Dauer der Auswertung von Beweismitteln wie z.B. Handys – Wie lange ist eine Beschlagnahme zulässig?
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Im Rahmen eines Strafverfahren werden bei Durchsuchungen Gegenstände, welche potenziell als Beweismittel dienen können, beschlagnahmt. Beim Vorwurf im Bereich Betrug oder Verbreiten bzw. Besitz von Kinder- und Jugendpornographie, aber auch bei unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (BtMG) und Cannabis (KCanG) gehören Handys, Computer, Tablets, Laptops, externe Festplatten, USB-Sticks usw. zu den "Lieblingsbeweismitteln" der Polizei.
Sollten die Behörden bei Ihnen Beweismittel beschlagnahmt haben, dann müssen diese die beschlagnahmten Datenträger zeitnah überprüfen und auswerten. Anlass dieses Rechtstipps des erfahrenen Strafverteidigers Heiko Urbanzyk aus Coesfeld ist ein Beschluss des Landgericht Bonn (Beschl. v. 30.09.2024 – 22 QS 23/24). Das Landgericht musste über eine Beschwerde entscheiden, welche die Dauer der Auswertung der Beweismittel rügte.
Sachverhalt
Gegen den 14-Jährigen Beschuldigten im Jugendstrafverfahren wurde ein Ermittlungsverfahren geführt, weil er ein Video mit kinderpornografischen Inhalt über das soziale Netzwerk Snapchat hochgeladen haben soll. Aufgrund dieses Verdachtes erfolgte eine Durchsuchung der Wohnung des Beschuldigten am 05.09.2023. Es wurden dabei mögliche Beweismittel (Smartphone, Notebook, USB-Sticks…) durch die Strafverfolgungsbehörden sichergestellt. Der Beschuldigte räumt ein, dass der Snapchat-Account von ihm genutzt wird. Das Amtsgericht Bonn hatte mit Beschluss vom 15.09.2023 die Beschlagnahme der Gegenstände richterlich bestätigt.
Beschwerde des Beschuldigten
Nach knapp einem Jahr legte der Beschuldigte über seinen Verteidiger gegen die am 15.09.2023 angeordnete Beschlagnahme Beschwerde ein und rügte die überlange Auswertedauer. Aufgrund dessen musste das Gericht die Rechtmäßigkeit der Beschlagnahme überprüfen. Eine Beschlagnahme hat verschiedene Voraussetzungen. Sie muss jedoch vor allem verhältnismäßig sein. Dabei muss die Beschlagnahme in einem angemessen Verhältnis zur Schwere der Tat und zur Stärke des Tatverdachts stehen und für die Ermittlungen notwendig sein. Insbesondere muss das staatliche Interesse an Strafverfolgung gegen die Eigentumsrechte des Beschuldigten abgewogen werden. Auch zu berücksichtigen ist der Ermittlungsstand sowie der Wert der Geräte und ggfs. ein möglicher Wertverlust während der Beschlagnahme. Die Dauer der Auswertung richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, sodass die Festlegung von Zeitgrenzen grundsätzlich nicht sachgerecht ist.
Entscheidung des Landgericht: Auswertung dauert zu lange!
Das Landgericht entschied, dass die Beschlagnahme unverhältnismäßig und somit rechtswidrig sei. Die Nutzung des Snapchat-Account durch den Beschuldigten wurde zwar eingeräumt, jedoch hatten die Behörden keine weitergehenden Informationen vom Beschuldigten erhalten. Zudem war der Beschuldigte zum Tatzeitpunkt 14 Jahre alt und gerade erst strafmündig geworden.
Die Auswertung der Daten war trotz Ablauf eines Jahres noch nicht abgeschlossen. Die Verzögerung der Auswertung begründet sich zwar durch die Überlastung der Behörden, technischer Probleme und höher priorisierter Fälle, jedoch vermag dies nicht einen deutlich über sechs Monate hinwegdauernden Eingriff in die Eigentumsrecht des Betroffenen zu rechtfertigen. Dies gilt auch in Anbetracht dessen, dass die fragliche Datei einen schweren sexuellen Missbrauch eines Kindes zeigt.
Fazit: Lang andauernde Beschlagnahmen anwaltlich überprüfen lassen!
Die Behörden sind in der Lage im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens die in Ihrem Eigentum stehenden Gegenstände zu beschlagnahmen. Diese Beschlagnahme muss jedoch rechtmäßig insbesondere verhältnismäßig sein. Bei einer Auswertungsdauer von über sechs Monaten müssen in der Regel besondere Umstände oder eine besondere Schwere der Tat vorliegen, welche den Eingriff in Ihr Eigentumsrecht rechtfertigen.
Sollte bei Ihnen im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens Gegenstände beschlagnahmt worden sein und dies erfolgte vor über sechs Monate, dann kann ein Anwalt für Sie nach Akteneinsicht und Prüfung der Sach- und Rechtslage beim Gericht Beschwerde einlegen.
Rechtsanwalt H. Urbanzyk mit Kanzleisitz in Coesfeld (nahe Münster, Gronau, Stadtlohn) ist seit vielen Jahren als Fachanwalt und Strafverteidiger tätig. Beschwerden gegen Durchsuchungsanordnungen und Beschlagnahmen gehören seiner Auffassung nach zum Standardrepertoire des versierten Rechtsbeistands in Strafsachen.
Sollte die Beschlagnahme rechtswidrig sein, erhalten Sie Ihr Eigentum zurück. Dementsprechend sollten Sie einen erfahren Anwalt für Strafrecht engagieren, welcher die einschlägige Rechtsprechung der Gerichte kennt und für Sie prüfen kann, inwiefern eine Beschlagnahme noch rechtmäßig ist. Gerade wenn Sie trotz der Durchsuchung und Beschlagnahme noch nicht anwaltlich vertreten sind, wäre es jetzt an der Zeit, diesen überfälligen Schritt zu gehen.

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