Fahrlässige Tötung oder Körperverletzung als strafrechtliches Problem in der ärztlichen Praxis

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Arztstrafrecht – fahrlässige Tötung und Körperverletzung

Die fahrlässige Tötung nach § 222 StGB und die fahrlässige Körperverletzung nach § 229 StGB sind mit Abstand die am häufigsten zu untersuchenden Fehlervorwürfe in Arztstrafverfahren. Beide Delikte gehören damit zum Kernbereich des Arztstrafrechts. Die Strafbarkeit des Arztes ergibt sich natürlich nicht schon bei einem Misserfolg. Vielmehr muss durch die Fahrlässigkeit der tatbestandsmäßige Erfolg verursacht werden. Dabei handelt fahrlässig, wer die objektiv gebotene Sorgfalt außer Acht lässt, zu der er nach den Umständen und seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet und imstande ist, und gerade durch das pflichtwidrige Tun/Unterlassen den inkriminierten Erfolg herbeiführt, der objektiv und für den Täter subjektiv voraussehbar und vermeidbar war. Hat der Täter dabei die Möglichkeit des Erfolgseintritts nicht erkannt, spricht man von einer unbewussten Fahrlässigkeit. Hat der Arzt vorwerfbar darauf vertraut, es würde schon alles gut gehen, so spricht man von einer bewussten Fahrlässigkeit. Das hört sich zunächst alles recht kompliziert an. In diesem Rechtstipp möchte ich die einzelnen Punkte für sie analysieren und zusammenfassen. Falls Sie darüber hinaus noch Fragen zum Thema haben, können Sie mich einfach via WhatsApp kontaktieren.


Notwendiger Kausalzusammenhang

Die Fahrlässigkeit ist nicht schon zu bejahen, sofern eine Sorgfaltspflichtverletzung vorliegt. Der Arzt muss vielmehr durch sein sorgfaltswidriges Handeln die Körperverletzung oder den Tod des Patienten verursacht haben. Es muss also ein Ursachenzusammenhang hergestellt werden können. Dieser liegt vor, wenn die haftungsbegründende Ursache (Sorgfaltspflichtverletzung) nicht hinweggedacht werden könnte, ohne dass der tatbestandsmäßige Erfolg (Körperverletzung oder Tod) mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit entfiele. Aus diesem Ursachenzusammenhang lassen sich einige Schlussfolgerungen ziehen:

Alle Bedingungen sind gleichwertig. Begeht der Arzt also mehrere Behandlungsfehler, die für sich genommen unzureichende Ursachen wären, genügt es für die Bejahung des Ursachenzusammenhangs, wenn der Erfolg bei Vermeidung aller Pflichtverstöße hätte vermieden werden können. Eine Verursachung durch einen bestimmten einzelnen dieser Fehler muss nicht nachgewiesen werden.

Ein Dazwischentreten eines vorsätzlich der fahrlässig handelnden Dritten unterbricht den Kausalzusammenhang nicht. So ist der Behandlungsfehler des Chirurgen auch dann kausal, wenn dem Intensivmediziner später ebenfalls ein Fehler unterläuft oder der Patient seine Verletzung aus Versehen selbst verschlimmert. Wird der Patient nach einem Behandlungsfehler von einem anderen Arzt weiterbehandelt, entfällt die Kausalität der Erstbehandlung nur, wenn der Fehler sich nicht auf den weiteren Krankheitsverlauf auswirkt.

Die Kausalität wird dagegen bei einem Abbruch der Kausalkette beseitigt. Wird beispielsweise ein Medikament falsch dosiert, sodass es nach einigen Tagen tödlich wirken würde, wird die Kausalkette unterbrochen, wenn der Patient vorher durch die Blutübertragung einer falschen Blutgruppe stirbt.

Die Kausalität ist auch bei der Beschleunigung des Erfolgseintritts zu bejahen. Wenn also der Patient aufgrund seiner Verletzung ohnehin sterben würde, ist der tödliche Behandlungsfehler des Arztes dennoch kausal.

Hypothetische Reserveursachen, die ohne den Behandlungsfehler eventuell zum selben Erfolg geführt hätten, sind unbeachtlich. Es kommt auf den konkreten Erfolg an.

Wenn zwei Fehler von verschiedenen Ärzten alternativ, also jede für sich alleine, für den Erfolgseintritt kausal sind, so ist die Kausalität für beide zu bejahen.


Objektive Sorgfaltspflichtverletzung

Ein Behandlungsmisserfolg indiziert nicht automatischen einen Behandlungsfehler des Arztes. Um die Fahrlässigkeit bejahen zu können, muss also eine Verletzung eines objektiv-typisierten Sorgfaltsmaßstabs vorliegen. Dafür kommt in Betracht:

Facharztstandard

Welche Maßnahmen zu welchem Zeitpunkt objektiv geboten sind, hängt vom Leitbild des besonnenen und umsichtigen Angehörigen des betreffenden Verkehrskreises ab. Konkret bedeutet das, dass auf die wissenschaftlich gesicherten Erkenntnisse und Erfahrungen einerseits und auf deren Anerkennung in der Wissenschaft andererseits abzustellen ist.

Gebotene Sorgfalt

Der Arzt muss alle Verletzungsmöglichkeiten und Risiken in seine Überlegungen mit einbeziehen. Steigt die Gefährlichkeit der Behandlung, ist steigt ebenso das Maß der erforderlichen Sorgfalt.

Erlaubtes Risiko

Es kommt bei einer Behandlungsmaßnahme nicht darauf an, ob sie in der Praxis allgemein durchgeführt wird, sondern darauf, ob von dem behandelnden Arzt das entsprechende Wissen verlangt und die ärztliche Maßnahme mit den vorhandenen technischen Mitteln vorgenommen werden kann.


Sorgfaltspflichtverletzung durch Tun und Unterlassen

Ein Fahrlässigkeitsverstoß kann sich durch ein aktives Tun des behandelnden Arztes, aber auch durch ein Unterlassen, also der Nichtvornahme einer medizinisch gebotenen Maßnahme, ergeben. Beispiele für ein aktives Tun sind unter anderem das Injizieren eines falschen Medikaments, Zuführung von Halothan anstatt Sauerstoff bei der Narkose, Operation des rechtsseitigen anstatt des linksseitigen Leistenbruchs, Amputation des gesunden anstatt des krebsbefallenen Lungenflügels, Verschreibung süchtig machender Medikamente. Beispiele für ein Unterlassen sind die nicht rechtzeitige Einweisung in ein Krankenhaus, die zu späte Operation bei Verdacht auf Peritonitis, die Nichtöffnung eines zu eng gelegten Gipsverbandes nach einem komplizierten Unterarmbruch, die verspätete Entscheidung zur Sectio, die Nichterhebung medizinisch zweifelsfrei gebotener Befunde, die Nichtvornahme von Maßnahmen zur Linderung von Schmerzen und Atemnot.


Mögliche Fehler

Behandlungsfehler

Die Rechtsprechung hat sich immer mehr von dem im Alltag gebräuchlichen Begriff des Kunstfehlers verabschiedet. Ein Behandlungsfehler liegt imstande der Medizin unsachgemäßes Verhalten des Arztes. Beispiele hierfür sind fehlende oder unzulängliche Voruntersuchung, die falsche Methodenwahl, der Diagnosefehler oder ein Verstoß gegen die Hygienebestimmungen.

Organisationsfehler

Der Chefarzt ist dafür zuständig, die Organisation der Patientenbehandlung zu organisieren. Mögliche Fehlerquellen sind beispielsweise fehlender Ausbildungs- und Erfahrungsstand einzelner Mitarbeiter, unzureichende Abstimmung verschiedener zu treffender Maßnahmen, die Entstehung von Leerstellen, bei der Aufgabenzuweisung, für die sich niemand zuständig fühlt.

Aufklärungsmangel

Die genaue Aufklärung über den jeweiligen Heilangriff ist besonders wichtig. Gerade wenn neue Verfahren am Patienten angewendet werden, muss dieser darüber und über alle möglichen Risiken aufgeklärt werden. Aus einer mangelnden Erfahrung kann sich schnell ein fahrlässiger Arztfehler ergeben.


Anwaltliche Vertretung bei einem Arztfehler - Ich helfe bundesweit

Steht der Verdacht der fahrlässigen Körperverletzung oder der fahrlässigen Tötung im Raum, sollte dringend ein Anwalt zurate gezogen werden. Der Vorwurf eines Arztfehlers ist aus mehreren Gesichtspunkten heraus unangenehm. Aus der Sicht des Patienten und seiner Angehörigen wiegt natürlich der konkrete Taterfolg sowie die Erschütterung des Vertrauensverhältnisses schwer. Aber auch der Arzt befindet sich in einer schwierigen Situation. Setzt er sich täglich für die Genesung der Patienten ein, steht plötzlich der Vorwurf einer Körperverletzung oder gar einer Tötung im Raum. Und dabei ist die Beantwortung der Frage, ob wirklich ein Arztfehler vorgelegen hat, oft schwer zu beantworten. Liegt wirklich eine Verletzung des Sorgfaltsmaßstabs vor? War dieser auch kausal? Wäre der Erfolg auch eingetreten, wenn der Arzt sorgfaltsmäßig gehandelt hätte? Bei dem Vorwurf der fahrlässigen Körperverletzung oder der fahrlässigen Tötung aufgrund eines Behandlungsfehlers bin ich bereit, Sie zu beraten und in einem Strafverfahren zu vertreten. Ich setze mich dafür ein, dass die facettenreichen Fragestellungen, die sich im Arztstrafrecht ergeben, optimal geklärt werden.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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