Nichtigkeit von Online-Coaching-Verträgen und das Fernunterrichtungsschutzgesetz (FernUSG)
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Im Rahmen von Online-Coaching-Verträgen ist es wichtig, die rechtlichen Aspekte zu beachten, insbesondere in Bezug auf das Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG). Ein kürzlich von unserer Kanzlei erstrittenes Urteil des Landgerichts Oldenburg (Az.: 9 O 2332/23) verdeutlicht die Bedeutung dieser rechtlichen Rahmenbedingungen.
Hintergrund des Urteils: In einem aktuellen Fall klagte ein Anbieter eines Online Coachings für selbstständige Künstler gegen den von uns vertretenen Mandanten auf Zahlung des Coaching-Honorars. Die Klage wurde vollständig abgewiesen und unser Mandant musste nichts zahlen, da der Vertrag gemäß § 7 Abs. 1 i.V.m. § 12 Abs. 1 S. 1 FernUSG als nichtig angesehen wurde. Das Angebot des Anbieters fiel unter den Begriff des Fernunterrichts gemäß § 1 FernUSG. Unser Vorteil: Der Anbieter verfügte nicht über die erforderliche Zulassung gemäß § 7 Abs. 1 FernUSG. Auch sämtliche Verfahrenskosten musste der „Online Coach“ daher tragen.
Ausführliche Analyse der rechtlichen Aspekte:
Fernunterrichtsvertrag und Vermittlung von Kenntnissen: Das Gericht hat festgestellt, dass der Dienstvertrag zwischen den Parteien als Fernunterrichtsvertrag gemäß dem Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) anzusehen ist. Dies liegt daran, dass der Kläger Dienstleistungen anbietet, die darauf abzielen, Kenntnisse und Fähigkeiten iSd. § 1 FernUSG zu vermitteln, die als Fernunterricht gelten. Insbesondere bezieht sich dies auf das detaillierte Angebot des Klägers, das spezifische Schulungen und Fähigkeiten zur Förderung des beruflichen Erfolgs des Kunden umfasst. In diesem Fall hatte der Kläger vermehrt behauptet, dass es bei seiner Leistung nicht um eine abstrakte Wissensvermittlung oder das Vermitteln von Fähigkeiten gehe, dies aber für uns und letztendlich auch für das Gericht im direkten Widerspruch zu dem schriftlichen Angebot des Klägers stand. Besonders hervorzuheben ist hier, dass das Coaching u.a. auch „Kommunikationstechniken“ und „Sales Strategien“ zum Gegenstand hatte – ein derartiges Angebot stellt stets eine Vermittlung von Fähigkeiten dar. Auch ein angeblich einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Klägers wäre ein Verstoß gegen das Umgehungsverbot gemäß § 8 FernUSG, sodass auch dieses Argument dem Kläger keinen Erfolg versprach.
Räumliche Trennung und Kommunikationswege: Die Kommunikation zwischen den Parteien erfolgte größtenteils über Videokonferenzen, was als räumliche Trennung im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr.1 FernUSG betrachtet wird. Denn der Wortlaut des Gesetzes spricht eindeutig von „räumlicher Trennung“, was sich mit der damaligen Intention des Gesetzgebers deckt: Den „Verbraucherschutz“ stärken. Auch der Blick in die Gesetzesbegründungzu § 1 Abs. 1 Nr. 1 FernUSG deckt sich mit dieser Auslegung. Für diese Beurteilung kommt es überdies nicht darauf an, ob die Videoübertragung synchron verläuft oder per Aufzeichnung zur Verfügung gestellt wird. Eine entsprechende Beschränkung des FerUSG nur auf asynchrone Kommunikationswege anzuwenden, findet im Gesetz keine Stütze und würde den Telos, d.h. dem Sinn und Zweck des Gesetzes unterlaufen.
Besonders interessant: An dieser Stelle sei noch erwähnt, dass die Zertifizierungsstelle selbst anderweitige Informationen zu diesem Punkt auf Ihrer Website veröffentlicht. Die rechtlichen Ansichten der Zertifizierungsstelle als Behörde sind allerdings irrelevant, denn die Auslegung der entsprechenden Gesetze liegt ausschließlich bei den Gerichten.
Lernerfolgskontrollen und Interaktion:
Der streitgegenständliche Vertrag legt Lernerfolgskontrollen gemäß den Bestimmungen des Fernunterrichtsschutzgesetzes (FernUSG) fest, was einen entscheidenden Unterschied zu reinem Selbstlernmaterial darstellt. Der Bundesgerichtshof hatte schon in seinem Urteil vom 15. Oktober 2009 (III ZR 310/08, NJW 2010, 608) den Begriff "Lernerfolgskontrolle" mit relativ niedrigen Anforderungen konkretisiert. Es genügt, dass Teilnehmende während Informations- oder begleitender Unterrichtsveranstaltungen Fragen stellen können, um ihren Lernfortschritt zu überprüfen. Eine spezifische Wissensabfrage durch den Lernenden ist nicht zwingend erforderlich. Wesentlich ist vielmehr der persönliche Austausch zwischen Lernenden und Lehrenden, der integraler Bestandteil des Programms des Klägers ist. Dieser Austausch ermöglicht es den Kunden in dem konkreten Fall, von der Erfahrung des Klägers als Künstler zu profitieren und ihr eigenes Wissen im Rahmen des Coaching-Programms zu optimieren. Obwohl der Kläger behauptet hat, ausschließlich eine Agenturdienstleistung zu erbringen, legen sowohl sein Angebot als auch der typische Zweck eines Coaching- und Beratungsvertrags nahe, dass auch Themen im Kontext des Coaching-Programms besprochen werden, die sich unmittelbar auf die Lerninhalte beziehen. Es ist anzunehmen, dass im Rahmen der Gespräche mit dem Kläger auch Fragen zu den vermittelten Inhalten aufkommen, wodurch eine informelle Form der Lernerfolgskontrolle stattfindet, auch wenn sie nicht explizit als solche benannt ist. Diese Möglichkeit einer informellen Lernerfolgskontrolle ist ein bedeutender Aspekt des Programms und trägt dazu bei, dass die Kunden ihr Verständnis der vermittelten Inhalte überprüfen und verbessern können.
Anwendungsbereich des FernUSG: Das Landgericht Oldenburg hat entschieden, dass das FernUSG auch auf Verträge zwischen Unternehmern anwendbar ist. Diese Entscheidung beruht auf einer umfassenden Auslegung des Gesetzestextes und des Gesetzeszwecks, der darauf abzielt, den Schutz der Teilnehmenden im Fernunterricht sicherzustellen, unabhängig davon, ob es sich um Verbraucher oder Unternehmer handelt.
Rechtsfolge -Nichtigkeit des Vertrags: Da der Kläger keine erforderliche Zulassung gemäß FernUSG hat, wird der Vertrag als nichtig angesehen. Dies bedeutet, dass dem Kläger keine vertraglichen Ansprüche zustehen (d.h. dieser keine Zahlung verlangen kann), und es muss nicht mehr entschieden werden, ob der Beklagte den Vertrag wirksam angefochten, widerrufen oder gekündigt hat.
Fazit: In Anbetracht der rechtlichen Komplexität und der spezifischen Umstände jedes Falles ist es von entscheidender Bedeutung, jeden Fall individuell zu überprüfen, bevor rechtliche Schritte eingeleitet werden. Insbesondere sollte man die Voraussetzungen des Fernunterrichtsschutzgesetzes (FernUSG) und die entsprechenden Vertragsunterlagen sorgfältig prüfen, um festzustellen, ob sie auf den eigenen Fall zutreffen. Im Ergebnis lässt sich festhalten: Bevor Sie die Honorarforderungen bezahlen, sollten Sie den zugrunde liegenden Vertrag auf seine Wirksamkeit überprüfen lassen.
Sollten Sie Beratungsbedarf bzgl. der Wirksamkeit von Coaching-Verträgen haben dann schreiben Sie uns eine E-Mail an info@lindenthal-schmidt.de oder rufen uns an unter der Nummer: 0441 20 572 407.
Ob außergerichtlich oder vor Gericht – wir vertreten Ihre Interessen nachdrücklich und konsequent.
In Oldenburg und bundesweit.
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