Berufsunfähigkeitsversicherung: Anfechtung verfristet, aber keine Rente wegen Rechtsmissbrauch
- 2 Minuten Lesezeit
Die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung aufgrund einer vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung gehört zu den häufigen Problemen in der Berufsunfähigkeitsversicherung. Werden bei den Gesundheitsfragen im Antragsformular falsche Angaben gemacht, kann der Versicherer berechtigt sein, den Versicherungsvertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten.
Die Anfechtung ist nach § 124 Abs. 3 BGB jedoch ausgeschlossen, wenn die Antragstellung mehr als zehn Jahre zurückliegt. Das OLG Braunschweig entschied nunmehr (Beschl. v. 11.10.2023, Az. 11 U 316/21), dass trotz des Verstreichens der Anfechtungsfrist ein Anspruch auf die BU-Rente wegen Rechtsmissbrauchs versagt werden kann.
Zum Sachverhalt
Ein Polizist verschwieg beim Abschluss eines Vertrags über eine Berufsunfähigkeitsversicherung, dass unter psychischen Problemen litt und sich bereits in Behandlung befand. In den folgenden zehn sei der Polizist immer wieder wegen psychischer Erkrankungen krankgeschrieben. Schließlich meldete er drei Tage nach Ablauf der zehnjährigen Frist den Versicherungsfall.
Zur Entscheidung des Gerichts
Das OLG Braunschweig schloss sich dem erstinstanzlichen Gericht an, welches zwar die Verfristung des Anfechtungsrechts bestätigte, dem Mann aber den Anspruch auf die Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung versagte.
Dem Versicherungsnehmer wurde entgegengehalten, dass sein Verhalten rechtsmissbräuchlich sei und gegen den Grundsatz von Treu und Glauben aus § 242 BGB verstieße. Es habe es „genau darauf angelegt“ die Frist verstreichen zu lassen und dem Versicherer sein Anfechtungsrecht zu vereiteln. Es sei kein Zufall, dass die Meldung des Versicherungsfalls drei Tage nach Fristablauf erfolgte, wobei der Mann bereits seit einem Jahr nicht mehr arbeiten konnte. Schließlich habe er bei einer weiteren Berufsunfähigkeitsversicherung den Versicherungsfall sofort gemeldet.
Anmerkung
Es dürfte sich hierbei um eine Einzelfallentscheidung handeln, deren kompletter Wortlaut derzeit nicht veröffentlicht ist.
Grundsätzlich kann es ratsam sein, mit einem Antrag abzuwarten, sofern der Ablauf der zehnjährigen Frist kurz bevorsteht. Fristen auszunutzen stellt kein rechtswidriges Verhalten dar. Aufgrund einer exzessiv versicherungsfreundlichen Rechtsprechung zum Anfechtungsrecht in der Berufsunfähigkeitsversicherung müssen Erfolgsaussichten für Versicherungsnehmer oft kritisch beurteilt werden. Ein Vergessen oder die falsche Angabe durch einen Arzt nachzuweisen ist zwar möglich; die Hürden sind allerdings hoch.
Der vorliegende Fall weist sicher die Besonderheit auf, dass ein sehr zielgerichtetes Verhalten des Versicherungsnehmers nachweisbar war, das Anfechtungsrecht zu vereiteln. Diese „Wartetaktik“ führte zum Vorwurf des Rechtsmissbrauchs. Der Versicherungsnehmer ging leer aus. Letztlich dürfte es sich um eine Einzelfallentscheidung handeln.
Die Entscheidung ist rechtskräftig. Eine Nichtzulassungsbeschwerde wurde durch den BGH am 23.10.2024 zurückgewiesen.
Artikel teilen: