Erben können Anspruch auf Rechnungslegung gegen den Vorsorgebevollmächtigten haben
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1. Die Vorsorgevollmacht
Die Vorsorgevollmacht oder Generalvollmacht ist eines der wichtigsten Dokumente für die Vorsorge für den Notfall. Sie ermächtigt den Bevollmächtigten als Vertrauensperson des Vollmachtgebers wesentliche oder eben alle Dinge in seinem Leben zu Regeln.
Oftmals fällt hierrunter nicht nur die Gesundheitsfürsorge, sondern auch die Vermögensfürsorge. Gerade Letzteres führt dazu, dass die Vertrauensperson über Vermögensgegenstände und Geldwerte des Vollmachtgebers verfügen darf. Genau so hat sie Vermögen zu verwalten und zu erhalten. Damit geht einher, den Überblick über das Vermögen zu behalten.
In vielen Fällen übt die Vertrauensperson ihre Aufgabe unentgeltlich aus. Also ohne Entlohnung. Viele machen sich aber keine Gedanken darüber, welche weiteren Verpflichtungen die Vertrauensperson eingeht, wenn sie das Amt übernimmt.
Insbesondere können Erben des Vollmachtgebers im Rahmen der Nachlassfeststellung an die Vertrauensperson herantreten:
2. Welche Pflichten bestehen eigentlich?
Grundsätzlich folgen aus der reinen Bevollmächtigung keine weiteren Pflichten für die Vertrauensperson. Die Vollmacht beschreibt nur, was die Vertrauensperson für den Vollmachtgeber tun darf. Würde man mehr verlangen, dann müsste schon ein Auftrag vorliegen.
Die Frage ist nun, wann ein solcher Auftrag mit weiteren Pflichten entsteht. Einig ist man sich darin, dass wenn Ehegatten sich gegenseitig als Vertrauenspersonen einsetzen, kein Auftragsverhältnis entsteht.
Bei anderen Angehörigen oder Freunden als Vertrauenspersonen kann das schon ganz anders aussehen.
3. Entscheidung des OLG Braunschweig, 28. April 2021, Az. 9 U 24/20
Das OLG Braunschweig entschied nun, dass bei anderen Angehörigen oder Dritten ein Auftragsverhältnis entstehen kann, wenn zwischen dem Vollmachtgeber und der Vertrauensperson klar war, dass bei Unpässlichkeit des Vollmachtgebers die Vertrauensperson die Vermögensverwaltung auf Basis der Vollmachtsurkunde übernehmen soll. Denn dann geht es bei der Vorsorgevollmacht nicht nur um ein reines Vertreten nach außen, sondern die Tätigkeit der Vertrauensperson hat eine wirtschaftliche Bedeutung.
Muss die Vertrauensperson größere Vermögenswerte verwalten und Verfügungen vornehmen, so ist nach dieser Auffassung vom Entstehen eines Auftragsverhältnis mit Erteilung der Vollmacht bzw. Antritt der Vertrauensperson als Bevollmächtigte auszugehen - hinzu kommen noch die Besonderheiten des Einzelfalls.
4. Beginn des Auftragsverhältnisses und Bedeutung für die Vertrauensperson
Somit beginnt für die Vertrauensperson ein Auftragsverhältnis mit weiter gehenden Pflichten. Meistens ist ein solches Auftragsverhältnis unentgeltlich, es sei denn die Vollmachtsurkunde sieht etwas anders vor.
Ist es unentgeltlich, bedeutet es nicht, die Vertrauensperson würde nicht haften oder nur beschränkt haften für ganz grobe Fehler oder Vorsatztaten.
Ganz im Gegenteil. Vielmehr bedeutet es, dass die Vertrauensperson ohne jegliche Entlohnung erhöhte Verantwortungen übernimmt und Haftungsrisiken in Bezug auf ihre Vermögensfürsorgepflichten eingeht.
Einem solchen Auftragsverhältnis immanent ist auch die Pflicht zur Rechnungslegung und zur Auskunftspflicht. Bedeutet, dass die Vertrauensperson sowohl gegenüber dem Vollmachtgeber aber auch gegenüber dessen Erben zur Rechenschaft, Rechnungslegung und Auskunft über die vorgenommenen Verfügungen verpflichtet ist - so auch die OLG-Entscheidung.
All diese Aufgaben können zu erheblichem Aufwand führen. Einem Aufwand der nicht unentgeltlich bleiben sollte. Zumal die Erben eben auf die Vertrauensperson zugreifen können.
5. Praxistipp für Vollmachtgeber, Vertrauenspersonen und Erben
Vollmachtsurkunden sollten daher nicht nur eine Klausel für Aufwendungsersatz oder gar einem Entgelt für die Vertrauensperson vorsehen, sondern auch eine Einschränkung deren Haftung – das wird auch die Übernahme dieser wichtigen Aufgabe attraktiver machen.
Für die Vertrauensperson gilt auf der anderen Seite die Vollmachtsurkunde genau zu prüfen, bevor das Amt übernommen wird – um eine „böse“ Überraschung zu vermeiden.
Wird die Aufgabe übernommen, ist ein sorgfältiges Dokumentenmanagement unerlässlich und bestenfalls eine jährliche Abrechnung mit Aktiva und Passiva bzw. Einnahmen und Ausgaben-Listen– insbesondere, wenn die Aufgabe über einen längeren Zeitraum geht.
Genauso hat die Vertrauensperson die steuerrechtlichen Pflichten des Vollmachtgebers zu beachten – eine nicht zu unterschätzende Aufgabe.
Je sorgfältiger die Vertrauensperson bereits während ihrer Amtszeit arbeitet, umso leichter wird es, die Erben in ihren Ansprüchen zu befriedigen und Streit zu vermeiden.
Für die Erben sind die Feststellungen des OLG hilfreich, um eine weitere Informationsquelle zur Feststellung des Nachlasses zu haben. Und darüber hinaus auch eine vertragliche Haftungsgrundlage gegen sorgfaltslose Vertrauenspersonen zu haben.
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