Erben und Vererben von Immobilien - Interview mit Tobias Scheidacker

  • 10 Minuten Lesezeit

Im Interview beim Businesstalk am Kudamm spricht Claudia Bechstein mit Tobias Scheidacker, Rechtsanwalt und Notar in Berlin, über das Erben und Vererben von Immobilien.

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Herr Scheidacker, in Deutschland werden jedes Jahr Vermögen in Höhe von sage und schreibe 100 Mrd. Euro übertragen. Einen nicht unerheblichen Wert machen hierbei die Erbschaften und Schenkungen von Immobilien aus. Welche Bedeutung haben dabei die Testamente?

Tobias Scheidacker: Testamente sind eine vorausschauende Gestaltung von demjenigen, der sein Vermögen irgendwann vererben wird, um zu vermeiden, dass seine Erben sich streiten, und um seine expliziten Wünsche zu formulieren.

Testamente sind häufig von persönlichen Überlegungen getragen, welche übrigens ganz anders sind als die, die wir sonst so im Geschäftsleben anstellen. Normalerweise geht es in unserem geschäftlichen Alltag um erfolgsorientierte Fragen: Wie kann ich etwas erreichen? Wie kann ich etwas aufbauen? Wie kann ich Vermögen bilden? Bei einem Testament geht es darum, loszulassen und zu überlegen: Was oder wer im Leben ist mir eigentlich wichtig? Das und einiges mehr kann man mit einem Testament gestalten.

Welche Rolle spielen die Testamente bei der Vermögensnachfolge von Immobilien?

Tobias Scheidacker: Eine sehr wichtige. Das beginnt übrigens schon zu Lebzeiten: Immobilien, insbesondere bei größeren Beständen, werden in der Regel schon sukzessiv zu Lebzeiten übertragen. Das hat steuerliche Gründe. Im Rahmen der Erbschaftssteuer gibt es Freibeträge, Eheleute in Höhe von 500.000 Euro, Kinder von 400.000 Euro - alle 10 Jahre. Wenn man früh anfängt, Immobilien bzw. Anteile daran zu übertragen, kann man den Freibetrag mehrfach ausschöpfen.

Zugleich ist es dem Schenkenden möglich, den Übertragungswert bei Übertragung zu Lebzeiten dadurch reduzieren, dass er sich einen Nießbrauch vorbehält, d.h. die Nutzung der Erträge aus der Immobilie zu Lebzeiten. Hierbei handelt es sich um einen wirtschaftlichen Wert, der steuerlich gegengerechnet wird, sodass der reine Objektwert auch ein bisschen höher sein kann als die Freigrenze, weil der Wert der Schenkung unter Abzug des Nießbrauchs dann trotzdem die Freigrenze nicht übersteigt.

Also da gibt es Gestaltungsmöglichkeiten, die zu Lebzeiten genutzt werden können und das, was nach diesen Gestaltungen am Ende übrig ist, kann dann durch das Testament geregelt werden.  

Gibt es noch weitere Aspekte bei der Testamentsgestaltung, welche unbedingt beachtet werden sollten?

Tobias Scheidacker: Nach der Rechtslage könnte man ein Testament per Hand am Küchentisch verfassen. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, daß solche Testamente in der Anwendung schwierig sind. Zum Beispiel gehen viele Menschen davon aus, dass man Gegenstände vererben kann, etwa nach dem Motto: Kind 1 bekommt mein Haus Nr. 1, Kind 2 bekommt das zweite und Kind 3 das dritte. Dem ist allerdings nicht so. Wenn im Testament aufgeführt wird, dass diesem einen Kind jenes Haus vererbt werden soll, dann ist es keine Erbeinsetzung. Erbeinsetzungen geschehen stets zu Quoten. Bei einer gegenständlichen Zuweisung handelt es sich eher um ein Vermächtnis. Bei einem Testament dieser Art, wie ich es als Beispiel genannt habe, stellt sich dann die Frage: Wer ist denn nun der Erbe? Und mit welcher Quote?

Dementsprechend ist das Errichten eines Testaments leider nicht so einfach, wie man es allgemeinhin annimmt. Es empfiehlt sich, einen Notar zu Rate zu ziehen, weil ein Notar weiß, wie ein Testament zu gestalten ist und dieses dann inhaltlich so gestalten kann, dass das Ergebnis den Wünschen des Testierenden entspricht.

Ein Testament ist stets eine individuelle Angelegenheit, z.B. wenn der/die Testierende noch minderjährige Kinder hat, kann er darüber nachdenken, für den Fall seines Todes eine Testamentsvollstreckung oder einen Vormund einzusetzen, sodass nicht nur die Vermögensnachfolge geklärt ist, sondern auch die Fürsorge der Heranwachsenden. Genauso sind individuelle Entscheidungen zu treffen für den Fall, dass man ein behindertes Kind hat. Also, wie Sie sehen, kann ein Testament wirklich sehr individuell und vielschichtig sein.

Das heißt, ich als Testierende brauche gar nicht viel zu diesem Thema wissen, sondern kann lediglich mit einer Idee zu Ihnen kommen und Sie setzen diese dann entsprechend der rechtlichen Rahmenbedingungen um?

Tobias Scheidacker: Ganz recht, das ist der Idealfall. Wir beraten zunächst und versuchen dabei herauszufinden, was der Testierende gern anordnen würde. Dann machen wir unsererseits Vorschläge, die den Wünschen des/der Testierenden entsprechen. Erst nach Klärung wird testiert. Im Nachgang reichen wir das Testament beim zuständigen Amtsgericht ein und melden es an das zentrale Testamentsregister bei der Bundesnotarkammer, damit die Information über die Existenz eines Testaments nicht verloren gehen können.

Machen wir nun einen Übergang vom Testament zum Erbschein. Was versteht man darunter und wofür wird dieser genutzt?

Tobias Scheidacker: Ein Erbschein ist ein Nachweis der Erbfolge. Nehmen wir an, Sie haben kein Testament errichtet und Ihre Erben müssen gegenüber Ihrer Bank für das Konto oder gegenüber dem Grundbuchamt für das Eigentum einer Immobilie nachweisen, dass sie Erben geworden sind. Das ist nicht so einfach. Mit einer Sterbeurkunde kann man lediglich nachweisen, dass Sie gestorben sind, jedoch nicht, wer Erbe ist.

Ein Erbschein ist ein vom Amtsgericht ausgestelltes Dokument, welches aussagt, wer in welcher Quote Erbe geworden ist, und damit kann man entsprechend die Angelegenheiten regeln.

Gehen wir hierauf etwas näher ein. Welche Informationen müssen zwingend angegeben werden, um einen Erbschein zu beantragen?

Tobias Scheidacker: Das hängt von der individuellen Situation ab.

Zunächst wird in jedem Fall die Sterbeurkunde benötigt, sodass eindeutig festgestellt werden kann, dass ein Erbfall eingetreten ist.

Des weiteren sind diejenigen Informationen erforderlich, die belegen, dass der Antragsteller tatsächlich Erbe geworden ist: Belege zur Klärung des Verwandtschaftsverhältnisses, wie zum Beispiel die Geburtsurkunde, aus der hervorgeht, wer Vater und Mutter sind/waren und eventuell Familienstammbücher, aus denen sich ergibt, wer außerdem in der Familie vorhanden ist. Außerdem sind Heiratsurkunden wichtig, weil Ehegatten auch erbberechtigt sind, oder Scheidungsurkunden, falls sie es nicht mehr sind usw.

Es treten auch manchmal Situationen ein, wo frühere Erbenfolgen nicht nachvollzogen wurden. Herrn und Frau Mustermann gehört gemeinsam ein Haus. Herr Mustermann verstirbt und einige Zeit später auch Frau Mustermann, doch der Grundbucheintrag wurde nie geändert. In diesem Fall muß die Erbenfolge nicht nur nach dem Verscheiden von Frau Mustermann, sondern auch von dem zuvor verstorbenen Herr Mustermann belegt werden, um nachvollziehen zu können, wer geerbt hat.

All das muss dem Amtsgericht vorgelegt werden, welches dann prüft und ggf. bei etwaigen Unstimmigkeiten oder Unklarheiten noch einmal nachfragt. Wenn alles vollständig geklärt ist, kann schlussendlich ein Erbschein ausgestellt werden.

Nun zu einem ebenso juristisch spannenden Thema: Bei einem Erbfall mit mehreren Erben läuft es nicht immer reibungslos ab. Oft entstehen Streitigkeiten zum hinterlassenen Vermögen. Wie erfolgt die Aufteilung einer Immobilie nach dem Tod des Erblassers?

Tobias Scheidacker: Zunächst einmal: Die Immobilie muss nicht zwangsläufig aufgeteilt werden. Nehmen wir hierzu an, der/die Erblasser/-in hatte 3 Kinder, die zu jeweils einem Drittel die Immobilie erben. Die drei bilden in diesem Fall eine Erbengemeinschaft und das Grundbuch wird entsprechend berichtigt. Durch den Erbfall ist das Grundbuch unrichtig geworden: der eingetragene Eigentümer ist nicht mehr der oder die Verstorbene, sondern die Erben. Der hier beschriebene ist ein relativ einfacher Fall.

Wenn die drei Kinder nun jedoch die Immobilie verkaufen möchten, dann können sie das gemeinsam tun und sich den Erlös teilen. Sofern sie das nicht wünschen oder z. B. nur einer der Erben seinen Anteil verkaufen möchte, dann müssen die Erben zu einer Einigung kommen. Wir Notare können helfen, sobald der gewünschte Inhalt der Einigung feststeht. Parteiliche Beratung und Begleitung bis zum Erreichen einer solchen Lösung ist Aufgabe anwaltlicher Kollegen.

Sobald es also zu einer Lösung gekommen ist, beurkunde ich diese. Das beinhaltet einerseits die Erbauseinandersetzungen und andererseits die enthaltenen Grundstücksübertragungen in Zusammenarbeit mit den Grundbuchämtern.

Welche Möglichkeiten der Erbaufteilung gibt es? Und zu dem von Ihnen angerissenen Thema der Streitigkeiten: Bei einem Erbfall treten bekanntlich öfters Streitigkeiten zwischen den einzelnen Erben ein. Wie kann man sie durch entsprechende Beratung vermeiden bzw. welche Wege kann man gehen, um sie zu minimieren, sodass die Differenzen nicht in einen mehrere Jahre andauernden Rechtsstreit münden? 

Tobias Scheidacker: Als Testierende/-r hält man mittels aufgesetzten Testaments fest, wie man sich die spätere Aufteilung vorstellt. Sollte das nicht stattgefunden haben und die Erben müssen selbst entscheiden, dann spielen hierbei eher persönliche und weniger rechtliche Faktoren eine Rolle. Inhalt der Regelung könnte zum Beispiel sein, dass Einzelne ein Objekt zum vollen Umgang anderen Miterben übertragen oder Objekte aus dem Nachlass verkauft werden, um finanziellen Ausgleich für die Übertragung zuweisen zu können. Also, es ist auch wieder eine sehr individuelle Gestaltung, wobei es eine Rolle spielt, wie viele Erben es gibt, wie hoch das Vermögen ist und wie man alles gerecht aufteilt.

Wenn der/die Erblasser/-in nun ein Testament aufsetzen lässt, die Erben mit dieser Art Aufteilung jedoch nicht einverstanden sind, müssen sie die im Testament festgelegte Aufteilung so akzeptieren oder können sie hiergegen in irgendeiner Art und Weise vorgehen?

Tobias Scheidacker: Die Erben können es gemeinsam anders regeln, sofern sie das wünschen.

Wie kann eine vorweg genommene Erbfolge oder eine Schenkung von Immobilien rechtlich und auch steuerlich optimal gestaltet werden? Gibt es hier mehrere Möglichkeiten?

Tobias Scheidacker: Für die steuerlichen Fragen verweise ich grundsätzlich an die Beratung durch einen Steuerberater, denn das sind Fragen, die wir als Notare nur ansatzweise begleiten, jedoch nicht beraten. Da hängt sehr viel Haftung dran, zumal sich das Steuerrecht auch gern verändert – das ist in dem Sinne nicht unser Metier.

Allerdings ist es in der Tat so, dass die Ausnutzung von Schenkungssteuerfreibeträgen in den 10-Jahres-Zeiträumen, die das Gesetz vorgibt, und die Anordnung von Nießbrauchsrechten sowie weitere Gestaltungen möglich sind, um die Steuerlast ein wenig zu reduzieren.

Die Vorteile einer vorzeitigen Übertragung von Immobilien an Angehörige haben Sie eingangs bereits ein wenig angesprochen. Können Sie hierzu noch etwas präziser werden? Welche weiteren Vorteile bilden sich aus diesem Vorgehen und gibt es vielleicht sogar Nachteile? Und wenn ja, welche?

Tobias Scheidacker: Ein eindeutiger Nachteil einer vorzeitigen Übertragung von einer Immobilie ist schlichtweg der, dass diese einem dann nicht mehr gehört. Das heißt, sollte man diese in Zukunft verkaufen wollen, könnte man es nicht mehr.

Häufig sind Immobilien Teil der Altersvorsorge, und zwar nicht nur in Bezug auf Nutzung der Erträge aus Immobilien, das ist einem durch die Nutzung des Nießbrauchsrechts ja vorbehalten, sondern auch in Bezug auf den Verkauf und die Mitnahme der Wertsteigerung, die in der Zwischenzeit erfolgt sein könnte. Das kann man dann nur noch eventuell mit demjenigen, auf den die Immobilie übertragen wurde, gemeinsam gestalten.

Und dieser Schritt ist irreversibel?

Tobias Scheidacker: Sobald man das Eigentum überträgt, ist es weg. Dann ist der Verkauf nicht mehr möglich.

Weitere Vor- und Nachteile sind wie bereits erwähnt sehr individuell und verschieden. Alles hängt letztendlich davon ab, was man für eine Familie hat und wie die Beziehung untereinander ist. Beziehungen können sich auch im Laufe der Zeit verändern.

Als abschließende Frage noch kurz zum Thema „Testamente“: Gibt es hierbei noch etwas Steuerrechtliches, was zu beachten wäre?

Tobias Scheidacker: Bei vielen Testamenten spielen Steuern im Hintergrund sicherlich eine Rolle. Die Wahl der Gestaltung kann einen erheblichen Unterschied machen.

Zum Beispiel das sog. Berliner Testament. Bei diesem setzen sich Eheleute gegenseitig als Alleinerben ein und nach dem Letztversterbenden die Kinder. Das ist sehr weit verbreitet. Nun ist es allerdings so, dass Eheleute, wie eingangs erwähnt, einen Freibetrag in Höhe von 500.000 Euro und Kinder einen Freibetrag in Höhe von 400.000 Euro genießen. Wenn sich nun die Eheleute gegenseitig zu Alleinerben einsetzen und einer der beiden verstirbt, fällt auf das Vermögen abzüglich des Freibetrages die Erbschaftssteuer an. Sollte dann der Partner auch dahinscheiden, geht das kumulierte Vermögen gebündelt an die Kinder über, wobei hier die Steuerlast deutlich höher ausfällt.

Entscheidet man sich hier dazu, die Kinder bereits im ersten Erbfall mit einzuschließen, und diese Frage sollte man sich bei solch hohen Vermögenswerten durchaus stellen, können mehrere Freibeträge, in dem Fall die des Ehepartners und die der Kinder, geltend gemacht werden, sodass dort schon erst ab einer höheren Schwelle die Erbschaftssteuer einsetzt. Und man poolt nicht das gesamte Vermögen beim zweiten Ehepartner, sodass dann nach dessen Erbfall das Volumen nicht so hoch ist wie bei einem Berliner Testament. Also solche Gedanken lohnen sich bei größeren Volumina durchaus, um möglichst viel des erarbeiteten Vermögens an die nächste Generation der Familie übertragen zu bekommen.

Herr Scheidacker, vielen Dank für das Interview.


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