Erbverzicht der Eltern führt nicht zum höheren Freibetrag für Enkel bei der Erbschaftsteuer
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Können Enkel den Freibetrag von 400.000 Euro geltend machen, der normalerweise den Kindern des Erblassers zusteht?
Unter bestimmten Umständen kann auch ein Enkel diesen erhöhten Freibetrag beanspruchen – etwa, wenn sein eigener Elternteil bereits verstorben ist. Doch ein bloßer Erbverzicht der Eltern reicht nach einer aktuellen Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) nicht aus (Urteil vom 31.07.2023 – II R 13/22).
In dem entschiedenen Fall hatte ein Vater gegenüber seinem eigenen Vater vertraglich auf sein gesetzliches Erbrecht verzichtet. Erbrechtlich hatte der Vater somit keine Ansprüche. Als der Großvater dann starb, wurde der Enkel zu dessen gesetzlichen Erben. Er forderte den höheren Freibetrag von 400.000 Euro, weil er sich in derselben Situation sah wie ein Enkel, dessen Elternteil tatsächlich bereits verstorben ist.
Das Finanzamt sah das anders und gewährte nur den Freibetrag von 200.000 Euro, der regulär Enkeln zusteht, wenn die Elterngeneration noch lebt (§ 16 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG). Der Enkel zog vor Gericht, scheiterte aber sowohl vor dem Finanzgericht Niedersachsen als auch vor dem BFH.
Entscheidung des BFH:
Der BFH stellte klar, dass nur Enkel, deren Elternteil vor dem Großelternteil tatsächlich verstorben ist, den höheren Freibetrag von 400.000 Euro beanspruchen können (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 ErbStG). Ein Elternteil, der lediglich durch Erbverzicht „als verstorben gilt“, löst diese Begünstigung nicht aus. Die gesetzliche Intention liegt darin, die Versorgung von Enkelkindern sicherzustellen, wenn die mittlere Generation tatsächlich nicht mehr lebt und nicht mehr für ihren Nachwuchs sorgen kann.
Im Fall eines bloßen Erbverzichts bleibt der Elternteil hingegen am Leben und kann den Enkel finanziell unterstützen oder zu einem späteren Zeitpunkt selbst vererben. Eine Doppelbegünstigung – also sowohl ein hoher Freibetrag für den Enkel als auch für dessen lebenden Elternteil – wollte der Gesetzgeber vermeiden. Der BFH sah die entsprechende Regelung als verfassungsgemäß an.
Praxishinweis:
Erbverzichte haben viele Facetten und müssen gut durchdacht sein. Wer auf sein gesetzliches Erbrecht verzichtet, um möglicherweise den Enkeln einen höheren Freibetrag zu sichern, geht leer aus. Der Vorteil, der nur an tatsächlich „verwaiste“ Enkel gerichtet ist, lässt sich nicht durch vertragliche Gestaltungen erzwingen.
Betroffene sollten sich frühzeitig beraten lassen. Ein anwaltlicher Rat hilft dabei, die bestehenden Freibeträge optimal zu nutzen, Testamente und Erbverträge passgenau zu gestalten und kostspielige Irrtümer bei der Erbschaftsteuer zu vermeiden.
Rechtsanwalt Can Kaya, Paderborn
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