Marketing und Datenschutzverstöße: Warum E-Mail-Kampagnen ein rechtliches Minenfeld sind

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E-Mail-Marketing ist nach wie vor eines der effektivsten Instrumente, um Kunden zu gewinnen und zu binden. Doch während Marketingteams kreative Kampagnen planen, stehen Compliance-Verantwortliche oft in Schweiß gebadet daneben (ich spreche aus Erfahrung...). Denn jede E-Mail-Kampagne birgt das Risiko von Datenschutzverstößen – und die Folge sind nicht selten teure Abmahnungen. Wobei die Abmahnungen nicht mal teuer sein müssen. Dann macht's aber die Masse. In diesem Artikel beleuchten wir die rechtlichen Fallstricke des E-Mail-Marketings, warum vermeintlich „DSGVO-konforme“ Leads oft nicht halten, was sie versprechen (eigentlich nie), und warum Marketing am Ende des Tages immer eine Abwägung zwischen Business Need und Compliance bleibt.


1. Die DSGVO und das Problem mit der Einwilligung

Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) regelt streng, wie personenbezogene Daten verarbeitet werden dürfen – und das schließt E-Mail-Adressen ein. Das wissen mittlerweile alle. Gemäß Art. 6 Abs. 1 DSGVO ist die Verarbeitung personenbezogener Daten nur dann zulässig, wenn eine rechtliche Grundlage vorliegt. Im Marketingkontext ist das meist die Einwilligung des Betroffenen (Art. 7 DSGVO).


Das Problem:

  • Bestehende Kunden: Hier kann die Einwilligung oft über die bestehende Geschäftsbeziehung abgeleitet werden (Art. 6 Abs. 1 lit. b DSGVO). Doch Vorsicht: Nicht jede E-Mail an einen Kunden ist automatisch erlaubt. Werbung muss klar als solche gekennzeichnet sein, und der Kunde muss die Möglichkeit haben, dieser Werbung zu widersprechen.

  • Interessenten: Bei Kontakten, die z. B. auf Messen gesammelt wurden, muss eine explizite Einwilligung vorliegen. Ein Businesskarte in die Hand gedrückt zu bekommen, reicht leider nicht aus.

  • Gekaufte Leads: Viele Anbieter versprechen „DSGVO-konforme“ Adressen, die angeblich legal erhoben wurden. Doch in der Praxis sind diese Adressen oft gescraped (z. B. aus LinkedIn oder Unternehmenswebsites) oder basieren auf erratenen E-Mail-Adressen (z. B. vorname.nachname@unternehmen.com - mir selbst schon zig-fach passiert). Solche Adressen sind in den allermeisten Fällen nicht DSGVO-konform, da keine wirksame Einwilligung vorliegt. Wenn Sie sich fragen, woher plötzlich diese eine Werbemail kommt -> höchstwahrscheinlich ist das die Antwort.

D.h.: Wer gekaufte Leads nutzt, spielt mit dem Feuer. Abmahnungen und Schadensersatzforderungen sind hier vorprogrammiert.



2. Die Infektionstheorie: Warum zu viel Werbung gefährlich ist

Ein weiteres Problem im E-Mail-Marketing ist die sogenannte Infektionstheorie. Diese besagt, dass eine E-Mail, die sowohl geschäftliche als auch werbliche Inhalte enthält, insgesamt als Werbung gilt – selbst wenn der werbliche Teil nur einen kleinen Teil der Nachricht ausmacht.


Beispiel:
Sie schicken einem Kunden eine E-Mail mit einer Rechnung (geschäftlicher Inhalt) und fügen am Ende einen kurzen Hinweis auf ein neues Produkt hinzu (Werbung). Laut Infektionstheorie gilt die gesamte E-Mail nun als Werbung – und das kann problematisch sein, wenn der Kunde dieser Werbung nicht zugestimmt hat.


Rechtliche Konsequenzen:

  • Abmahnungen: Wettbewerber oder Verbraucherschutzverbände können Abmahnungen aussprechen, die oft auf ein paar hundert Euro Schadensersatz abzielen. Natürlich kommen auch wieder die berüchtigten Abmahnanwälte an und vertreten zahlreiche Einzelpersonen, die auf schnelles "Schmerzensgeld" abzielen.

  • Reputationsschaden: Zu viele Beschwerden können dazu führen, dass Ihr Unternehmen als Spammer eingestuft wird – mit negativen Folgen für Ihre E-Mail-Deliverability.


Am Ende kommt es natürlich auf den Gesamteindruck der Mail an. Kleine Links am Ende in der Signatur stechen nicht sofort ins Auge - hier also eher nicht. Es gibt übrigens auch keine "richtige" oder "die Faustformel". Ist auch nicht empfehlenswert. Schauen Sie lieber auf den Email-Draft und fragen sich - prügelt der Absender mir hier regelrecht seine Webseite, Social Media Links und Produkte ins Gesicht oder sieht die Signatur eher unscheinbar und "normal" aus. Gesunder Menschenverstand reicht aus!



3. Die Praxis: Abmahnungen als Geschäftsmodell

In der Realität ist E-Mail-Marketing ein rechtliches Minenfeld. Fast jede Kampagne führt zu Abmahnungen – und die sind oft schwer abzuwehren. Die Gründe:

  • Strenger Maßstab: Gerichte und Datenschutzbehörden setzen die DSGVO sehr streng um. Selbst kleine Fehler können teuer werden. Auch, wenn hier der Trend (dankenswerterweise) angesichts der neuesten (insb. auch höchstrichterlichen) Rechtsprechung dahin geht, den m.E. sowieso offensichtlichen Rechtsmissbrauch dieses ganzen Abmahnmodells einzuschränken und vor allem die hohen Geldforderungen einzudämmen. 

  • Geschäftsmodell Abmahnung: Einige Anwälte haben sich auf Abmahnungen im Bereich des E-Mail-Marketings spezialisiert. Sie durchsuchen systematisch nach Verstößen und fordern dann Schadensersatz.

Beispiel:
Sie schicken eine E-Mail an einen Interessenten, den Sie auf einer Messe getroffen haben. Der Interessent hat zwar Ihre Visitenkarte angenommen, aber keine explizite Einwilligung zur Werbung gegeben. Schon kann die Abmahnung ins Haus flattern.



4. Die Abwägung: Business Need vs. Compliance

Am Ende des Tages steht jedes Unternehmen vor der schwierigen Abwägung: Wie viel Risiko bin ich bereit, für eine erfolgreiche Marketingkampagne einzugehen? Ich halte ja effektives E-Mail-Marketing vor dem Ziel, den Compliance-Award zu gewinnen und 100% alle rechtlichen Rahmen einzuhalten für (fast) unmöglich.

Warum?

  • Einwilligungspflicht: Jede Werbung erfordert eine explizite Einwilligung – und die ist schwer zu bekommen und irgendwann nachzuweisen.

  • Transparenzpflicht: Sie müssen genau dokumentieren, wann und wie Sie eine Einwilligung erhalten haben. 

  • Widerspruchsrecht: Jeder Empfänger muss die Möglichkeit haben, der Werbung zu widersprechen – und Sie müssen diesen Widerspruch umsetzen.

Die Realität:
Viele Unternehmen akzeptieren ein gewisses Restrisiko, um ihre Marketingziele zu erreichen. Das bedeutet nicht, dass sie die DSGVO ignorieren – aber sie wissen, dass 100 % Compliance oft nicht realistisch ist. Dann allerdings muss man eben auch in den sauren Apfel beißen und - rein rechtlich - zulässige Abmahnungen akzeptieren. Aber - bei z.B. mehreren Millionen versendeten Emails und nur einer Handvoll Abmahnungen ist das immer noch ein guter Deal. 



5. Praktische Tipps für mehr Datenschutz im Marketing

Trotz aller Herausforderungen gibt es Möglichkeiten, das Risiko von Datenschutzverstößen zu minimieren:

  • Double Opt-In: Nutzen Sie das Double-Opt-In-Verfahren, um sicherzustellen, dass Einwilligungen wirksam sind.

  • Segmentierung: Unterscheiden Sie klar zwischen bestehenden Kunden, Interessenten und gekauften Leads. Passen Sie den Inhalt Ihrer E-Mails entsprechend an.

  • Transparenz: Machen Sie klar, warum Sie eine E-Mail verschicken und wie der Empfänger seine Einwilligung widerrufen kann.

  • Dokumentation: Halten Sie alle Einwilligungen und Widersprüche sorgfältig fest – das kann im Falle einer Abmahnung entscheidend sein. Und wenn es nur - ganz old school - eine Exceldatei ist, in Sie manuell eintragen, wer nicht mehr kontaktiert werden möchte (nennen Sie es "Blacklist"). Selbst da sind Sie schon weiter als der Durchschnitt. 


Fazit: Marketing im Spannungsfeld zwischen Erfolg und Compliance

E-Mail-Marketing ist und bleibt ein wesentlicher Bestandteil der Unternehmenskommunikation – doch es ist auch ein rechtliches Minenfeld. Die DSGVO setzt hier klare Grenzen, die oft schwer einzuhalten sind. Wer gekaufte Leads nutzt oder zu sorglos mit Einwilligungen umgeht, riskiert teure Abmahnungen und Reputationsschäden.


Doch am Ende des Tages ist Marketing immer eine Abwägung zwischen Business Need und Compliance. Wer zu streng ist, verpasst Chancen; wer zu lax ist, riskiert rechtliche Konsequenzen. Die Kunst liegt darin, die richtige Balance zu finden – und dabei immer im Hinterkopf zu behalten: 100 % datenschutzkonformes Marketing gibt es nicht (change my mind). 


Wenn es doch da nur jemanden gäbe, der solche Marketing-Kampagnen in großem Stil betreuen und überprüfen kann....


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Foto(s): @pixabay.com/users/tumisu-148124/

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