Missverständnisse über Leistungsvoraussetzungen der Berufsunfähigkeitsversicherung

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Nachdem wir uns seit Jahren schwerpunktmäßig mit dem Bereich der Berufsunfähigkeitsversicherung beschäftigen, erleben wir es immer wieder, dass Mandanten Leistungen trotz bestehenden Anspruchs nicht geltend machen. Dies ist nicht selten darauf zurückzuführen, dass Unklarheit über Leistungsvoraussetzungen besteht. So wird zum Teil angenommen, dass Leistungen nur verlangt werden können, wenn eine dauerhafte Erkrankung vorliegt und diese dann auch in zeitlicher Hinsicht dazu führt, dass man exakt zu mindestens 50 % in der zuletzt ausgeübten Berufstätigkeit eingeschränkt ist.


Allerdings sind an die sogenannte „Zukunftsprognose“ nach neueren Bedingungswerken bei weitem nicht mehr die hohen Anforderungen zu stellen wie früher. Lag Berufsunfähigkeit zum Teil erst vor, wenn die Erkrankung nach medizinischer Prognose dauerhaft, also über einen Zeitraum von voraussichtlich noch mindestens drei Jahren, bestand, wurde dieser Zeitraum zwischenzeitlich auf nur noch sechs Monate verkürzt. Zusätzlich enthalten die Versicherungsbedingungen bereits seit einigen Jahren die Fiktion, dass Berufsunfähigkeit auch besteht, wenn der Versicherungsnehmer über einen Zeitraum von sechs Monaten in der Vergangenheit aufgrund Erkrankung nicht der Lage gewesen ist, seinen Beruf auszuüben.


In vielen Fällen ist es auch nicht nötig, exakt eine Einschränkung der Berufsunfähigkeit von 50 % in sachlicher und zeitlicher Hinsicht nachzuweisen. Denn Berufsunfähigkeit besteht nach der Rechtsprechung des BGH auch, wenn prägende Teiltätigkeiten nicht mehr ausgeführt werden können, die untrennbare Bestandteile eines beruflichen Gesamtvorgangs sind. Exemplarisch darf auf das Urteil des BGH vom 19.07.2017 (Az.: IV ZR 535/15) verwiesen werden, in dem es um eine angestellte Hauswirtschafterin ging, die den wöchentlichen Einkauf von Lebensmitteln nicht mehr bewerkstelligen konnte. Der BGH wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Beeinträchtigung der Klägerin in der Ausübung ihres zuletzt ausgeübten Berufs nicht allein anhand der zeitlichen Anteile der von ihr isoliert nicht mehr zu bewältigenden Tätigkeiten bemessen werden könne.


Ferner kann Berufsunfähigkeit eintreten, wenn die Fortführung der Tätigkeit unzumutbar ist. Unzumutbarkeit hatte der BGH in dem Urteil vom 27.02.1991 (Az.: IV ZR 66/90) beispielsweise angenommen, wenn der Versicherungsnehmer seine Berufstätigkeit unter erheblichen Schmerzen ausüben müsste. Von Unzumutbarkeit ist auch auszugehen, wenn die Aufrechterhaltung der Berufstätigkeit das Risiko einer drohenden Verschlechterung des Gesundheitszustandes mit sich bringt (Beschluss des BGH vom 13.12.2023, Az.: IV ZR 125/23).


Versicherungsschutz besteht bei einer Erkrankung, die zur Berufsunfähigkeit führt, ohne Rücksicht darauf, wie diese Erkrankung entstanden ist. So konnten wir bereits für einige Mandanten Leistungsansprüche durchsetzen, die nach einer Coronainfektion an Long-Covid leiden. Selbstverständlich schützt eine Berufsunfähigkeitsversicherung nicht nur vor den Auswirkungen körperlicher Erkrankungen, sondern tritt auch bei psychischen Krankheiten, die zur Berufsunfähigkeit führen, ein.


In neueren Verträgen sind häufig auch Leistungen wegen Krankschreibung vorgesehen, die für einen begrenzten Zeitraum geltend gemacht werden können. Zwar besteht ein Anspruch oft nur, wenn gleichzeitig auch Leistungen wegen Berufsunfähigkeit gefordert werden. Die Leistungen wegen Krankschreibung haben aber den Vorteil, dass die Voraussetzungen hierfür, nämlich die Einreichung ärztlicher Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, sehr einfach nachgewiesen werden können und man rasch erste Zahlungen erhält. Dagegen muss man damit rechnen, dass sich die Prüfung, ob Berufsunfähigkeit eingetreten ist, über einen Zeitraum von mehreren Monaten erstreckt.


Zu beachten ist wie stets im Versicherungsrecht, dass die Versicherer unterschiedliche Bedingungswerke verwenden, sodass jeweils im Einzelfall zu prüfen ist, unter welchen Voraussetzungen ein Anspruch auf Versicherungsleistungen besteht.


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