Ein kurzer Überblick zum Urlaubsrecht

  • 6 Minuten Lesezeit

Urlaubsrecht: Was Arbeitnehmer/innen* und Arbeitgeber/innen* wissen sollten


Ein kurzer Überblick mit Tipps für die Praxis


*Zur besseren Lesbarkeit bezeichnen wir Arbeitnehmer/innen jeweils als „der AN“ und Arbeitgeber/innen jeweils als „der AG“


1.

Was ist Urlaub?


  • Bezahlte Freistellung des AN von der Arbeitspflicht zur Erholung
  • Kein Urlaub, wenn AN krank ist oder nur widerruflich freigestellt wird
  • Rückrufrecht des AG? Nein, ist Urlaub gewährt, kann und darf AG den AN nicht aus dem Urlaub zurückrufen
  • Gesetzlicher Mindesturlaub im Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) geregelt. Er beträgt 4 Wochen pro Jahr, also 24 Werktage bei einer 6-Tage-Woche oder 20 Arbeitstage bei einer 5-Tage-Woche (§ 3 BUrlG). Hiervon darf nicht zum Nachteil des AN abgewichen werden (Ausnahme: Tarifvertrag), aber zu seinem Vorteil (freiwilliger Zusatzurlaub, z. B. Sonderurlaub für Hochzeit oder Umzug)
  • Jugendliche (§ 19 JArbSchG: 1 bis 6 Werktage) und Schwerbehinderte (§ 208 SGB IX: 5 Arbeitstage) erhalten gesetzlichen Zusatzurlaub
  • Daneben gibt es Bildungsurlaub (bezahlte Freistellung für i. d. R. 5 Arbeitstage pro Jahr; von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich geregelt), Freizeitgewährung zur Stellensuche nach AG-Kündigung (§ 629 BGB) und Sabbatical (unbezahlte Freistellung aufgrund Vereinbarung)


2.

Wer hat Anspruch auf Urlaub?


  • Anspruch auf Urlaubsgewährung haben AN, arbeitnehmerähnliche Personen und Azubis (§ 2 BUrlG)
  • Bei Wechsel des AG kein doppelter Urlaubsanspruch: Urlaub beim alten AG wird auf Urlaub beim neuen AG angerechnet (§ 6 BUrlG)
  • Urlaubserteilung ist allein Aufgabe und Recht des AG. Kein Recht des AN auf Selbstbeurlaubung, er muss Urlaub notfalls gerichtlich durchsetzen
  • AG entscheidet über zeitliche Lage des Urlaubs, muss hierbei aber auf Wünsche (=Urlaubsantrag) des AN Rücksicht nehmen: AG muss Urlaub wie beantragt gewähren, es sei denn, dringende betriebliche Gründe stehen ausnahmsweise entgegen oder Urlaubswünsche anderer AN, die aus sozialen Gründen Vorrang verdienen (z. B. Schulferien der Kinder)
  • Kein Verweigerungsrecht des AG, wenn AN direkt nach einer Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation Urlaub verlangt (§ 7 I 2 BUrlG)


3.

Umfang des Urlaubs, wenn Arbeitsverhältnis unterjährig beginnt
 oder endet?


  • Voller Jahresurlaub entsteht nach Wartezeit von 6 Monaten (§ 4 BUrlG). Aber: AN kann bereits vor Ablauf der Wartezeit für jeden vollen Monat 1/12 des Jahresurlaubs verlangen  (§ 5 I a BUrlG)
  • AN scheidet vor erfüllter Wartezeit aus: 1/12 für jeden vollen Monat (§ 5 I b BUrlG)
  • Ist Wartezeit einmal erfüllt, kann AN jedes Jahr am 01.01. den ganzen Jahresurlaub beanspruchen. Scheidet er in der ersten Jahreshälfte (bis 30.06.) aus, kann er nur 1/12 für jeden vollen Monat fordern (§ 5 I c BUrlG). Hat er in der ersten Jahreshälfte bereits mehr Urlaub genommen als ihm zusteht, muss er kein Urlaubsentgelt zurückzahlen (§ 5 III BUrlG)
  • Bruchteile von mindestens 0,5 gelten als ganzer Urlaubstag (§ 5 II BUrlG)
  • Beispiel: AN arbeitet seit 01.05.23 in 5-Tage-Woche. Er hat Anspruch auf 20 Urlaubstage pro Jahr, erstmals ab 01.01.24 in voller Höhe. Scheidet er am 31.05.24 aus, kann er bis dahin (20 x 1/12 x 5=) 8,33 = 8 Urlaubstage verlangen. Hat er mehr als 8 genommen, kann AG nichts zurückverlangen. Scheidet er am 31.08.24 aus, kann er den vollen Jahresurlaub beanspruchen, nicht nur 8/12


4.

Wann erlischt Urlaub?


Erfüllung: Urlaub erlischt durch ordnungsgemäße Erfüllung, also durch unwiderrufliche Urlaubserteilung. AN beantragt Urlaub, AG gewährt Urlaub und AN nimmt Urlaub, und zwar grundsätzlich bis zum 31.12. des jeweiligen Urlaubsjahres


Zeitablauf: Urlaub entsteht am 01.01. und ist bis 31.12. des Jahres befristet. Wird er bis dahin nicht gewährt und genommen, verfällt er (§ 7 III 1 BUrlG)


Hiervon gibt es vier Ausnahmen:

    1. Urlaub kann aus dringenden betrieblichen oder persönlichen Gründen auf das Folgejahr übertragen werden, verfällt dann aber am 31.03. (§ 7 III 2 BUrlG)
    2. AG muss AN jedes Jahr auffordern, Urlaub bis zum Ende des Jahres oder 31.03. des Folgejahres zu nehmen, und ihn darauf hinweisen, dass der Urlaub ansonsten verfällt. Diese Pflicht besteht auch gegenüber kranken AN. Ohne diesen Hinweis verfällt der Urlaub nicht und wird mit dem Urlaub des Folgejahres zusammengerechnet. Auch Verjährung beginnt ohne Hinweis nicht. Allgemeiner Hinweis im Arbeitsvertrag genügt nicht
    3. Wenn AN während des ganzen Kalenderjahres und bis zum 31.03. des Folgejahres krank ist, verfällt Urlaub 15 Monate nach Ende des jeweiligen Urlaubsjahres (auch, wenn AG seine Hinweispflicht verletzt hat: Denn der AN konnte seinen Urlaub sowieso nicht nehmen)
    4. AN hat Urlaub rechtzeitig beantragt, Übertragung auf Folgejahr nicht möglich. AG hat Hinweis erteilt, gewährt dennoch grundlos keinen Urlaub: Urlaub erlischt, AN kann aber Ersatzurlaub als Schadensersatz verlangen (praktisch selten)


5.

Wie hoch ist das Gehalt während des Urlaubs?


  • Urlaubsentgelt ist die Vergütung während des Urlaubs und stellt sicher, dass der AN finanziell so gestellt ist, als ob er gearbeitet hätte. Es berechnet sich aus der Multiplikation des Geldfaktors mit dem Zeitfaktor (§ 11 BUrlG)
  • Geldfaktor: Durchschnittliche Vergütung des AN, die in den letzten 13 Wochen vor Urlaubsbeginn ohne Überstunden fällig wurde
  • Zeitfaktor: Arbeitszeit, die durch Freistellung während des Urlaubs konkret ausfällt. Ermittelt werden die Stunden, die der AN während seines Urlaubs vermutlich hätte arbeiten müssen (mit Überstunden)
  • Vergütung i. d. S. ist jede Gegenleistung des AG für erbrachte Arbeitsleistung des AN, unabhängig davon, ob sie nach Stunden, Tagen, Wochen oder Monaten berechnet wurde
  • Berücksichtigt werden: Provisionen, Vergütung für Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft, sonstige Sonderzahlungen für geleistete Arbeit
  • Nicht berücksichtigt werden: Überstunden und Überstundenzuschläge, einmalige Sonderzahlungen (Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld)


6.

Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch Urlaub offen?


  • Urlaub, der bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht genommen werden kann, ist abzugelten und an den AN auszuzahlen (§ 7 IV BUrlG)
  • Urlaubsabgeltung während des Arbeitsverhältnisses unzulässig, entsprechende Vereinbarungen unwirksam
  • Urlaubsabgeltung ist reiner Geldanspruch: Er ist zwar nicht (wie der Urlaub) bis zum Jahresende (oder 31.03. des Folgejahres) befristet, er kann allerdings verjähren und Ausschlussfristen unterfallen
  • Auch AN, die bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses krank sind, haben Anspruch auf Urlaubsabgeltung
  • Berechnung wie Urlaubsentgelt (§ 11 BUrlG)
  • Urlaubsabgeltungsanspruch abtretbar, pfändbar und vererblich


7.

Tipps für AN


  • Bei Krankheit im Urlaub: Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegen, Urlaub bleibt erhalten. Krankheitstage nicht eigenmächtig an Urlaub dranhängen, es drohen Abmahnung oder Kündigung
  • Urlaub rechtzeitig vor dem 31.12. beantragen und Urlaubsantrag beweissicher dokumentieren (es sei denn, Übertragungsgrund bis 31.03. des Folgejahres liegt vor oder AG hat keinen Hinweis auf Verfall erteilt)
  • Keinen Urlaub androhen, AG kann abmahnen und im Wiederholungsfall kündigen
  • Gewährt AG keinen Urlaub, keine Selbstbeurlaubung, notfalls zum Arbeitsgericht
  • AN, deren Vergütung schwankt (z. B. Makler), erhalten höheres Urlaubsentgelt, wenn sie zunächst eine hohe Provisionszahlung im Referenzzeitraum (13 Wochen vor Urlaubsbeginn) abwarten
  • Wenn AN während einer Freistellung nach Ausspruch einer Kündigung unter Anrechnung von Urlaub krank wird, bleibt Urlaub bestehen und muss abgegolten werden. Wenn Krankschreibung auf den Tag genau die Kündigungsfrist abdeckt, können aber Zweifel an der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bestehen
  • Wenn AN nur widerruflich freigestellt wird, z. B. bis zum Ablauf der Kündigungsfrist, bleibt Urlaub erhalten und muss ausgezahlt werden


8.

Tipps für AG


  • Freistellung des AN nach Ausspruch einer Kündigung muss unwiderruflich erfolgen, andernfalls bleibt Urlaub erhalten
  • Unwiderrufliche Freistellung unter Anrechnung auf Urlaub und etwaige Freizeitausgleichsansprüche sollte schriftlich erfolgen
  • AG müssen jeden AN zu Beginn eines jeden Jahres nachweislich (z. B. durch Anschreiben oder Hinweis in der Gehaltsabrechnung) darüber informieren, wie viele Urlaubstage für das neue Jahr bestehen, dazu auffordern, den Urlaub bis zum Jahresende zu nehmen, und darauf hinweisen, dass der Urlaub mit Ablauf des Kalenderjahres oder des Übertragungszeitraums verfällt, wenn der AN ihn nicht rechtzeitig beantragt
  • Diese Pflichten gelten auch gegenüber AN, die krank sind und bei denen nicht absehbar ist, ob und wann sie wieder genesen. Hier lautet die Aufforderung, Urlaub nach Genesung so rechtzeitig zu nehmen, dass er im laufenden Jahr oder Übertragungszeitraum gewährt und genommen werden kann
  • AN in Elternzeit haben ebenfalls Anspruch auf Urlaub, auch wenn sie nicht arbeiten. In diesen Fällen sollte der AN nachweislich darauf hingewiesen werden, dass der Urlaub, der dem AN für das Urlaubsjahr zusteht, für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um 1/12 gekürzt wird (§ 17 I BEEG). Diese Kürzungserklärung kann bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses nachgeholt werden


Beratung gefällig?


Wenn Sie eine Beratung zum Thema Urlaubsrecht wünschen, sprechen Sie uns gerne an:


Marco Pape

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Arbeitsrecht


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Stand: September 2024


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