Der Nachteilsausgleich - eine „Abfindung“ nach § 113 BetrVG könnte auch Ihnen zustehen
- 2 Minuten Lesezeit
Der in § 113 BetrVG geregelte Anspruch auf Gewährung eines Nachteilsausgleichs ist eine wenig bekannte Regelung. Dabei ist gerade diese Norm besonders interessant, weil darin die Möglichkeit einer Abfindungszahlung als Wiedergutmachung für einen erlittenen Schaden gesetzlich geregelt wird.
Ein solcher Ausgleich wird dann gewährt, wenn der Arbeitgeber eine Betriebsänderung vornimmt, ohne vorher mit dem Betriebsrat über einen Interessenausgleich zu verhandeln (§ 113 Abs. 3 BetrVG) oder von einem Interessenausgleich ohne zwingenden Grund abweicht (§ 113 Abs. 1 BetrVG). Entsprechend § 10 KSchG kann der vom Nachteil betroffene Arbeitnehmer dann eine Abfindungszahlung von bis zu 10, 15 oder 18 Monaten verlangen (§ 10 Abs. 1 und 2 KschG).
Schwierigkeiten bereitet in der Praxis die Frage, wann tatsächlich von einer Betriebsänderung gemäß § 111 BetrVG ausgegangen werden kann. Arbeitgeber kündigen ihren Mitarbeitern organisatorische Veränderungen selten als Betriebsänderungen an mit der Folge, dass diese zwar unter murren, jedoch ohne beachtlichen widerstand früher oder später akzeptiert werden.
Eine solche Betriebsänderung kann beispielsweise die Abschaffung einer bestimmten Hierarchieebene sein. Der Arbeitgeber könnte auf die Idee kommen zwei unterschiedliche Ebenen miteinander zu „verschmelzen“.
Mit der Frage, ob eine Veränderung der Unternehmensstruktur eine Betriebsänderung darstellt, befasste sich das LAG Hamm unter dem AZ.: 19 Sa 541/03 und verkündete sein Urteil am 22.07.2003. In diesem Fall klagte ein Arbeitnehmer auf Gewährung eines Nachteilsausgleichs gem. § 113 BetrVG, da er sich auf den Standpunkt stellte, der Arbeitgeber habe trotz der Vornahme einer Betriebsänderung keinen Interessenausgleich durchgeführt. Die Hierarchieebenen waren in diesem Fall wie folgt:
Marketing – und Vertriebsleiter
Außendienstleiter
Regionalleiter
Außendienstmitarbeiter
Der Kläger war anfangs als Außendienstmitarbeiter beschäftigt und dann zum Regionalleiter befördert. Dies sollte im Wege der gegenständlichen Organisationsänderung wieder rückgängig gemacht werden. Ihm wurde eine Stelle als Außendienstmitarbeiter angeboten und er wurde bei Ablehnung des Angebotes von der Beklagten gekündigt. Das LAG bejahte die Betriebsänderung in diesem Fall, weil eine ganze Hierarchieebene zu Fall gebracht wurde, sich Unterstellungsverhältnisse geändert haben, sich die Entscheidungsbefugnisse im Wege der Zentralisierung und Dezentralisierung verlagert haben, eine Leistungskontrollinstanz weggefallen ist, Aufgaben der Regionalleiter auf andere Abteilungen übertragen wurden und dort dadurch eine Leistungsverdichtung verursacht worden ist. Dem Kläger wurde im Ergebnis ein Nachteilsausgleich in Höhe von 3 Bruttomonatsgehältern zugesprochen.
Die Fragen, ob auch in Ihrem Fall grundlegende Änderungen der Betriebsorganisation vorliegen, die eine Betriebsänderung nach § 113 S. 3 Nr. 4 BetrVG darstellen ist von hohem juristischen Anspruch. Aus diesem Grund wird dem Betriebsrat nach § 111 S. 2 BetrVG gestattet einen Berater, beispielsweise einen Rechtsanwalt, auf Kosten des Arbeitgebers zu beauftragen, soweit das Unternehmen mehr als 300 Arbeitnehmer beschäftigt.
Abschließend sei darauf hingewiesen, dass organisatorische Veränderungen am Arbeitsplatz, die eine Mehrzahl von Mitarbeitern mittels Kündigung oder anderweitig wirtschaftlich negativ betreffen sowohl aus Sicht der Betroffenen, als auch vom Betriebsrat unter die Lupe genommen werden sollten, um mitbestimmen zu können, ob, wann und wie eine Änderung durchgeführt wird und eine Kompensation für etwaige finanzielle Nachteile auszugleichen.
Gerne berate ich Sie vollumfänglich zu formellen und materiellen Anspruchsvoraussetzungen des Nachteilsausgleichs und beantworte auch andere arbeitsrechtliche Fragen.
Artikel teilen: