Bedeutung der Menge im Betäubungsmittelstrafrecht

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Ein jeder hat schon einmal die Bezeichnung „geringe Menge“ oder „nicht geringe Menge“ im Zusammenhang mit Betäubungsmitteln gehört.


Aber was genau bedeutet dies eigentlich und was spielt das im Strafjustizalltag für eine Rolle?


1. Die geringe Menge


Fangen wir mit der „geringen Menge“ einmal an. Landläufig hält sich die Auffassung, dass der Besitz einer geringen Menge Drogen straffrei oder gar erlaubt sei. Das ist natürlich nicht richtig.


Grundsätzlich ist erst einmal jeder Besitz eines Stoffes strafbar, welcher sich im Betäubungsmittelgesetz (BtMG) und dessen Anlagen befinden. Allerdings gewährt das Gesetz den Gerichten die Möglichkeit gemäß § 29 Abs. 5 BtMG von einer Bestrafung abzusehen, wenn der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge anbaut, herstellt, einführt, erwirbt oder besitzt. Des Weiteren gibt es für die Strafverfolgungsbehörde - sprich die Staatsanwaltschaft - die Möglichkeit, ein Ermittlungsverfahren wegen Geringfügigkeit gemäß § 153 Abs. 1 StPO einzustellen.


Wie man in den Vorschriften erkennt, handelt es sich dabei um sogenannte Ermessens- oder „Kann-Vorschriften“ sodass weder Gericht noch Staatsanwaltschaft dazu verpflichtet sind, ein Verfahren wegen des Vorliegens einer geringen Menge einzustellen. Dennoch hat sich eine gewisse Handhabungspraxis herausentwickelt, dass bei Vorliegen bestimmter Grundvoraussetzungen eine Verfahrenseinstellung einhergeht. Es kommt wie immer auf den Einzelfall an.


In der Regel darf man davon ausgehen, dass bei erstmaligem Besitz einer geringen Menge an Betäubungsmitteln eine Verfahrenseinstellung nach den oben genannten Vorschriften erfolgt. Es sollte also weder eine (einschlägige) Vorstrafe vorhanden sein, noch andere Umstände, welche die Tat gegebenenfalls „schwerer wiegen lassen“ als üblich, beispielsweise durch eine Fremdgefährdung oder ähnliches.


Wie bestimmt sich aber nun diese geringe Menge?


Dies erfolgt über die sogenannte Konsumeinheit. Eine Konsumeinheit ist das, was an Wirkstoff bei einem Gelegenheitskonsumenten zur Herbeiführung eines Rauschzustands als erforderlich angesehen wird. Natürlich ist dies von Person zu Person unterschiedlich und daher lediglich ein Orientierungspunkt.


Eine geringe Menge wird angenommen, wenn der Wirkstoff der entsprechenden Droge drei solcher Konsumeinheiten nicht überschreitet. Welche Wirkstoffmenge eine solche Konsumeinheit darstellt, hat sich in der Praxis durch Rechtsprechung und Literatur unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Erkenntnisse herauskristallisiert.


Gericht und Staatsanwaltschaft bestimmen den Wirkstoff einer bestimmten Substanz über ein toxikologisches Wirkstoffgutachten. Da dies jedoch bei Fund einer relativ kleinen Gewichtsmenge wenig praktikabel ist, wird der Wirkstoff dann in der Regel über eine Schätzung des Wirkstoffs (zugunsten des Betroffenen) erfolgen.


Bei der derzeit häufig anzutreffenden Schätzung des Wirkstoffgehalts beispielsweise bei Cannabisprodukten in Höhe von 5 % THC, wäre eine geringe Menge also bei einer nicht gutachterlich ausgewerteten Gewichtsmenge von 0,9g Cannabisprodukt (Etwa einem Joint) zu bejahen.


Dies abschließend ist aber zu sagen, dass auch beim Besitz einer größeren als die geringe Menge die Möglichkeit einer Verfahrenseinstellung nach § 153 oder § 153a StPO besteht. Die geringe Menge ist also ein bloßer Orientierungspunkt.


2. Die nicht geringe Menge


Im Gegensatz dazu steht nun die „nicht geringe Menge“, welche im Gesetz unter anderem in §§ 29a Abs. 1 Nr. 2, 30 Abs. 1 Nr. 4, 30a BtMG zu finden ist. Das Hantieren mit einer nicht geringen Menge hat der Gesetzgeber als besonders gefährlich angesehen und dies deshalb als Verbrechenstatbestand ausgestaltet. Auf einem Verbrechen stehen grundsätzlich Freiheitsstrafen.


Das Vorliegen einer nicht geringen Menge hat also zwangsläufig zur Folge, dass ein wesentlich schwerer Straftatbestand erfüllt sein kann. Darüber hinaus erhöht sich die konkrete Strafhöhe in der Regel, je weiter die nicht geringe Menge überschritten ist.


Da immer wieder die Frage auftaucht, ab welcher Menge eine geringe bzw. nicht geringe Menge nun vorliegt, folgt eine kleine Übersicht zu einigen gängigen Drogen. Diese Liste ist selbstverständlich nicht abschließend.



Betäubungsmittel

Geringe Menge

Nicht geringe Menge

Amfetamin

150mg (0,15g) Amfetamin-Base

10g Amfetamin-Base

Cannabis

45mg (0,045g) THC

7,5g THC

Kokain

100mg (0,1g) Cocainhydrochlorid

5g Cocainhydrochlorid

Ecstasy

Je nach Wirkstoff:

Bei Amfetamin-Base 150mg Base, bei MDA, MDE, MDMA 360mg (0,36g) Base

10g Amfetamin-Base; 30g MDA, MDE, MDMA

Heroin

30mg (0,03g) Heroinhydrochlorid

1,5g Heroinhydrochlorid

Methamfetamin (Crystal, Crystal Speed)

75mg (0,075g) Methamfetaminbase oder 90mg (0,09g) Methafetaminhydrochlorid

5g Methamfetaminbase

Pilze (Psilocin, Psilocybin)

30mg (0,03g) Psilocin; 42mg (0,042g) Psilocybin

1,2g Psilocin; 1,7g Psilocybin


Opium

75mg (0,075g) Morphinhydrochlorid

6g Morphinhydrochlorid


[Erkenntnisquelle für die oben genannten Mengengrenzwerte sind neben meinem eigenen Erfahrungsschatz übrigens einschlägige Literatur (Weber, BtMG 6. Auflage 2021 Rn. 2123-2136; Oğlakcıoğlu, MüKo-StGB, 4. Auflage 2022 Rn. 180 f.) sowie Rechtsprechung aus dem Bereich des Betäubungsmittelstrafrechts (z.B. OLG Karlsruhe NJW 2003, 1825; OLG München, Beschl. v. 11.11.2011 – 5 St RR (I) 061/11; OLG Hamm NStZ-RR 2010, 24; BayObLGSt 1999, 99; BGHSt 53, 89; BayObLGSt 2002, 33 u.v.m.)]


Selbstverständlich kann man ohne Wirkstoffgutachten nur grobschätzig angeben, ob eine gewisse Gewichtsmenge die nicht geringe Menge übersteigt. Cannabis wird beispielsweise mit einem relativ geringen Wirkstoff geschätzt, während zum Beispiel Kokain oft einen hohen Wirkstoff aufweist und in der Regel mit 20 % Cocainhydrochlorid geschätzt wird. Die nicht geringe Mengen ist damit bei einer wesentlich kleineren Gewichtsmenge erreicht.


3. Zusammenfassung


Zusammenfassend gibt es also einen Bereich, in dem man im Strafrecht von einer geringen Menge spricht, einen Bereich in dem man von einer „einfachen“ oder „normalen“ Menge sprechen kann und einen solchen der nicht geringen Menge. Im Rahmen der Strafverteidigung bei Betäubungsmitteldelinquenz spielen Kenntnisse hierzu eine essenzielle Rolle. Es kann für das Ergebnis eines Prozesses entscheidend sein, zu welchem Zweck in welcher Mengeneinheit etwaige Betäubungsmittel besessen wurden.


In diesem Sinne kann ich nur dazu anraten, sollten Sie Beschuldigter eines Betäubungsmitteldeliktes sein, sich den fachkundigen Rat eines Fachanwaltes für Strafrecht einzuholen, um die Weichen für das Verfahren richtig zu stellen.


Selbstverständlich stehe ich - und auch meine Kollegen aus der Kanzlei - Ihnen für eine Beratung und Vertretung im Betäubungsmittelstrafrecht bundesweit zur Verfügung.

Foto(s): https://www.pexels.com/de-de/foto/hand-sachen-getrocknet-dopen-7667799/

Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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