die Preise für noch ausstehende Leistungen gemäß den Direktverträgen mit den Käufern usw. bzw. erkundigen Sie sich vorsorglich nach möglichen neuen Bauunternehmen und Planern, die das Projekt abschließen könnten.
  4. Prüfen Sie - soweit möglich - das Objekt auf Mängel und Einsparpotenziale. Denken Sie aber daran, dass in den meisten Fällen der Bauträger bis zur Übergabe des Objekts das alleinige Hausrecht auf der Baustelle hat und Sie in der Regel nur nach Absprache die Baustelle betreten dürfen.
  5. Informieren Sie Ihre eigene finanzierende Bank über die aktuellen Entwicklungen und verhandeln Sie mit der eigenen Bank bezüglich zusätzlicher Finanzierung für restliche Fertigungskosten oder andere finanzielle Unterstützung.
  6. Erkundigen Sie sich beim Bauträger und bei der Bauträgerbank, ob es eine Baufertigstellungsversicherung oder Bürgschaft gibt, die im Fall der Insolvenz aushilft.
  7. Prüfen Sie, ob Ihnen eine Bürgschaft nach der Makler- und Bauträgerverordnung gestellt wurde (sogenannte MaBV-Bürgschaft). Sollte es eine solche geben, haben Sie mit der Bürgschaftsgesellschaft  einen Dritten, der für etwaige Rückabwicklungsansprüche in Anspruch genommen werden kann. Hier sollten Sie aber unbedingt anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen, weil die Bürgschaftsgesellschaften in der Regel nicht freiwillig zahlen und die Inanspruchnahme der Bürgschaft sorgfältig geprüft werden sollte.

Sie haben Fragen, die nicht hier beantwortet wurden?

Kontaktieren Sie uns. Wir vertreten bereits zahlreiche betroffene Kunden der PROJECT Immobilien Gruppe und sind gerne für Sie Ansprechpartner. Sie erreichen uns über das unten stehende Kontaktformular, können uns aber auch per E-Mail anschreiben oder sich telefonisch bei uns melden. Wir freuen uns auf Sie.

Foto(s): Bild von Rosy auf Pixabay und Bild von cdz auf Pixabay


Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwältin Janina Werner

Beiträge zum Thema