Berufsunfähigkeitsversicherung - Angemessenheitsprüfung bei vereinbarter Dynamik
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1. Hintergrundwissen zum Thema "dynamische Anpassung" von Leistungen
Viele Berufsunfähigkeitsversicherungen sehen hinsichtlich der zunächst bei Vertragsabschluss vereinbarten Leistung ein dynamische Anpassung vor. Unter einer dynamischen Anpassung versteht man bei einer Berufsunfähigkeitsversicherung die jährliche Erhöhung der versicherten Berufsunfähigkeitsrente und der Beiträge (Prämie). Durch die jährliche Anpassung, der je nach Bedingungswerk auch widersprochen werden kann, steigt die versicherte Berufsunfähigkeitsrente ("BU-Rente") an und sorgt so dafür, dass sich ein in vielen Fällen steigendes Einkommen des Versicherungsnehmers nicht zu weit von der versicherten Berufsunfähigkeitsrente entkoppelt. Gerade bei einer längeren Leistungsdauer von fünf, zehn oder zwanzig Jahren, in der vom Versicherer Leistungen wegen Berufsunfähigkeit gezahlt werden, summiert sich eine solche dynamische Anpassung von "nur" wenigen hundert Euro auf ganz erhebliche Beträge.
2. Angemessenheitsprüfung - Passen Einkommen und versicherte (dynamisierte) Leistung zusammen?
In manchen Versicherungsbedingungen, so beispielsweise bei uns vorliegenden Versicherungsbedingungen der Alte Leipziger Lebensversicherung a.G. (nachfolgend "Alte Leipziger") zu einer dort bestehenden "Fondsgebundenen Basisrentenversicherung mit flexiblen Garantie" ist allerdings eine Angemessenheitsprüfung vorgesehen.
Konkret ging es um die "Zusatzbedingungen für fondsgebundene Rentenversicherungen nach den Tarifen FR 15, FR 70 und FR 75 mit Dynamik nach Modus P". Diese sehen vor, dass dann, wenn die jährliche Berufsunfähigkeitsrente einen bestimmten Betrag (z.B. € 30.000) übersteigt, die Erhöung dieser jährlichen Leistungen in einem stets angemessenen Verhältnis zum Einkommen des Versicherten stehen muss.
So heißt es:
"Übersteigt der Jahresbetrag der Berufsunfähigkeitsrente (...) 70 % des letzten jährlichen Bruttoeinkommens, müssen Sie uns dies mitteilen; wir werden dann die Erhöhung der Berufsunfähigkeitsrente aus diesem Erhöhungsvorgang ausschließen (...). Stellen wir im Leistungsfall fest, dass zum Zeitpunkt der Erhöhung keine angemessene Relation zum Einkommen gegeben war, sind wir von der Verpflichtung zur Zahlung der Berufsunfähigkeitsrente aus dieser Erhöhung frei.
3. Entscheidung des LG Frankfurt, Az. 2-30 O 273/18 (rechtskräftig)
Unserem Mandant, der unstreitig ab März 2017 bedingungsgemäß berufsunfähig war, wurde von der Allte Leipziger mitgeteilt, dass er Leistungen nur ohne die (zeitlich vor dem Eintritt der Berufsunfähigkeit liegende letzte) Dynamikerhöhung aus dem Jahr 2016 erhalte. Maßgeblich sei der Vertragsstand 2015, da bei der späteren Anpassung aus dem Jahr 2016 keine angemessene Relation von Einkommen und BU-Rente vorliege.
Unsere Mandant hat deshalb durch unsere Kanzlei Klage gegen die Alte Leipziger Lebensversicherung a.G. (AL) vor dem LG Frankfurt erhoben. Die Klage richtete sich auf die Zahlung der Differenzbeträge zwischen der tatsächlichen gezahlten monatlichen Rente wegen Berufsunfähigkeit auf Grundlage der Anpassung des Jahres 2015 und der späteren, aus unserer Sicht allerdings wirksamen Anpassung ("Dynamik") des Jahres 2016.
Mit seinem Klagebegehren hatte unser Mandant nun Erfolg. Der Klage wurde bis auf einen geringen Teilbetrag stattgegeben, da der Versicherer eine Aufrechnung erklärt hatte.
Das Gericht vertritt den Standpunkt, dass die eben zitieren Regelungen zur Angemessenheitsprüfung nach den jeweiligen Zusatzbedingungen gegen das Transparenzgebot verstoßen und daher nach § 307 Abs.1 BGB unwirksam sind. Dies schon deshalb, da der durchschnittliche Versicherungsnehmer ohne Spezialkenntnisse Schwierigkeiten mit dem Begriff "Bruttoeinkommen" habe. Auch sei unklar, was mit letzten "jährlichen" Bruttoeinkommen gemeint sei (Kalenderjahr oder das Versicherungsjahr). Im Lauf des Rechtsstreits waren noch weitere Gesichtspunkte diskutiert worden, die nach unserer Bewertung zu einer Unwirksamkeit der Klausel über die Angemessenheitsprüfung führen müssen. Hierauf kam es jedoch aus Sicht des Gerichts nicht mehr entscheidungserheblich an.
4. Praxistipp
Sollte Ihr Vertrag über ein Berufsunfähigkeitsversicherung eine solche Angemessenheitsprüfung vorsehen, lohnt es sich nach Anerkenntnis des Leistungsfalls die Abrechnung und den Standpunkt des Versicherers zu prüfen. Wenn, wie hier, ein Erhöhungsvorgang ("eine Dynamik") ausgeschlossen wird, kann dies langfristig zu erheblichen Einbußen des Versicherungsnehmers führen.
Unsere Kanzlei steht Ihnen mit zwei Fachanwälten für Versicherungsrecht für eine Beratung sehr gerne zur Verfügung.
Sprechen Sie uns an: 06221 - 7151617
RA und FA VersR Heiko Schönsiegel
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