Jahressteuergesetz 2024: Welche Steuerbescheide können rückwirkend wegen Verlustverrechnung noch geändert werden?

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Durch das Jahressteuergesetz 2024 hat der Gesetzgeber unter anderem die sog. Verustverrechnungsbeschränkung bei Termingeschäften, Optionen, Futures und CFDs aufgehoben (beachten Sie den Artikel Verlustverrechnungsbeschränkung fällt weg).

Diese Gesetzesänderung betrifft rückwirkend auch sog. offenen Verfahren. Die Frage, welche Steuerbescheide rückwirkend geändert werden können, gewinnt in der steuerrechtlichen Praxis immer wieder an Bedeutung. Besonders interessant ist die Frage, ob eine rückwirkende Gesetzesänderung auch eine Änderung zugunsten des Steuerpflichtigen ermöglicht, insbesondere in sogenannten „offenen“ Verfahren. Dieser Artikel beleuchtet die rechtlichen Grundlagen und erläutert, wann und unter welchen Bedingungen Steuerbescheide nachträglich angepasst werden können.

Änderung von Steuerbescheiden

Steuerbescheide werden grundsätzlich mit ihrer Bekanntgabe rechtswirksam und sind gemäß § 118 Abgabenordnung (AO) bindend. Eine Änderung ist nur in Ausnahmefällen möglich, etwa wenn Fehler festgestellt werden oder neue Tatsachen bekannt werden. Die wichtigsten gesetzlichen Grundlagen für die Änderung von Steuerbescheiden sind in §§ 172 ff. AO geregelt, darunter:

  • Berichtigung offenbarer Unrichtigkeiten (§ 129 AO): Fehler, die bei der Erstellung eines Bescheides unterlaufen, können jederzeit berichtigt werden.
  • Änderung wegen neuer Tatsachen oder Beweismittel (§ 173 AO): Neue Informationen, die für die Steuerfestsetzung relevant sind und dem Finanzamt bisher nicht bekannt waren, können eine Änderung rechtfertigen.
  • Vorläufigkeit oder Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 und § 165 AO): Steuerbescheide, die unter Vorbehalt oder vorläufig erlassen wurden, können während der Vorbehaltsfrist bzw. bis zum Wegfall der Vorläufigkeit geändert werden.

Offene Steuerbescheide und ihre Bedeutung

Ein „offener“ Steuerbescheid ist ein Bescheid, der noch nicht bestandskräftig ist, weil entweder:

  • Einspruch eingelegt wurde (§ 347 AO),
  • die Einspruchsfrist noch nicht abgelaufen ist oder
  • eine Vorläufigkeit oder ein Vorbehalt der Nachprüfung besteht.

Solange ein Steuerbescheid nicht bestandskräftig ist, können sowohl Steuerpflichtige als auch die Finanzverwaltung Änderungen verlangen, soweit die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind.

Rückwirkende Gesetzesänderungen: Die rechtliche Grundlage

Die Möglichkeit, Steuerbescheide aufgrund rückwirkender Gesetzesänderungen anzupassen, basiert auf dem Prinzip der Rechtssicherheit und dem Vertrauensschutz. Die wesentlichen Punkte sind:

  • Rückwirkung in der Steuergesetzgebung: Rückwirkende Gesetzesänderungen sind in Deutschland grundsätzlich problematisch, da sie gegen den verfassungsrechtlich geschützten Grundsatz des Vertrauensschutzes (Art. 20 Abs. 3 GG) verstoßen können. Dennoch wird zwischen echter und unechter Rückwirkung unterschieden:
  • Echte Rückwirkung: Änderung eines Gesetzes für bereits abgeschlossene Sachverhalte – meist unzulässig.
  • Unechte Rückwirkung: Änderung für laufende Verfahren oder noch nicht abgeschlossene Sachverhalte – grundsätzlich zulässig.

Auswirkungen auf offene Verfahren

Bei offenen Steuerbescheiden können rückwirkende Gesetzesänderungen Anwendung finden, da der Bescheid noch nicht bestandskräftig ist. Hierbei stellt sich die Frage, ob die rückwirkende Gesetzesänderung auch zugunsten des Steuerpflichtigen wirkt.

Änderungen zugunsten des Steuerpflichtigen durch rückwirkende Gesetze

Rückwirkende Gesetzesänderungen zugunsten der Steuerpflichtigen sind besonders interessant, da sie das Vertrauen in die Rechtssicherheit stärken. Nach § 176 AO (Bindung an Rechtsprechung und Verwaltungsanweisungen) darf das Finanzamt eine günstigere Rechtslage auch rückwirkend berücksichtigen, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind. 

Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn:

  • Ein Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) eine bestehende Praxis für rechtswidrig erklärt, und der Steuerbescheid noch offen ist.
  • Ein neues Gesetz explizit rückwirkend günstige Regelungen für Steuerpflichtige einführt.

Praxisbeispiele für rückwirkende Änderungen

1. Änderung nach höchstrichterlicher Rechtsprechung:

Ein Beispiel hierfür sind Fälle, in denen das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Verfassungswidrigkeit eines Steuergesetzes festgestellt hat, etwa bei der der Pendlerpauschale oder der Erbschaftsteuer.

2. Gesetzesänderungen bei offenen Verfahren:

Ein weiteres Beispiel ist die rückwirkende Einführung von Steuervergünstigungen. Solange der Bescheid nicht bestandskräftig ist, kann der Steuerpflichtige die günstigere Regelung beanspruchen.

Fazit: Chancen und Risiken für Steuerpflichtige

Das Jahressteuergesetz 2024 enthält eine sog. unechte Rückwirkung: Nur offene Steuersachverhalte, d.h. solche, die im Zeitpunkt des Gesetzes noch nicht bestandskräftig geworden sind, können rückwirkend geändert werden. Dies gilt insbesondere für Fälle, in denen der Vorbehalt der Nachprüfung explizit auf Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 20 EStG ausgesprochen wurde oder das Einspruchs- oder Klageverfahren noch andauert.

Für Steuerpflichtige empfiehlt es sich, Steuerbescheide aufmerksam auf Möglichkeiten der Änderung zu überpüfen und gegebenenfalls durch eine spezalisierten Fachmann die Möglichkeit einer Änderung prüfen zu lassen.

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Rechtsanwalt Markus Mehlig ist bundesweit im Bank- und Kapitalmarktrecht tätig. Er berät Investoren und Trader in allen rechtlichen und steuerlichen Fragen, insbesondere zum Thema Verustverrechnung bei Optionen, Termingeschäfte, Futures und CFDs. Gerne steht er auch Ihnen in einem kostenlosen Erstgespräch zur Verfügung.



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