Insolvenzfall – Hafte ich als Steuerberater bei verspätetem Insolvenzantrag?
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Insolvenzfall – Hafte ich als Steuerberater bei verspätetem Insolvenzantrag?
Im Fall der Insolvenz eines Unternehmens beginnt häufig schon bald die Suche nach dem „Schuldigen“. Dabei steht die Frage im Raum, ob der Insolvenzantrag gegebenenfalls verspätet gestellt wurde. Den Insolvenzgläubigern geht es dabei darum, einen Schaden geltend zu machen, der ihnen durch die möglicherweise verspätete Insolvenzantragsstellung entstanden ist. Die Praxis hat gezeigt, dass es häufig um frustrierte Gläubiger geht, die kurz vor Insolvenzantragsstellung eine Leistung an das inzwischen insolvente Unternehmen erbracht haben und sich nun um diesen Wert betrogen fühlen. Die Verteilung der Vermögenspositionen des insolventen Unternehmens im Insolvenzverfahren führt oftmals nur zu einer unzulänglichen Befriedigung der Insolvenzgläubiger.
Für die Gläubiger stellt sich nun die Frage, ob und gegen wen gegebenenfalls Haftungsansprüche geltend gemacht werden können. Ein Haftungsanspruch gegen den Geschäftsführer des insolventen Unternehmens liefert dabei häufig nicht das gewünschte Resultat, z.B. weil der Geschäftsführer selbst infolge der Insolvenz zahlungsunfähig bzw. insolvenzgefährdet ist.
Steuerberater rücken ins Visier der Gläubiger
In den letzten Jahren lässt sich die Tendenz beobachten, dass Steuerberater vermehrt ins Visier dieser Gläubiger rücken. Der Grund ist simpel: Der Steuerberater ist mit den Finanzen des Unternehmens eng vertraut und im Gegensatz zum Geschäftsführer des insolventen Unternehmens meist weiterhin in finanziell stabiler Verfassung. Zusätzlich hat es in der Rechtsprechung in den letzten Jahren deutliche Verschärfungen der Haftung des Steuerberaters für mangelhafte Jahresabschlüsse gegeben. Will der Steuerberater eine Haftung vermeiden, sollte er sich dringend mit der Rechtsprechung zur Steuerberaterhaftung vertraut machen.
Es geht um viel Geld
Der durch eine verspätete Insolvenzantragsstellung verursachte Schaden eines Unternehmens bemisst sich nach der Differenz zwischen der Vermögenslage im Zeitpunkt der hypothetischen rechtzeitigen Antragsstellung im Vergleich zur Vermögenslage zum Zeitpunkt der tatsächlichen Antragsstellung. Die Beträge können hier je nach Verspätung und Größe des Unternehmens erheblich variieren.
Welche Pflichten hat der Steuerberater?
Welche Pflichten den Steuerberater treffen, hängt zum einen davon ab, was im Steuerberatungsvertrag vereinbart wurde. Eine grundsätzliche Verpflichtung des mit der Erstellung der Steuerbilanz beauftragten Steuerberaters, das Unternehmen bei bilanzieller Überschuldung auf die Pflicht eines Insolvenzantrages hinzuweisen, wurde seitens des BGH lange verneint. Dies hat sich aber seit 2017 geändert.
Warn- und Hinweispflicht
2017 weitete der BGH den Pflichtenkreis des Steuerberaters mit seinem Urteil vom 26.01.2017 – IX ZR 285/14 merklich aus, was sich seitdem auch in der Rechtsprechung anderer Gerichte erkennbar niederschlägt. Zum einen urteilte der BGH, dass der Steuerberater das Unternehmen auf eine mögliche Insolvenzreife hinzuweisen hat, wenn die Insolvenzreife für ihn offenkundig ist und er damit rechnen muss, dass sich das Unternehmen darüber nicht im Klaren ist. Anhaltspunkte können hier z.B. wiederholt nicht durch Eigenkapital gedeckte Fehlbeträge sein. Es besteht somit eine Warn- und Hinweispflicht des Steuerberaters.
Haftung bei mangelhaftem Jahresabschluss
Zum anderen wurde die Haftung des Steuerberaters bei Erstellung eines mangelhaften Jahresabschlusses verschärft. So ist der mit der Erstellung eines Jahresabschlusses beauftragte Steuerberater verpflichtet, zu prüfen, ob sich aus den ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen rechtliche oder tatsächliche Gegebenheiten ergeben, die einer Fortführung der Unternehmenstätigkeit entgegenstehen könnten (etwa wirtschaftliche Schwierigkeiten des Unternehmens, Anzeichen für Zahlungsunfähigkeit usw.). Erstellt der Steuerberater trotz entsprechender Anhaltspunkte einen Jahresabschluss auf Grundlage von Fortführungswerten, so ist der Jahresabschluss mangelhaft und Schadensersatzansprüche möglich. Im Zweifelsfall muss der Steuerberater mit dem Unternehmen abklären, ob weiterhin Fortführungswerte zugrunde gelegt werden können. Es muss dann im Rahmen einer Fortführungsprognose geklärt werden, ob der Unternehmensfortführung rechtliche oder tatsächliche Gegebenheiten entgegenstehen. Der Steuerberater muss die Prüfung zwar nicht ohne gesonderten Auftrag selbst vornehmen. Jedoch hat er dafür Sorge zu tragen, dass der Mandant Bedenken, die gegen einen Ansatz von Fortführungswerten bestehen, ausräumt. Dabei darf er nicht auf bloße Aussagen der Geschäftsführung vertrauen, die nicht stichhaltig sind und keine belegbare Substanz aufweisen.
Verteidigungsmöglichkeiten des Steuerberaters
Für den Steuerberater bestehen im Prozess – abhängig vom Einzelfall – eine Reihe von Möglichkeiten, eine Schadensersatzhaftung abzuwenden. Zunächst ist nachzuweisen, dass tatsächlich aufgrund des fehlerhaften Jahresabschlussberichts verspätet Insolvenzantrag gestellt wurde, es muss also eine Ursächlichkeit bestehen.
Auch wenn der Steuerberater davon ausgehen durfte, dass sich der Mandant der die Insolvenzreife begründenden Tatsachen bewusst war und diese auch richtig einschätzen konnte, kann eine Haftung entfallen. Ebenfalls ist in jedem Falle an ein Mitverschulden der Geschäftsführung des insolventen Unternehmens zu denken, das die Haftung ggf. gänzlich entfallen lassen kann. Die Verteidigungsmöglichkeiten sind komplex und bedürfen einer intensiven Prüfung des Einzelfalls.
Fazit
In Anbetracht der hohen Schadensersatzansprüche, die eine fehlerhafte Beratung auslösen kann, ist eine Steuerberatung gegenüber dem Mandanten eng an den Vorgaben der Rechtsprechung dringend erforderlich. Im Falle einer eingetretenen Insolvenz sollte der Steuerberater früh prüfen, ob er sich ggf. haftbar gemacht hat, um eine vielschichtige Verteidigungsstrategie erarbeiten zu können.
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