Medizinprodukt - Fehler - Hüftprothese: Die „CE-Kennzeichnung“ schließt Ersatzpflicht für Produktfehler nicht aus

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Oberlandegericht Karlsruhe, Urteil vom 08.06.2020, 14 U 171/18

Der Kläger machte gegen die Herstellerin einer Großkopf-Hüfttotalendoprothese Schadensersatzansprüche geltend, da es nach der Implantation zu Metallabrieb in der Konussteckverbindung gekommen war. Der Metallabrieb lag über den Grenzwerten und hatte bei dem Kläger zu Knochendefekten, Schleimbeutelentzündungen und einem unzureichenden Einwachsen der Prothesenpfanne geführt. Die beklagte Herstellerin wollte sich ihrer Haftung mit dem Argument versagen, sie habe den Produktfehler (erhöhter Metallabrieb) nicht erkennen können. Dem erteilte das Oberlandesgericht Karlsruhe eine Absage.

Die Herstellerin habe ein fehlerhaftes Produkt in den Verkehr gebracht, das bei dem Kläger zu einem Gesundheitsschaden geführt habe. Die Herstellerin habe nicht bewiesen, dass die Fehlerhaftigkeit des Produkts nicht erkennbar gewesen sei.

Zur Gewährleistung der Produktsicherheit hat die Herstellerin alle erforderlichen und zumutbaren Sicherungsmaßnahmen zu treffen. Dabei sind der Herstellerin bei erheblichen Gefahren für Leben und Gesundheit von Menschen weitergehende Maßnahmen abzuverlangen, als bei bloßer Gefährdung von Sachwerten.

Der haftungsbegründende Fehler setze nicht die Erkennbarkeit des Produktfehlers voraus. Entscheidend sei allein, dass die Herstellerin gegen die Sicherheitserwartungen des jeweils geschützten Personenkreises verstoßen habe. Die Herstellerin müsse nach Inverkehrgabe Sicherungsmaßnahmen wahren, die nach dem neuesten Stand der Wissenschaft und Technik geeignet und genügend erscheinen, Schäden zu verhindern. Dabei dürfe nicht auf die Branchenüblichkeit abgestellt werden. Denn:

Die in der jeweiligen Branche tatsächlich praktizierten Sicherheitsvorkehrungen sind nicht maßgeblich, da diese hinter der technischen Entwicklung und damit hinter den rechtlich gebotenen Maßnahmen zurückbleiben können

Auch müsse bei einer Hüftprothese nicht die konkrete Gefährlichkeit des einzelnen Implantats erkannt werden, sondern allein die Gefährlichkeit der Konstruktion des Prothesentyps. Liege diese Voraussetzung aber vor, gehe die Herstellerin mit dem Inverkehrbringen eine Risikoentscheidung ein, gegenüber deren Folgen sie sich nicht deshalb entlasten könne, weil sie den Risikoeintritt im Einzelfall nicht vermeiden konnte.

Eine Ersatzpflicht der Herstellerin ist auch nicht ausgeschlossen, weil der Hüftprothese das Zeichen „CE-Kennzeichnung“ zuerkannt worden ist.

Und auch der Umstand, dass der Produktfehler anlässlich der Sicherheitsüberprüfung zwecks Zuerkennung des CE-Zeichens nicht entdeckt worden sei, besage nicht, dass die potentielle Gefährlichkeit des Produkts unter Zugrundelegung des im Zeitpunkt seiner in Inverkehrgabe objektiv zugänglichen Gefahrenwissens nicht hätte erkannt werden können.

Im medizinischen Bereich dürfe ein Produkt auch nur dann in den Verkehr gebracht werden, wenn der Verbraucher über die bestehenden Risiken aufgeklärt und gewarnt werde.

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Rechtsanwältin Maike Bohn, Aachen



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