LG Köln: pauschale negative Kundenbewertung im Internet zulässig, wenn sie als Werturteil formuliert ist

  • 4 Minuten Lesezeit

Sachverhalt

Der Kläger vertreibt unter dem Mitgliedsnamen „X. Computersysteme" Software auf den Amazon-Webseiten. Die Beklagte kaufte bei dem Kläger ein Softwareprodukt und gab nach Erhalt folgende Bewertung ab:

„1 von 5: Miserabler Service von X. Computersysteme. Kundenfreundlich ist anders! 30.8.2012, 17:36:12."

In der Folge kaufte sie noch ein weiteres Softwareprodukt und gab nach Erhalt folgende Bewertung ab:

„1 von 5: Schlechter Service von X. 4.9.2012, 16:31:32."

Der Kundenservice (komplette Versand und eine ggf. notwendige Rückabwicklung) wird vollständig von Amazon übernommen. Amazon übernahm daher sowohl die Zahlungsabwicklung als auch die Versendung der Software an die Beklagte.

Der Kläger mahnte die Beklagte wegen vorstehender Bewertungen ab, forderte sie zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung und Zahlung von Abmahnkosten von 809,00 EUR auf. Er machte geltend, dass es sich bei den Bewertungen um unwahre Tatsachenbehauptungen handele, da die Beklagte angab, dass sie den Kläger telefonisch nicht erreicht habe. Ihre Äußerungen, der Service des Klägers sei „schlecht", verstehe der Leser aber so, dass die Beklagte mit dem Kläger gesprochen habe, dieser jedoch unfreundlich bzw. nicht bereit gewesen war, einen zuvorkommenden Service zu leisten. Dies sei mangels Kommunikation nicht wahr.

Da die Beklagte weder die Unterlassungserklärung abgab noch Abmahnkosten zahlte, erhob der Kläger Klage vor dem Landgericht Köln.

Entscheidung LG Köln

Das Landgericht Köln wies die Klage ab, da es sich bei den Bewertungen um Meinungsäußerungen handele, die grundsätzlich zulässig sind; die Grenze zur Schmähkritik sei vorliegend nicht überschritten:

„Die Äußerungen „Miserabler Service von X. Computersysteme. Kundenfreundlich ist anders!" und „Schlechter Service von X." stellen Meinungsäußerungen dar, da sie die subjektive Wertung der Beklagten bezüglich des Service des Klägers ausdrücken. Der Äußerung lässt sich entgegen der Auffassung des Klägers keine konkret greifbare Tatsachenbehauptung entnehmen. Der Vorwurf ist vielmehr sehr pauschal formuliert. In welcher Art und Weise der Service miserabel oder schlecht war und aus welchem Grund die Beklagte zu der Auffassung gelangt, dass „kundenfreundlich anders ist", ergibt sich aus der Äußerung selbst nicht - und dies allein ist maßgebend. Dies wird deutlich, wenn man versucht, eine Beweisfrage zu formulieren, die mit den Mitteln des zivilprozessualen Beweisrechts bewiesen werden könnte. Die verwendeten Begrifflichkeiten sind derart auslegungsfähig und auslegungsbedürftig, dass ihnen eine eindeutige, beweisbare Tatsachengrundlage nicht entnommen werden kann."

Das Gericht wies weiter darauf hin, dass ein Bewerter nicht verpflichtet ist, in seiner Bewertung Tatsachen anzuführen, auf die er seine Bewertung stützt:

„Es kann der Beklagten auch nicht angelastet werden, dass sie dem Leser keine Tatsachen an die Hand gibt, um die beanstandete Aussage kritisch nachvollziehen zu können. Es ist zwar oft nicht nur im Interesse einer fruchtbaren Diskussion, sondern vornehmlich für den in seiner Ehre Betroffenen in hohem Maße wünschenswert, den Kritiker anzuhalten, die Gründe offenzulegen, auf denen sein abwertendes Urteil beruht, damit der Leser oder Hörer sich nicht nur über den Kritisierten, sondern auch über die Kritik eine eigene Meinung bilden und der Betroffene sich gegen den Angriff gezielt wehren kann.

Andererseits darf jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass die Möglichkeit, eine Meinung frei zu äußern, erheblich eingeschränkt wäre, wenn ein Werturteil nur unter gleichzeitiger Angabe der Tatsachen, die es tragen, in die Öffentlichkeit gelangen dürfte. In der Diskussion ist es schon aus zeitlichen oder räumlichen Gründen oft gar nicht möglich, ein solches Urteil mit Ausführungen zu verbinden, die Anspruch darauf erheben können, den nichtinformierten Hörer oder Leser über die Grundlagen, an denen die Wertung anknüpft, gehörig ins Bild zu setzen. Ein Begründungszwang würde die Vertretung eines Standpunkts in der Öffentlichkeit von der Darstellbarkeit der Bezugspunkte" abhängig machen. Wer seine Meinung nur unvollkommen ausdrücken kann, wäre von der Diskussion weitgehend ausgeschlossen; wer geschickt zu formulieren versteht, könnte das Verlangen nach "Bezugspunkten" erfüllen, ohne seiner kritischen Äußerung mehr Informationsgehalt geben zu müssen. Insgesamt würde die Diskussion auf den Austausch von beweismäßig nachprüfbaren Informationen verlagert. Das subjektive Moment, das die Vielfalt der Standpunkte erst provoziert, wäre in der Diskussion dagegen in den Hintergrund gedrängt.

Der geistige Meinungskampf ist aber nicht nur um der Ermittlung der Wahrheit willen gewährleistet, sondern soll gerade dazu dienen, dass jeder sich in der Öffentlichkeit darstellen kann. Um dieser Gewährleistung willen muss daher die Äußerung eines abwertenden Urteils über einen anderen in der Öffentlichkeit jedenfalls dem Grundsatz nach auch dann zugelassen werden, wenn die Kritik auf eine Unterrichtung über die Grundlagen ihrer Wertung verzichtet; dies auch auf die Gefahr hin, dass der über die Bezugspunkte" im Unklaren gelassene Leser oder Hörer zu einem Urteil über den Angegriffenen veranlasst wird, das er, wenn ihm mehr Informationen an die Hand gegeben worden wären, so nicht gefällt hätte."

Landgericht Köln, Urteil vom 8. Mai 2013, Az.: 28 O 452/12

Vorstehende Ausführungen gelten auch für andere Online-Verkaufsplattformen wie eBay.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwältin Fachanwältin Denise Himburg

Beiträge zum Thema

Ihre Spezialisten