Fristlose Kündigung wegen Wettbewerbsverstoß: Ein Weckruf für Unternehmen!
- 4 Minuten Lesezeit

Die unerlaubte Weitergabe von Kundenkontakten oder Geschäftsgeheimnissen an Wettbewerber oder private E-Mail-Accounts kann für Arbeitnehmer schwerwiegende Folgen haben - bis hin zur fristlosen Kündigung. Das aktuelle Urteil des LAG Köln zeigt, dass die Gerichte zunehmend strengere Maßstäbe an die Verletzung von Loyalitätspflichten anlegen.
Der Fall ist aber nur ein Beispiel für eine größere Entwicklung: Illoyales Verhalten, Datenweitergabe und unberechtigte Datenlöschung werden von den Arbeitsgerichten immer seltener toleriert. Insbesondere Datenschutzverletzungen und der Schutz von Unternehmensinformationen stehen im Fokus.
In diesem Beitrag beleuchten wir aktuelle Urteile, zeigen rechtliche Risiken auf und geben konkrete Handlungsempfehlungen für Arbeitgeber und Führungskräfte, um sich rechtlich abzusichern und proaktiv gegen mögliche Verstöße vorzugehen.
von Dr. Marc Laukemann und Jens Arne Former*
LAG Köln: Kundenkontakte an Konkurrenz weitergeleitet – Fristlose Kündigung bestätigt!
Das LAG Köln (Urt. v. 6.6.2024 – 6 Sa 606/23) hat entschieden: Die unautorisierte Weiterleitung von Kunden-E-Mails an ein Konkurrenzunternehmen stellt einen erheblichen Loyalitätsverstoß dar und rechtfertigt eine fristlose Kündigung.
Doch dieses Urteil ist mehr als nur eine Einzelfallentscheidung – es ist ein Weckruf für Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichermaßen! In einer Zeit, in der sensible Geschäftsgeheimnisse mit wenigen Klicks an Dritte weitergeleitet werden können, setzen die Gerichte zunehmend schärfere Maßstäbe an die Verletzung von Loyalitätspflichten und Wettbewerbsverstöße.
1. Der Fall: Vertriebsleiter spielt doppelt – und verliert seinen Job
Ein Vertriebsleiter in der Abfall- und Kunststoffverwertung leitet Kunden-E-Mails mit Geschäftsinformationen an ein Unternehmen weiter, das er selbst mit seinem Bruder gegründet hat. Dieses Unternehmen tritt zwar noch nicht aktiv am Markt auf, betreibt jedoch bereits eine Internetpräsenz mit werblichen Angeboten.
Die Folge: Fristlose Kündigung!
Das LAG Köln bestätigt die Entscheidung des Arbeitgebers und stellt klar:
✅ Die Konkurrenzfirma war bereits aktiv am Markt – durch eine InternetpräsenzDie Weiterleitung von Kundenkontakten an ein Konkurrenzunternehmen stellt eine schwerwiegende Pflichtverletzung darEine vorherige Abmahnung war nicht erforderlich, da der Vertrauensbruch gravierend war
Der Fall zeigt:
Verstöße gegen vertragliche Wettbewerbsverbote und Geheimhaltungspflichten haben nicht nur theoretische Bedeutung – sie können handfeste arbeitsrechtliche Konsequenzen haben.
2. Wettbewerbsverstöße, Datenschutzverstöße und illoyales Verhalten: Die große Linie der Rechtsprechung
Das Urteil des LAG Köln ist Teil einer breiteren Entwicklung in der Rechtsprechung, die zeigt:
Illoyalität im Arbeitsverhältnis wird immer weniger toleriert.
Hier einige wegweisende Urteile zu verwandten Pflichtverstößen:
🔹 LAG Hamm: Einmalige Weiterleitung an privaten E-Mail-Account – kein Kündigungsgrund
(Urt. v. 16.1.2012 – 7 Sa 1201/11)
- Eine einmalige Weiterleitung einer dienstlichen E-Mail an die eigene private Adresse rechtfertigt keine fristlose Kündigung.
- Aber Achtung: Wenn sensible Unternehmensdaten betroffen sind oder eine Weitergabe an Dritte erfolgt, kann die Bewertung anders ausfallen.
🔹 LAG Berlin-Brandenburg: E-Mail-Weiterleitung zur Vorbereitung eines Arbeitgeberwechsels – Kündigung gerechtfertigt!
(Urt. v. 16.5.2017 – 7 Sa 38/17)
- Arbeitnehmer leitet gezielt betriebliche Informationen an seine private Adresse weiter, um sich auf seinen neuen Job bei einem Wettbewerber vorzubereiten.
- Folge: Fristlose Kündigung wegen schwerwiegender Verletzung der vertraglichen Rücksichtnahmepflichten.
🔹 LAG Hamburg: Datenlöschung als Kündigungsgrund – aber mit Beweisproblemen
(Urt. v. 17.11.2022 – 3 Sa 17/22)
- Die Löschung betrieblicher Daten kann eine fristlose Kündigung rechtfertigen.
- Aber: Der Arbeitgeber muss genau nachweisen, welche Daten gelöscht wurden und warum dies relevant war.
🔹 OLG München: Datenschutzverstöße als Kündigungsgrund – Ein Paukenschlag!
(Urt. v. 31.7.2024 – 7 U 351/23)
- Die systematische Weiterleitung dienstlicher E-Mails mit sensiblen Daten an eine private Adresse kann nicht nur arbeitsrechtliche, sondern auch datenschutzrechtliche Konsequenzen haben.
- Verstöße gegen die DS-GVO – die Weiterleitung geschäftlicher E-Mails an die private E-Mail Adresse stellt eine Verarbeitung iSd Art. 4 Nr. 2 DS-GVO dar, die nicht durch eine Einwilligung der betroffenen Personen gedeckt war (Art. 6 Abs. 1 lit. a DS-GVO - wurden vom Gericht als erhebliche Pflichtverletzung bewertet.
- Besonders relevant: Auch Geschäftsführer und Vorstände sind hiervon nicht ausgenommen!
3. Praxisproblem: Langwierige Verfahren – Unsicherheit für Unternehmen
Ein besonders brisanter Aspekt im Fall des LAG Köln ist die Dauer des Verfahrens:
Zwischen der Kündigung und der abschließenden rechtskräftigen Entscheidung lagen über viereinhalb Jahre!
Für Unternehmen bedeutet das eine enorme Rechtsunsicherheit:
- Über Jahre hinweg besteht die Unsicherheit, ob eine Kündigung vor Gericht Bestand hat.
- Der Grundsatz „Schnelles Recht ist gutes Recht“ wird im Arbeitsrecht oft nicht eingehalten.
- Eine einstweilige Verfügung kann in akuten Fällen ein schnelleres Vorgehen ermöglichen, ist aber nicht immer durchsetzbar.
4. Zusätzlicher Risikofaktor: Die Löschung von Firmendaten
Neben der unautorisierten Weiterleitung von Daten an private E-Mail-Accounts ist ein weiteres häufiges Problem: Das gezielte Löschen von Firmendaten auf Dienstrechnern durch ausscheidende Mitarbeiter.
Dies kann nicht nur arbeitsrechtliche und datenschutzrechtliche Konsequenzen haben, sondern auch strafrechtlich relevant sein!
🚨 Strafbarkeit des Datenlöschens – Ein unterschätztes Risiko!
Das unbefugte Löschen von Firmendaten kann unter anderem folgende Strafbestände erfüllen:
- Datenveränderung (§ 303a StGB)
- Computerbetrug (§ 263a StGB)
- Betriebs- und Geschäftsgeheimnisverletzung (§ 23 GeschGehG)
Das OLG München hat in einem vielbeachteten Urteil festgestellt, dass insbesondere Geschäftsführer und leitende Angestellte sich durch die Manipulation oder Löschung von Unternehmensdaten strafbar machen können.
Mehr zu diesem Thema und den strafrechtlichen Risiken für Geschäftsführer und Arbeitnehmer finden Sie hier:
➡️ Strafbarkeit des Geschäftsführers durch das Kopieren von Firmendaten
5. Handlungsempfehlungen für Arbeitgeber
Arbeitsverträge auf klare Wettbewerbsverbote und Geheimhaltungspflichten prüfen. Schulung der Mitarbeiter über den Umgang mit sensiblen Daten.Technische Sicherheitsmaßnahmen implementieren (z. B. Verhinderung von Massen-Downloads oder automatisierte Prüfungen auf verdächtige Datenweiterleitungen).Bei Verdachtsfällen: Schnelles, gerichtsfestes Vorgehen durch interne Untersuchungen.Ggf. einstweilige Verfügungen prüfen, um schneller handeln zu können.
Fazit: Illoyalität, Datenweitergabe und Datenlöschung – Hohe Risiken für Unternehmen!
Die aktuellen Urteile zeigen klar: Arbeitsgerichte tolerieren keine massiven Loyalitätsverstöße mehr.
Wer gegen Wettbewerbsverbote, Geheimhaltungspflichten oder Datenschutzvorgaben verstößt, riskiert die sofortige Kündigung – und oft auch weitere rechtliche Konsequenzen!
Unsere Kanzlei unterstützt Unternehmen, Geschäftsführer und Führungskräfte in allen Fragen des Arbeitsrechts, Wettbewerbsverbots und Datenschutz-Compliance (www.wir-beraten-unternehmer.de).
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Weiterführende Beiträge:
📌 Weiterleitung von Firmen-E-Mails an private Accounts – Ein gefährlicher Fehler für Geschäftsführer
📌 Strafbarkeit des Geschäftsführers durch das Kopieren von Firmendaten
Zum Beitrag: https://www.lfr-law.de/frage-der-strafbarkeit-des-geschaeftsfuehrers-durch-das-kopieren-von-firmendaten
* Rechtsanwalt und Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz Dr. Marc Laukemann und Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Jens-Arne Former sind Gründungspartner von LFR Wirtschaftsanwälte München. Beide sind auch Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht und beschäftigen sich seit Jahren mit Streitigkeiten im Zusammenhang mit Wechsel von Arbeitnehmer zu Wettbewerbern des früheren Arbeitgebers. Der Beitrag geht auf konkrete Nachfrage aus der Praxis zurück.
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