Einrichtungsbezogene Impfnachweispflicht möglicherweise verfassungwidrig!

  • 2 Minuten Lesezeit

Betrachtet man den Beschluss des BVerfG vom 10. Februar 2022  (1 BvR 2649/21) näher, sprechen die heute veröffentlichten Ausführungen des BVerfG dafür, dass § 20a IfSG im Verfahren in der Hauptsache für verfassungswidrig erklärt werden könnte. 

So äußert das BVerfG gewichtige Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Regelungstechnik des § 20a IfSG. Die Vorschrift enthält eine doppelte dynamische Verweisung zur Konkretisierung der Anforderungen an den vorzulegenden Impf- und Genesenennachweis. § 20a IfSG verweist auf die Covid-19-Schutzmaßnahmen-AusnahmeVO, die ihrerseits auf die Internetseiten des Paul-Ehrlich-Instituts und des RKI verweist. Der Senat hegt insoweit Zweifel schon daran, dass eine die Normadressaten bindende Außenwirkung der dynamisch in Bezug genommenen Regelwerke der beiden Bundesinstitute im InfSG eine hinreichende Grundlage findet. Bejahendenfalls stellt sich zudem die Frage, ob ausnahmsweise ein sachlich tragfähiger Grund dafür besteht, dass nicht dem Verordnungsgeber selbst die Konkretisierung des vorzulegenden Impf- oder Genesenennachweises und damit auch der geimpften und genesenen Personen im Sinne des Gesetzes übertragen ist, sondern dies den genannten Bundesinstituten überlassen wird.

In der Sache geht es hier auch um das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG). Ein wirksamer Rechtsschutz gegen die für die Rechtfertigung des Grundrechtseingriffs aufgrund Gesetzes hier elementare Definition Geimpfter oder Genesener im Sinne des Gesetzes darf nicht dadurch vereitelt werden, dass einer Behörde die Letztentscheidungsbefugnis übertragen wird. Dieses Postulat hat das BVerfG bereits in seinem heute zitierten Beschluss vom 31.05.2011 (1 BvR 857/07) zur Investitionszulage vorgebahnt.

Hieraus folgt, dass der Gesetzgeber jetzt aufgerufen ist, diese Bedenken ernstzunehmen und (bei entsprechender Änderung von § 20a IfSG mit Verweisung hierauf) den Geimpften- oder Genesenenstatus bzw. Nachweis desselben zumindest in einer Rechtsverordnung des Bundes zu regeln, die dann einer impliziten verwaltungsgerichtlichen Kontrolle zugänglich ist. So wäre es ggf. auch vermieden worden, dass der Genesenenstatus kraft Entscheidung einer Bundesbehörde unvermittelt statt sechs Monate nur noch drei Monate gelten soll, ohne dass hierfür eine justiziable Begründung abgegeben wird.

Es bleibt außerdem zu hoffen, dass das BVerfG jetzt schneller als sonst üblich über die Verfassungsbeschwerden in der Hauptsache entscheiden wird.  Denn in den ab dem 16. März zu erwartenden zahlreichen Verwaltungsverfahrens- und Verwaltungsgerichtsstreitigkeiten wird es schon wegen des in § 20a InfSG eingeräumten Ermessensspielraums unter Berücksichtigung der sehr unterschiedlichen (teils konträren) Interessen der neben den Angestellten auch am Verfahren zu beteiligenden Einrichtungsträger (Gesundheits- und Lebensschutz versus Sicherstellung der Versorgung) sowie ggf. selbständiger Berufsträger in jedem Fall zu großer Entscheidungsunsicherheit kommen. Dann wüsste man zumindest gerne, ob die anzuwendende gesetzliche Regelung jetzt auch verfassungsfest ist.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Holger Barth

Beiträge zum Thema