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Der digitale Nachlass

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Seit dem „Facebook-Urteil“ des BGH ist endgültig entschieden, dass der digitale Nachlass vererblich ist. Dennoch ist es sinnvoll, dass Nutzer digitaler Dienste privat vorsorgen, weil Anbieter digitaler Dienste den Erbfall nicht einheitlich in ihren Geschäftsbedingungen regeln. Dieses und die Dokumentation des Bestandes digital genutzter Dienste erleichtern die Situation von Erben, weil diese aufgrund der kurzen Ausschlagungsfristen des Gesetzes daran interessiert sind, zeitnah nach dem Erbfall den Nachlassbestand zu kennen. Insoweit bietet es sich an, durch eine lebzeitig erstellte Vollmacht und/oder ein „digitales Testament“ und jedenfalls durch eine Dokumentation vorhandener Datenbestände und Vertragsverhältnisse mit Zugangsdaten Vorsorge zu treffen.

 

Vollmacht zur Verwaltung des digitalen Nachlasses

Zunächst kann eine Vollmacht zu Lebzeiten erteilt werden, dass eine dritte Person im Todesfall den digitalen Nachlass verwaltet. Eine derartige Vollmacht unterliegt keinen Formvorschriften, sollte aber aus Gründen der Rechtssicherheit, Beweisbarkeit und Akzeptanz im Rechtsverkehr die Schriftform einhalten. Eine derartige Vollmacht dient dazu, dass nach dem Tod des Erblassers der Bevollmächtigte die Erben als Rechtsnachfolger des Erblassers vertritt. Die Erben können die Vollmacht allerdings jederzeit frei gegenüber dem Bevollmächtigen widerrufen. Zwar kann die Vollmacht als unwiderrufliche Vollmacht erteilt werden, allerdings nur, wenn es sich um eine sogenannte Spezialvollmacht handelt, da eine unwiderrufliche Generalvollmacht in ihrem rechtlichen Bestand fragwürdig ist. Denn die herrschende Meinung in Literatur und Rechtsprechung verlangt insoweit eine besondere Rechtfertigung und ein dem Interesse des Vollmachtgebers mindestens gleichwertiges Interesse des Bevollmächtigten oder eines Dritten. In jedem Falle bleibt aber im Fall der Unwiderruflichkeit der Vollmacht die Möglichkeit des Widerrufes aus wichtigem Grund. Die Gefahr, dass der Bevollmächtigte von dem Erben aus seinem Amt entfernt wird, lässt sich somit nicht gänzlich ausschließen.

 

Dennoch bleibt eine derartige, lebzeitige Vollmacht selbstverständlich sinnvoll. Die sogenannte digitale Vollmacht kann als ein Gesichtspunkt in einer allgemeineren Vollmacht niedergelegt werden oder eben als eigene, gesonderte Vollmacht. Als Bevollmächtigter sollte eine Person gewählt werden, die das notwendige Verständnis für den Problemkreis und die erforderlichen technischen Kenntnisse aufweist. In der Regel sollte die Vollmacht inhaltlich möglichst weit gefasst werden, da eine derartige Vollmacht die Akzeptanz im Rechtsverkehr erhöht. Selbstverständlich kann die Vollmacht auch in beliebiger Weise inhaltlich begrenzt und näher definiert werden. Dieses ergibt Sinn, wenn ein völlig unkontrolliertes Schalten und Walten der Bevollmächtigten unerwünscht ist. In diesem Zusammenhang ist es in der Regel auch sinnvoll, den Bevollmächtigten konkrete Anweisungen zu geben, etwa bestimmte Vertragsverhältnisse zu kündigen, in bestimmter Weise weiterzuführen oder bestimmte, rein private Daten unverzüglich zu löschen.

 

Digitales Testament

Daneben kann von Todes wegen über den digitalen Nachlass verfügt werden, also im untechnischen Sinne etwa durch ein „digitales Testament“. Insoweit gelten selbstverständlich die gesetzlichen Formvorschriften für die Errichtung eines Testamentes. Sollen Erben keinen Zugriff auf den digitalen Nachlass oder bestimmte Teile hieraus erhalten, ist allein die Geheimhaltung der Zugangsdaten nicht immer ausreichend, da die Erben als neue Vertragspartner gegen den Dienstanbieter einen Auskunftsanspruch haben. Selbstverständlich ist es auch möglich, testamentarisch festzuhalten, dass die Erben mit der Auflage beschwert werden, etwa ein bestimmtes Vertragsverhältnis zu einem Internetdienstanbieter nach dem Sterbefall unverzüglich zu kündigen, ohne vorher Einsicht in die Daten zu nehmen. Erbrechtlich sollte diese Auflage daneben dadurch abgesichert werden, dass ein Testamentsvollstrecker mit der Kontrolle betraut wird, ob die Erben die Löschung der Daten ohne vorherige Einsicht vorgenommen haben. Aus hier nicht weiter auszuführenden, rechtlichen Gesichtspunkten heraus, ist es aber wohl effektiver, von vornherein einen Testamentsvollstrecker zur Löschung bestimmter Daten oder Kündigung gewisser Vertragsverhältnisse zu bestellen, also konkrete Verwaltungsanordnungen insoweit gegenüber dem Testamentsvollstrecker testamentarisch zu bestimmen. Der Vorteil der Testamentsvollstreckung ist insofern, dass die Erben gem. § 2211 BGB einer Verfügungsbeschränkung unterliegen, sodass auf diese Weise ihr Zugriff auf die zu löschenden Daten verhindert werden kann. Außerdem ist der Testamentsvollstrecker zur Verschwiegenheit verpflichtet, wobei auch ihm aufgegeben werden kann, keine Einsicht in die betreffenden Datenbestände zu nehmen. Soll der digitale Datenbestand vererbt werden, können durch Testament ein oder mehrere Erben eingesetzt werden. Zwar können Daten an sich nicht bestimmten Personen zugeordnet werden, allerdings kann gesteuert werden, wem diese zufallen, in dem ein lokales Speichermedium mit den darauf befindlichen Daten oder eine Online-Vertragsbeziehung bzgl. der auf fremden Servern gespeicherten Daten übertragen wird.

 

Auflistung der Vertragsverhältnisse und Datenbestände

Die vorstehend behandelte Vorsorge sollte durch eine Auflistung der vorhandenen Datenbestände und Vertragsverhältnisse mit den dazugehörigen Zugangsdaten begleitet werden. Dadurch kann einerseits sichergestellt werden, dass die Erben oder Bevollmächtigten Zugriff auf die Nutzerkonten ohne Geltendmachung eines Auskunftsanspruches gegenüber dem Dienstanbieter nehmen können. Zwar besteht nach deutschem Rechtsverständnis gegen die Dienstanbieter ein Auskunftsanspruch bezüglich der Zugangsdaten und Passwörter. Allerdings kann sich die Durchsetzung dadurch als schwierig erweisen, wenn ein Dienstanbieter seinen Sitz im Ausland hat und diese Rechtsordnung z. B. die transmortale Vollmacht nicht kennt oder Verbraucherrechte weniger schützt. Andererseits können sich die Begünstigten so einen Überblick über den digitalen Nachlass verschaffen, ohne dass sie zunächst den Datenbestand klären müssen.

 

Zugangsdaten dokumentieren?

Abzuraten ist davon, sämtliche Zugangsdaten direkt in die Verfügung von Todes wegen („Testament“) oder in eine Vorsorgevollmacht aufzunehmen. Denn dieses birgt die Gefahr, dass auch nicht berechtigte Personen Kenntnis erlangen und sich Zugang zu den Nutzerkonten des Erblassers verschaffen.

 

Passwort-Manager, digitale Nachlassdienste und digitale Vorsorgeurkunde

Eine Vielzahl kommerzieller Dienstanbieter wirbt mit unterschiedlichen Geschäftsmodellen, das Vererben des digitalen Nachlasses zu erleichtern. Dazu zählen Passwort-Manager, digitale Datensafes und digitale Nachlassdienste. Die kommerziellen Angebote sind allerdings grundsätzlich kritisch zu sehen, weshalb diese nur genutzt werden sollten, wenn der Dienst seine persönliche Integrität und dauerhafte wirtschaftliche und technische Leistungsfähigkeit nachgewiesen hat, was zumindest unter den derzeitigen Voraussetzungen praktisch kaum durchführbar ist. Aufgrund dieser verschiedenen Bedenken wird mittlerweile fast einhellig die unter dem Begriff „digitale Vorsorgeurkunde“ zusammengefasste Konstruktion empfohlen. Dabei soll die Liste der Zugangsdaten verschlüsselt und passwortgeschützt auf einem lokalen Datenträger gesichert werden. Das Masterpasswort und im Falle der Verwendung von KeePass auch das Notfallblatt wird einer Vertrauensperson übergeben. Dies kann eine Privatperson, besser jedoch eine Person sein, die beruflich zur Verschwiegenheit verpflichtet ist, etwa ein Notar. Im Fall der Verwahrung durch einen Notar kann das Masterpasswort in Ergänzung zu einer Vorsorgevollmacht oder letztwilligen Verfügung in einer Anlage zur notariellen, digitalen Vorsorgeurkunde vermerkt werden. In der Vorsorgeurkunde sind konkrete Handlungsanweisungen beizufügen, wann, an wen und unter welchen Voraussetzungen eine Herausgabe erfolgen soll.

 

Fazit: Dem Erblasser stehen die allgemeinen erbrechtlichen Institute zur Vererbung des digitalen Nachlasses zur Verfügung, wobei diese vorsorglich durch eine Überlassung der Zugangsdaten an die Erben begleitet werden sollte, um zu gewährleisten, dass die Erben tatsächlich auf den digitalen Nachlass zugreifen können. Zu Lebzeiten kann der Erblasser entsprechend bereits Vollmacht erteilen.


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