Greenwashing: Anforderungen an Werbung mit Aussagen zu besonderer Nachhaltigkeit und besonderem Klimaschutz

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BGH, Urteil vom 27. Juni 2024 – I ZR 98/23 („Klimaneutral“); LG Hamburg, Urteil vom 09. August 2024 – 315 O 9/24 („Dekarbonisierter Kreuzfahrtbetrieb“)

Rechtsanwalt Jonas Straßer


Greenwashing (im engeren Sinne) bezeichnet den Versuch von Werbenden, sich durch Marketingstrategien und Kommunikation umweltfreundlicher darzustellen, als sie es tatsächlich sind. Oft werde einzelne umweltfreundliche Ziele und Standards dargestellt, während gleichzeitig umweltschädliche Praktiken verschleiert werden. Mit diesem Newsletter wollen wir Ihnen anhand jüngster Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Landgerichts Hamburg gesetzliche Anforderungen an eine mit Umweltfreundlichkeit betitelte Werbung darstellen.


Gewerberecht: Beeinflussung von Verbrauchern

Klima- und Umweltschutz beeinflusst Kaufentscheidungen von Verbrauchern wesentlich (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 10. November 2022 – Az. 6 U 104/22). Marketingstrategien haben diese Relevanz längst erkannt und fokussieren Umweltfreundlichkeit in ihrer Werbung in jeder Hinsicht. Aufgrund der Relevanz für die Kaufentscheidungen von Verbrauchern entstehen immer mehr gewerberechtliche Anforderungen an eine zulässige umweltschutzführende Werbung, denn die Irreführungsgefahr ist groß. Es besteht ein gesteigertes Interesse und Aufklärungsbedürfnis über die Bedeutung und den Umfang der Werbung (vgl. LG Hamburg, Urteil vom 09. August 2024 – 315 O 9/24). Brisanz entsteht zugleich, denn die sich jüngst entwickelten Standards gewerberechtlicher umweltschutzführender Werbung sind wohl noch nahezu nicht berücksichtigt in der Werbung vieler Betriebe und Unternehmen. Damit besteht ein Abmahnrisiko von zugelassenen Verbraucherschutzverbänden, Mitwerber, Kunden etc.


Werbung mit der Aussage „klimaneutral“

Der Bundesgerichtshof entschied zuletzt, dass Werbung mit dem Titel „klimaneutral“ unzulässig ist (BGH, Urteil vom 27. Juni 2024 – I ZR 98/23). Die Feststellung beruht darauf, dass der Verbraucher die Aussage „klimaneutral“ dahingehend versteht, dass der Herstellungsprozess selbst klimaneutral ausgestaltet ist, während tatsächlich jedoch Klimaneutralität lediglich durch eine produktionsunabhängige Kompensation erreicht wurde. Der Bundesgerichtshof urteilte, dass „eine Werbung mit einem mehrdeutigen umweltbezogenen Begriff (…) regelmäßig nur dann zulässig ist, wenn in der Werbung selbst erläutert wird, welche konkrete Bedeutung diesem Begriff zukommt. (…) Aufklärende Hinweise außerhalb der umweltbezogenen Werbung sind nicht ausreichend.“ (BGH, Urteil vom 27. Juni 2024 – I ZR 98/23). Im konkreten Fall wurde dem Unternehmen untersagt, alleine mit dem Begriff Klimaneutralität zu werben, wenn jedoch Klimaneutralität nur durch Kompensation der eigenen Umweltbelastung erreicht wird.


Werbung mit der Aussage „2050 Dekarbonisierter Kreuzfahrtbetrieb (Net-zero)“ 

Vor gleichen Rechtsgrund hat jüngst das Landgericht Hamburg entschieden, dass die Bewerbung mit der Aussage „2050 Dekarbonisierter Kreuzfahrtbetrieb (Net-zero)“ unzulässig ist. Denn auch hier sei Irreführung gegeben aufgrund der Mehrdeutigkeit des Werbebegriffs. Das beklagte Kreuzfahrtunternehmen werbe nach Feststellung des Gerichts irreführend, denn es sei nicht erkennbar, dass im Kreuzfahrbetrieb im Jahr 2050 CO2-Emissionen vollständig vermieden werden oder nur mittels Kompensationsmaßnahmen eine ausgeglichene Bilanz entsteht. An die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Aussagen im Bereich der umweltbezogenen Werbung seien strenge Anforderungen zu stellen. Nicht selten bestehen Unklarheiten über Bedeutung und Inhalt der (…) Begriffe, weshalb im Bereich der umweltbezogenen Werbung eine Irreführungsgefahr besonders groß ist.“ (LG Hamburg, Urteil vom 09. August 2024 – 315 O 9/24).


Stellungnahme

Die hier besprochenen Gerichtsurteile bringen Klarheit über die bis heute verschärften gesetzlichen Anforderungen an eine mit Umweltfreundlichkeit betitelte Werbung: Sie muss eindeutig bereits aus sich heraus sein und darf den Verbraucher weder täuschen noch sonst im Unklaren lassen. Weil schnell mit Begriffen wie „Klimaneutralität“ und „Umweltfreundlichkeit“ im Alltag geworben wird, besteht großflächig Anlass, das eigene Werbekonzept zu hinterfragen und anzupassen. Zugleich wird die Rechtsprechung im Bereich umweltbezogener Werbung weitere Entscheidungen in den nächsten Jahren mit Anforderungen an zulässige Werbung im Detail präsentieren und konkretisieren, denn gerade die mit Umweltschutz verbundene Perspektive in die Zukunft wird per se Unklarheiten mit sich bringen. Hinzu kommen einige gesetzgeberische Vorhaben, u.a. mit dem Ziel Klarheit für Unternehmen und Betriebe zu schaffen (Stichwort: Green Claims Directive). Entsprechende Vorgaben werden umgesetzt und berücksichtigt werden müssen.


Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass es sich bei vorgenannten Ausführungen lediglich um eine Momentaufnahme des aktuellen Sachstands handelt, der sich jederzeit ändern kann. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird das generische Maskulinum verwendet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten im Sinne der Gleichbehandlung für alle Geschlechter. Die verkürzte Sprachform hat lediglich redaktionelle Gründe und beinhaltet keine Wertung.

Foto(s): Pixabay

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