Die Tücken bei zweckwidriger Nutzung des Sondereigentums - typisierende Betrachtungsweise
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Die Welt ist bunt, und das Wohnungseigentumsrecht ist es auch. Kaum ein Fall gleicht dem anderen. Und so gibt es immer wieder Entscheidungen, die sich scheinbar widersprechen, aber eben nur scheinbar. Denn der Unterschied liegt im Detail der zugrundliegenden Sachverhalte.
Das Ärztehaus
So hatte der BGH in einer Entscheidung vom 23.8.2018 (V ZR 307/16) entschieden, dass die Nutzung einer Teileigentumseinheit zu Wohnzwecken in einem ausschließlich beruflichen und gewerblichen Zwecken dienenden Gebäude (hier: einem Ärztehaus) bei typisierender Betrachtung regelmäßig schon deshalb störender als die vorgesehene Nutzung sei, weil eine Wohnnutzung mit typischen Wohnimmissionen sowie einem anderen Gebrauch des Gemeinschaftseigentums einhergeht und zu anderen Zeiten – nämlich ganztägig und auch am Wochenende – erfolgt; die Teileigentümer hätten ein berechtigtes Interesse daran, dass der professionelle Charakter einer derartigen Anlage erhalten bleibt, um Konflikte, die durch eine in der Teilungserklärung nicht angelegte gemischte Nutzung hervorgerufen werden können, von vornherein zu vermeiden.
Abgrenzung des BGH zur Ärztehausentscheidung
Auch in einer neueren Entscheidung vom 16.7.2021 (V ZR 284/19) ging es um eine Teileigentumseinheit, die ein Eigentümer zu Wohnzwecken nutze. Der wurde auf Unterlassung verklagt – und die Klage wurde abgewiesen.
Unterschied im Sachverhalt: Mischnutzung
Auf den ersten Blick mag das verwundern, auf den zweiten Blick paßt das Ergebnis aber. Denn der Sachverhalt wich in einem ganz wesentlichen Aspekt von jenem aus der älteren Entscheidung ab: Die Teilungserklärung sah keine einschränkende Zweckbestimmung für das Teileigentum vor, die Teileigentumseinheit lag in einem separaten Gebäude (mit getrennter Kostenregelung) und auch die ü brigen Sondereigentumseinheiten diensten ausschließlich der Wohnnutzung. Also völlig anderer Sachverhalt.
Grundsatz der typisierenden Betrachtungsweise
Die Grundsätze, mit denen der BGH dann in beiden Urteilen die anstehenden Fragen löste, waren aber die gleichen und sie sind Leitbild für alle anderen vergleichbaren Fälle. Es stellt sich ja die Frage, ob wann eine zweckwidrige Nutzung unzulässig ist. Braucht es dafür konkrete Störungen, die von dieser abweichenden Nutzungsart ausgehen? Nein, so der BGH, angebracht ist vielmehr eine sog. typisierenden Betrachtungsweise: Nach der der ständigen Rechtsprechung des für Wohnungseigentumsangelegenheiten zuständigen V. Senats des BGH kann eine nach dem vereinbarten Zweck nicht gestattete Nutzung nicht untersagt werden, wenn diese bei typisierender Betrachtungsweise nicht mehr stört als die vorgesehene Nutzung. Diese Einschränkung des Unterlassungsanspruchs sei nach den Grundsätzen einer ergänzenden Vertragsauslegung gerechtfertigt. Der hypothetische Wille des teilenden Eigentümers gehe bei einer Zweckbestimmung grundsätzlich nicht dahin, den Wohnungs- und Teileigentümern eine bestimmte Gestaltung ihres Privat- oder Berufslebens vorzugeben und das ihnen zustehende Recht zur Nutzung ihres Eigentums über Gebühr einzuschränken. Vielmehr solle in erster Linie das Maß der hinzunehmenden Störungen festgelegt werden. Solange dieses Maß eingehalten werde, fehle es in der Regel ebenso wie bei einer der Zweckbestimmung entsprechenden Nutzung an einem schutzwürdigen Abwehrinteresse der anderen Wohnungseigentümer bzw. des Verbands.
Und der BGH hatte in der Entscheidung vom 16.7.2021 auch gleich sehr plastische Beispiele an der Hand: So könne eine Nutzung zu anderen als Wohnzwecken genauso störend oder störender als eine Wohnnutzung sein. Insbesondere müsse die Nutzung einer Teileigentumseinheit bei typisierender Betrachtung nicht zwingend als auf die üblichen Geschäfts- oder Bürozeiten beschränkt anzusehen sein, sondern könne – baurechtliche Zulässigkeit vorausgesetzt – außerhalb dieser Zeiten und auch am Wochenende erfolgen, wie es etwa bei einer Gaststätte, einem Beherbergungsbetrieb, einem Call-Center, einem SB-Waschsalon, einem Sportstudio oder sog. Co-Working Spaces nicht untypisch sei. Zugleich würde der Publikumsverkehr und die Geruchs- und Lärmimmissionen bei einigen der genannten Nutzungen typischerweise nicht geringer sein als bei einer Wohnnutzung.
Erkenntnisse
Es lässt sich also festhalten: Nicht jede Nutzung einer Wohnungs- oder Teileigentumseinheit, die dem in der Teilungserklärung vorgegebenen Zweck widerspricht, ist auch zwingend unzulässig. Notwendig ist vielmehr eine typisierende Betrachtungsweise: Ist bei der tatsächlichen Nutzung in der Regel keine größere Störung der Miteigentümer zu erwarten als bei der in der Teilungserklärung vorgesehenen Nutzung? Und das ist dann ist dann immer eine Frage des Einzelfalles….
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