Das Hauptverfahren: Was man als Angeklagter zum Ablauf und Inhalt wissen muss
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Wurden Sie als Angeklagter zu einem Hauptverfahren geladen? Dann sollten Sie sich darauf gründlich vorbereiten. In diesem Ratgeber erfahren Sie, wie eine Hauptverhandlung abläuft und welche Rechte Sie als Angeklagter haben. Außerdem liefern wir Ihnen hilfreiche Tipps zum Verhalten vor Gericht.
Wann kommt es zu einem Hauptverfahren?
Bevor ein Hauptverfahren stattfinden kann, muss durch eine Anzeige oder durch einen Strafantrag oder von Amts wegen ein Ermittlungsverfahren eingeleitet werden. Die Staatsanwaltschaft reicht dann die Anklageschrift beim zuständigen Gericht ein. Im Fall eines Strafbefehls kommt es nur zur Verhandlung, wenn der Beschuldigte Einspruch erhebt. Sonst wird das verhängte Strafmaß rechtskräftig. Im Zwischenverfahren entscheidet der zuständige Richter, ob hinreichender Tatverdacht vorliegt und ein Hauptverfahren eröffnet wird.
Dem Angeschuldigten wird die Anklage beziehungsweise der Strafbefehl per Post zugestellt. Er hat die Gelegenheit, einen Verteidiger zu beauftragen. Mit der Unterstützung eines erfahrenen Strafverteidigers können die Chancen des Angeklagten entscheidend verbessert werden.
Vorgang des Hauptverfahrens: Wie läuft die Hauptverhandlung ab?
Das Hauptverfahren in erster Instanz beginnt mit der Vorbereitung der Hauptverhandlung und endet mit deren Abschluss.
Vorbereitung der Hauptverhandlung
Der Gerichtsvorsitzende bestimmt den Termin der Hauptverhandlung und ordnet die erforderlichen Vorladungen an. Diese betreffen neben dem Angeklagten und dem Verteidiger die weiteren Prozessbeteiligten wie z. B. Zeugen, Sachverständige und Nebenkläger. Außerdem werden alle Beweismittel bereitgestellt. Schließlich wird dem Angeklagten der Eröffnungsbeschluss zugestellt.
Durchführung der Hauptverhandlung (§§ 243 ff. Strafprozessordnung)
Mit dem Aufruf der Sache durch den Richter beginnt die Hauptverhandlung. Nachdem der Vorsitzende die Anwesenheit der Prozessbeteiligten festgestellt hat, werden die Zeugen und Sachverständigen belehrt und verlassen im Anschluss den Saal. Nun vernimmt der Richter den Angeklagten über seine persönlichen Angaben. Es folgt das Verlesen der Anklageschrift durch die Staatsanwaltschaft. Der Vorsitzende gibt daraufhin bekannt, ob Verständigungsgespräche stattgefunden haben, und falls ja, zu welchem Ergebnis diese geführt haben.
Nach der Belehrung des Angeklagten kann dieser vernommen werden. Dann beginnt die Beweisaufnahme: Währenddessen können auch Zeugen und Sachverständige befragt werden. Ist diese Phase abgeschlossen, werden die Schlussvorträge, die sogenannten Plädoyers, gehalten. Die Staatsanwaltschaft beginnt, es folgt der Angeklagte beziehungsweise dessen Verteidiger. Darauf darf der Staatsanwalt antworten.
Das letzte Wort hat jedoch immer der Angeklagte. Diese Aussage kann weitreichende Folgen haben, strafmildernd wirken, bietet aber gleichzeitig ein hohes Fehlerpotenzial. Es empfiehlt sich daher für Angeklagte dringend, den Schritt mit einem auf Strafrecht spezialisierten Anwalt zu besprechen. Er kann vor unbedachten Äußerungen schützen, damit diese Gelegenheit bestmöglich genutzt wird.
Nach der geheimen Beratung und Abstimmung des Gerichts endet die Hauptverhandlung mit der Urteilsverkündung: Nach dem Verlesen der Urteilsformel werden die wesentlichen Urteilsgründe eröffnet. Verurteilung, Freispruch, die Einstellung des Verfahrens und in seltenen Fällen das Adhäsionsverfahren sind mögliche Urteile. Wer Rechtsmittel gegen eine Entscheidung einlegen kann, wird an dieser Stelle darüber belehrt. Wird eine Strafe ausgesprochen und zur Bewährung ausgesetzt, werden außerdem die erforderlichen Beschlüsse bekannt gegeben. Die Zustellung des vollständigen Urteils an den Angeklagten erfolgt außerdem schriftlich.
Mit dem Ende der Hauptverhandlung schließt auch das Hauptverfahren. Die letzte Phase des Strafverfahrens stellt das Vollstreckungsverfahren dar, in dem die verhängte Strafe vollzogen wird. Ein Urteil in erster Instanz ist jedoch nicht zwingend das Ende des Rechtsprozesses, da unter Umständen auch Berufung oder Revision folgen können.
Unterbrechungen der Hauptverhandlung
Eine Hauptverhandlung muss nicht in einem Stück durchgeführt werden, sondern kann pausiert werden. Hat sie zuvor jeweils an mindestens zehn Tagen stattgefunden, kann sie auch bis zu drei Wochen unterbrochen werden.
Öffentlichkeit der Hauptverhandlung
Für Verhandlungen gilt der Öffentlichkeitsgrundsatz. Er soll der gerichtlichen Willkür sowie Heimlichkeiten auf Staatsseite vorbeugen und das Vertrauen in die Rechtsprechung stärken. Auch das Informationsinteresse der Allgemeinheit wird dadurch berücksichtigt. Medienvertreter dürfen Hauptverhandlungen beiwohnen, Ton- und Filmaufnahmen sind allerdings unzulässig. Durch sitzungspolizeiliche Maßnahmen kann der Richter das Zugangsrecht für Anwesende einschränken, wenn diese die Ordnung aufrechterhaltenden Anordnungen nicht befolgen.
In einigen Fällen wird die Öffentlichkeit allerdings von der Verhandlung oder Teilen davon ausgeschlossen. Das kann unter anderem bei Erörterungen in Familiensachen, bei besonderer Belastung für Kinder und bei Verfahren wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen der Fall sein. Auch wenn die Gefährdung eines Zeugen zu befürchten ist oder wichtige Steuergeheimnisse zur Sprache kommen könnten, kann eine Verhandlung unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden.
Wichtige Tipps: So verhalten Sie sich als Angeklagter in der Hauptverhandlung richtig
Spätestens zur Hauptverhandlung sollten Sie als Angeklagter unbedingt einen Verteidiger beauftragen, damit Ihre Interessen vor Gericht fachkundig vertreten werden. Um sich vorzubereiten, können Sie z. B. vorab andere Strafverhandlungen, gegebenenfalls des später zuständigen Richters, besuchen. So haben Sie Gelegenheit, sich ein Bild davon zu machen, welche Strukturen Sie in der Hauptverhandlung erwarten. Zum eigenen Prozess dürfen Sie als Beschuldigter eine vertraute Begleitperson mitnehmen. Dabei handelt es sich idealerweise um den eigenen Strafverteidiger.
Außerdem sollten Sie als Angeklagter einige Verhaltensregeln beachten: Pünktlich zu erscheinen, ist genauso wichtig wie die korrekte Anrede des Richters („Herr Richter“, „Frau Richterin“, nicht „Euer Ehren“; „Hohes Gericht“, wenn es kein Einzelrichter ist). Betritt oder verlässt der Vorsitzende den Gerichtssaal, haben Sie sich zu erheben. Das gilt auch für die Urteilsverkündung. Auf keinen Fall sollte die Verhandlung durch Zwischenrufe oder Bemerkungen gestört werden.
Welche Rechte hat man als Beschuldigter in der Hauptverhandlung?
Angeklagten stehen während der Hauptverhandlung verschiedene Rechte zu, denen sie sich bewusst sein sollten:
In der Hauptverhandlung besteht für den Angeklagten sowohl ein Anwesenheitsrecht als auch eine Anwesenheitspflicht.
Der Angeklagte hat Anspruch auf rechtliches Gehör.
Bei unzureichenden Deutschkenntnissen darf er einen Dolmetscher verlangen.
Wer unter Anklage steht, kann eigene Beweisanträge stellen.
Als Angeklagter darf die Aussage verweigert werden.
Die Wahl eines Strafverteidigers steht dem Angeklagten zu.
Befangenheitsanträge müssen möglich sein.
Es besteht ein Fragerecht an Zeugen und Sachverständige.
Dem Angeklagten muss es möglich sein, Rechtsmittel einzulegen (z. B. Berufung, Revision, Beschwerde).
Das Recht des letzten Wortes liegt beim Angeklagten.
Je nach Situation kann der Gebrauch einzelner Rechte weitreichende Folgen haben. Ihr Verteidiger kann Sie umfassend beraten, wann es in Ihrem Fall sinnvoll scheint, von einem speziellen Recht Gebrauch zu machen, und welche möglichen Folgen und Auswirkungen auf das weitere Verfahren dadurch entstehen können. Nur mithilfe der rechtlichen Expertise eines erfahrenen Anwalts können Sie Ihre Möglichkeiten möglichst sinnvoll ausschöpfen und so vermeiden, sich selbst am Ende zu schaden. Finden Sie jetzt den passenden Anwalt!
(LES)
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