In Betreuungssachen können auch Geschäftsunfähige wirksam einen Anwalt beauftragen!

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Nicht selten fühlen sich Personen, für die eine gesetzliche Betreuung besteht oder angeregt ist, ohnmächtig dem Handeln Dritter ausgesetzt. Sei es der Familienangehörige, der ohne Grund bei Gericht eine Betreuung anregt und behauptet, die betroffene Person sei nicht mehr geschäftsfähig. Sei es die Betreuerin, die den Betreuten nicht ernst nimmt und dessen Wünsche nicht befolgt. Sei es der Verfahrenspfleger, der weniger die Rechte des Betreuten, sondern mehr eine schnelle Erledigung der Aufgabe im Auge hat.

Alle Betroffenen können sich in solchen Situationen wehren, indem Sie einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragen. Das gilt ausdrücklich auch für Menschen, die nicht (mehr) geschäftsfähig sind.

Nach § 275 Abs. 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) ist der Betroffene in Betreuungssachen ohne Rücksicht auf seine Geschäftsfähigkeit verfahrensfähig. Wie das Oberlandesgericht Koblenz (Urteil v. 13.02.2014, 6 U 747/13) unter Verweis auf Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH) festgestellt hat, ist es ein wesentliches Ziel des § 275 FamFG, die Rechtsposition des Betroffenen auch im Verfahren zu stärken. In einem fairen Verfahren soll er eigenständiger Beteiligter und nicht Verfahrensobjekt sein.

Da es dem Betroffenen im Betreuungsverfahren häufig nur mit anwaltlicher Vertretung möglich ist, seine Rechte effektiv wahrzunehmen, gehört zur Stärkung seiner Rechtsposition auch die grundsätzliche Befugnis, jederzeit selbst einen Verfahrensbevollmächtigten zu bestellen (BGH, Beschluss v. 30.10.2013, XII ZB 317/13, Rn. 9). Dieses umfasst nicht nur die Bevollmächtigung des Rechtsanwalts, sondern auch dessen Beauftragung.

Unabhängig davon, ob der Betroffene im Zeitpunkt der jeweiligen Auftragserteilung geschäftsfähig ist (§ 104 Nr. 2 BGB) und ob der Abschluss des Anwaltsvertrags einem vom Betreuungsgericht angeordneten Einwilligungsvorbehalt (§ 1903 BGB) unterliegt, folgt aus § 275 FamFG, dass der Betroffene in Betreuungssachen einen Rechtsanwalt auch dann wirksam mit der anwaltlichen Vertretung beauftragen kann (§ 675 BGB), wenn nach materiellem Recht der Anwaltsvertrag wegen fehlender Geschäftsfähigkeit nicht wirksam geschlossen werden könnte (OLG Koblenz, aaO). Ist der Betroffene nach § 275 FamFG fähig, einem Rechtsanwalt zur anwaltlichen Vertretung Vollmacht zu erteilen, ist es nur folgerichtig, dass der Betroffene ungeachtet seiner etwaigen Geschäftsunfähigkeit und eines Einwilligungsvorbehalts auch die rechtliche Befugnis hat, den der Vollmachterteilung zugrunde liegenden schuldrechtlichen Geschäftsbesorgungsvertrag wirksam abzuschließen (vgl. auch LG Saarbrücken, Beschluss vom 7. Dezember 2004 - 5 T 581/04; Keidel/Budde, FamFG, 18. Aufl., § 275 Rdnr. 3; Prütting/Helms/Fröschle, FamFG, 2. Aufl., § 275 Rdnr. 12). Es wäre mit dem gesetzgeberischen Ziel des § 275 FamFG nicht vereinbar, wenn der Betroffene darauf angewiesen wäre, dass sein Betreuer den Abschluss eines Anwaltsvertrags genehmigt oder das Gericht zur Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen nach § 276 FamFG einen Verfahrenspfleger bestellt (vgl. LG Saarbrücken, Beschluss v 07.12.2004, 5 T 581/04, Rn. 13).

Weiter weist das OLG Koblenz in der angegebenen Entscheidung darauf hin, dass die Verfahrensfähigkeit und damit die Möglichkeit wirksam einen Rechtsanwalt zu beauftragen auch in den Fällen uneingeschränkt gegeben ist, in denen nach objektiven Maßstäben das Anliegen des Betreuten als unvernünftig erscheinen mag. Der Gesetzgeber hat die Gefahr, dass der Betroffene selbstschädigende Verfahrenshandlungen vornimmt, bewusst in Kauf genommen. Handelt der Betroffene gegen seine eigenen Interessen, kann das allenfalls Anlass sein, einen Verfahrenspfleger zu bestellen (Prütting/Helms/Fröschle, aaO). Die Bestellung eines Verfahrenspflegers soll jedoch unterbleiben oder aufgehoben werden, wenn die Interessen des Betroffenen von einem Rechtsanwalt oder einem anderen geeigneten Verfahrensbevollmächtigten vertreten werden (§ 276 FamFG).

Rechtstipp:
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass jeder in einem Betreuungsverfahren Betroffene einen Anwalt mit seiner Vertretung wirksam beauftragen kann. Bei nicht geschäftsfähigen Personen wird ein wirksames Rechtsgeschäft fingiert. Dieses betrifft sowohl die Erteilung der Anwaltsvollmacht als auch den abzuschließenden Anwaltsvertrag.

Ist das Einschreiten des Rechtsanwalts erfolgreich, besteht die Möglichkeit, dass die Staatskasse die durch dessen Inanspruchnahme entstandenen Kosten ganz oder teilweise erstattet. Immer dann, wenn eine Betreuungsmaßnahme abgelehnt, als ungerechtfertigt aufgehoben, eingeschränkt oder das Verfahren ohne Entscheidung über eine solche Maßnahme beendet wird, kann das Gericht die Auslagen des Betroffenen, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren, ganz oder teilweise der Staatskasse auferlegen (§ 307 FamFG).



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