Erwerbsobliegenheit nachehelicher Unterhalt: Zahnarztfrau m. Abi muss auch im „Call-Center“ arbeiten
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Eine 44-jährige geschiedene Zahnarztfrau kann vier Jahre nach der Scheidung auch dann auf den Arbeitsmarkt für un- und angelernte Kräfte verwiesen werden, wenn sie das Abitur erworben und ein Lehramtsstudium im Zusammenhang mit der Eheschließung abgebrochen hat.
Nicht alle Zahnarztfrauen sind mit lukrativen Werbeverträgen für Zahnpasta ausgestattet. Manchmal müssen sie - auch wenn sie selbst studiert haben - in der Praxis des Gatten „mit ran", zum Beispiel als Empfangskraft. Das kann sich nach der Scheidung als Pferdefuß erweisen, wenn es nämlich im Rahmen der Unterhaltbemessung um die Frage geht, welche Erwerbstätigkeit einer Unterhalt für die Pflege und Erziehung der - hier 12- und 15jährigen - Kinder begehrenden Ex-Frau zuzumuten ist. Das OLG Celle (Az.: 17 UF 154/09) befand, dass der ehemaligen Zahnarztfrau auch die Ausübung ungelernter Tätigkeiten ähnlicher Art grundsätzlich zuzumuten sei.
Früher als Empfangskraft in der Praxis des Mannes gearbeitet
Das gilt jedenfalls dann, wenn sie während der Ehezeit mehrere Jahre als ungelernte Empfangskraft in der Praxis des Ehemannes mitgearbeitet hat, so das OLG Celle:
„Die Angemessenheit der Erwerbstätigkeit bemisst sich nach den in ihrer Gesamtheit zu würdigenden Kriterien des § 1574 Abs. 2 BGB. Diese sind die Ausbildung, die Fähigkeiten, das Lebensalter, der Gesundheitszustand und - insoweit durch das Unterhaltsrechtsreformgesetz neu eingefügt - die frühere Erwerbstätigkeit des geschiedenen Ehegatten. Eine früher ausgeübte Erwerbstätigkeit wird dabei regelmäßig als angemessen anzusehen sein."
Das OLG billigt ausdrücklich die Abwägung des Familiengerichts, „dass die Beklagte nach dem Abbruch ihres Studiums zwischen 1991 und 1994 als ungelernte Empfangskraft in der Zahnarztpraxis des Klägers erwerbstätig gewesen ist, und ihr deshalb auch auf die Ausübung ungelernter Tätigkeiten ähnlicher Art grundsätzlich zuzumuten ist." Auch, dass die Frau immerhin Abitur habe, stehe ihrer Verweisung auf den Arbeitsmarkt für ungelernte Kräfte nicht entgegen.
Keine Lebensstandardgarantie im neuen Unterhaltsrecht
Auf eine Art „Bestandsschutz" könne sich die Unterhaltsberechtigte ebenfalls nicht berufen. Die ehelichen Lebensverhältnisse, nach der alten Rechtslage noch als gleichberechtigtes Merkmal zur Prüfung der Angemessenheit im Gesetz verankert, wurden durch das Unterhaltsrechtsreformgesetz in ihrer Bedeutung herabgesetzt und zu einem bloßen Billigkeitskorrektiv heruntergestuft (§ 1574 Abs. 2 BGB).
Gebot der nachehelichen Eigenverantwortung
Außerdem stehe die Berücksichtigung der ehelichen Lebensverhältnisse auch unter dem nun vorrangig zu beachtenden Gebot der nachehelichen Eigenverantwortung. Da dem neuen Recht mithin eine dauerhafte und unbeschränkte Lebensstandardgarantie nicht mehr immanent sei, verliere der Gedanke der Bewahrung einer durch die ehelichen Lebensverhältnisse vermittelten sozialen Stellung mit zunehmender Zeitdauer seit Rechtskraft der Scheidung an unterhaltsrechtlicher Bedeutung.
Eheangemessene Erwerbstätigkeit
Fünf Jahre nach der Scheidung sei es deshalb nicht mehr unangemessen, die Ex-Zahnarztfrau auf un- oder angelernte Beschäftigungen als Verkaufshilfe, Call-Center-Agent oder auf einfache kaufmännische Tätigkeiten in Büros oder Praxen zu verweisen.
Ernsthafte Bemühungen um eine solche eheangemessene Erwerbstätigkeit hatte die Unterhaltsberechtigte aber nicht vorgetragen, so dass das Gericht ihr insoweit ein fiktives Einkommen zurechnete und einen auf § 1573 Abs. 1 BGB gestützten Teilanspruch versagte.
(OLG Celle, Urteil vom 11.3.2010, 17 UF 154/09)
Quelle: Haufe online
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