Einsetzung des Patensohns als Schlusserbe: Sind die Ehegatten an eine solche Verfügung gebunden?
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Durch wechselbezügliche Verfügungen sind die Ehegatten eines gemeinschaftlich errichteten Berliner Testaments grundsätzlich an die darin getroffenen Verfügungen gebunden. Das Oberlandesgericht (OLG) Köln hatte sich nun mit der Frage zu beschäftigen, ob eine Wechselbezüglichkeit auch bei der Einsetzung eines Patenkindes angenommen werden kann (Beschluss vom 13.04.2023, Az.: 2 Wx 259/22).
Berliner Testament: Gegenseitige Erbeinsetzung der Ehegatten
Die verstorbene Erblasserin hatte im Jahr 1992 mit ihrem Ehemann ein sogenanntes Berliner Testament errichtet.
Hintergrundwissen: Das Berliner Testament ist ein gemeinschaftliches Testament. Hierbei setzen sich die Ehegatten gegenseitig zu Alleinerben des Erstversterbenden ein. Weiterhin bestimmen sie einen Schlusserben, der den Letztversterbenden beerben soll.
Die Ehegatten hatten sich zu gegenseitigen Alleinerben eingesetzt. Schlusserben sollten die Mutter der Ehefrau sowie das Patenkind des Ehemannes sein. Nachdem sowohl der Ehemann als auch die Mutter der Erblasserin verstorben waren, änderte die Erblasserin das Testament und setzte eine Freundin als Alleinerbin ein.
Bindungswirkung des Testaments bei Ableben eines Ehepartners
Als die Erblasserin verstarb, erklärte das Patenkind des vorverstorbenen Ehegatten die Anfechtung des neueren Testaments und beantragte die Erteilung eines Alleinerbscheins. Er trug vor, dass er, nachdem die Mutter der Erblasserin vorverstorben war, alleiniger Erbe der Erblasserin sei. Die Abänderung des gemeinschaftlichen Testaments sei nach dem Tod des Ehemannes aufgrund der Bindungswirkung seiner Einsetzung als Schlusserbe nicht mehr möglich gewesen – schließlich sei er als Patensohn für den Ehemann wie ein eigener Sohn gewesen. Die Parteien des Rechtsstreits stritten nun um die Frage, ob das Patenkind, welches mit dem erstverstorbenen Ehegatten nicht verwandt war, eine ihm vergleichbar nahestehende Person war und ob der Ehefrau deswegen eine spätere Abänderung des Testaments überhaupt noch möglich war.
Wechselbezüglichkeit von Verfügungen: Verfügungen stehen und fallen gemeinsam
Grundsätzlich ist der Widerruf eines Testaments gemäß §§ 2253, 2254, 2258 Abs. 1 BGB durch ein späteres Testament möglich. Im vorliegenden Fall könnte der Widerruf allerdings durch § 2271 Abs. 1 ausgeschlossen sein, wenn es sich um wechselbezügliche Verfügungen handele.
Eine Wechselbezüglichkeit von Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament setzt gemäß § 2271 Abs. 1 BGB voraus, dass die Verfügung des einen Ehegatten gerade aufgrund der Verfügung des anderen Ehegatten getroffen worden ist. Die Verfügung soll also nach dem Willen der Ehepartner mit der anderen „stehen und fallen“ (KG, Beschluss vom 17.02.2021, Az.: 6 W 1071/20). Sofern das Testament keine ausdrückliche Bestimmung enthält, muss das Testament ausgelegt werden. In dem in Rede stehenden Testament gab es weder eine ausdrückliche Bestimmung noch konnte durch Würdigung der Umstände – auch der allgemeinen Lebenserfahrung – der Wille einer wechselbezüglichen Verfügung festgestellt werden.
Widerruf wechselbezüglicher Verfügung – hohe Anforderungen an das „Nahestehen“
Das OLG Köln prüfte sodann, ob die Wechselbezüglichkeit durch eine Auslegung gemäß § 2270 Abs. 2 Alt. 2 BGB angenommen werden kann. Eine Wechselbezüglichkeit der Verfügungen liegt demgemäß vor, wenn eine Verfügung zugunsten einer Person getroffen wird, die mit dem anderen Ehegatten verwandt ist oder ihm sonst nahe steht. Es seien hohe Anforderungen an das Nahestehen zu stellen. Ein freundschaftliches Verhältnis zur bedachten Person, welches beispielsweise auch durch gemeinsame Freizeitaktivitäten und der Teilnahme an Familienfeiern gepflegt wird, genügt nicht, da ein solches in der Regel immer zu bedachten Personen besteht.
Das Patenkind habe nicht an gemeinsamen Feierlichkeiten teilgenommen – auch nicht an Geburtstagen des Ehemannes der Erblasserin. Weiterhin könne nicht festgestellt werden, dass ein inniges Verhältnis bestanden habe, es Zuwendungen oder Pflegeleistungen gegeben habe. Insbesondere der Umstand, dass das Ehepaar keine eigenen Kinder hatte und es keine nahen Verwandten oder Freunde gab, lässt die Schlussfolgerung zu, dass das Patenkind der einzig in Betracht kommende Schlusserbe war. Es sei davon auszugehen, dass kein Nahestehen des Patenkindes vorliege. Mithin lägen nach dem OLG auch keine wechselbezüglichen Verfügungen vor und die Erblasserin ist somit nicht an das Testament von 1992 gebunden. Das Patenkind ist nicht Erbe der Erblasserin geworden.
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