Online-Glücksspiel – LG Stuttgart 52 O 160/22 zur Verantwortlichkeit bei Betreiberwechsels einer Glücksspielplattform
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Nach dem der BGH kürzlich in einem ersten relevanten Statement zum Thema Rückforderungen bei Sportwetten die Ampel ein gutes Stück auf grün gestellt hat, ist es weiterhin wichtig, auch die Urteile und Entscheidungen anderer Gerichte zur Glücksspielproblematik nicht außer Acht zu lassen. Das betrifft insbesondere mögliche Nebenprobleme, welche aber durchaus einen erheblichen Einfluss auf einen Prozess und den Prozessausgang haben können.
So äußerte sich kürzlich das Landgericht Stuttgart 52 O 160/22 in einem Urteil vom 28.02.2024 zur Frage, wie es sich denn auf einen Rückzahlungsanspruch auswirkt, wenn der Betreiber der genutzten Spieleplattform wechselt. Gerade der Wechsel der Betreiber ist für Spieler und auch deren Anwälte nicht selten ein Ärgernis, denn es stellt sich stets die Frage neu: wer ist denn nun verantwortlicher Betreiber, wer ist also zu verklagen?
In der Regel gilt: der Betreiber der Plattform zum Zeitpunkt des Spiels ist verantwortlich und daher auch Klagegegner. Nun ist es aber kein wohlgehütetes Geheimnis, dass in der Vergangenheit die Betreiber der Angebotsplattformen regelmäßig, teilweise auch in relativ kurzen Abständen, wechselten. Das sicherlich nicht ohne guten Grund.
So auch im Fall des LG Stuttgart. Sehr grob vereinfacht dargestellt war dort in der Zeit bis 31.12.2015 die ABC Ltd. Betreiber des Spielangebots, bei dieser hatte sich der Spieler auch registriert. Ab dem 01.01.2016 war nun die XYZ Ltd als Betreiber der web-Seite verantwortlich, wobei sich weder die web-Seite noch das Spielangebot im Wesentlichen verändert hatten. Der Kläger verlangt Rückzahlungen seiner getätigten Einsätze und verklagt die ab 01.01.2016 zuständige XYZ Ltd.
Die verklagte Ltd. verteidigte sich naturgemäß damit, dass sie für die vor dem 01.01.2016 entstandenen Verluste nicht verantwortlich und damit nicht haftbar sein könne. Dazu führt nun das LG Stuttgart aus, dass eine Verantwortlichkeit des neuen Angebotsbetreibers jedenfalls dann angenommen werden kann, wenn die genutzte web-Seite und damit das Spielangebot komplett unverändert übernommen werden und mit Übernahme der Spielerkonten für die Spieler keinerlei Änderungen im Rahmen der Nutzung bestehen. Das LG Stuttgart geht also davon aus:
„Die Beklagte hat das Glücksspielangebot einer anderen Betreibergesellschaft bei unveränderter Weiterführung der identischen Domain und Website und insbesondere des Spielerkontos übernommen. Im Angebot der Beklagten, mit dem bisherigen Nutzerkonto auf der gleichen Plattform weiterzuspielen, kann bei objektiver Auslegung auch das Angebot der Übernahme des Rahmenvertrages mit dem bisherigen Anbieter samt der mit ihm verbundenen einzelnen Spiele, verbuchten Spieleinsätze und Gewinnausschüttungen gesehen werden. Dieses Angebot müsste der Kläger aber - etwa konkludent durch aktive Weiternutzung seines Accounts - angenommen haben.“
Erfährt das Spielangebot nach dem Wechsel der Betreiber also keinerlei Veränderungen und spielt der Spieler vollkommen unverändert weiter, dann liegt jedenfalls nach Auffassung des LG Stuttgart, eine Vertragsübernahme durch den neuen Angebotsbetreiber vor. Damit übernimmt der neue Betreiber auch sämtliche Rechte und Pflichten des vorherigen Betreibers. Die Folge daraus ist, dass gegen den neuen Betreiber auch Verluste geltend gemacht werden können, welche bereits vor dem Betreiberwechsel gegenüber dem vormaligen Anbieter entstanden sind.
Diese Sichtweise ist nicht neu. Zuvor hatte auch das LG Heilbronn We 6 O 345/21 im Februar 2023 bereits zu einer vergleichbaren Sachlage entschieden, dass jedenfalls durch die Übernahme der bestehenden Spielverträge kein neuer Vertrag zwischen Spieler und übernehmender Gesellschaft getroffen wurde, sondern der Spieler einfach und simpel durch Weiterspielen seine Zustimmung zu einer Vertragsübernahme zu unveränderten Konditionen gegeben hat. Auch das LG Heilbronn geht somit davon aus:
„Denn die gesamte Struktur des Online-Angebots wurde beibehalten und die Spieleraccounts wurden unverändert fortgeführt. Gleichzeitig wurde mit den jeweiligen Kunden und so auch der Klägerin kein neuer Vertrag abgeschlossen. Vielmehr hätte die Klägerin durch Akzeptieren der neuen AGB – dies unterstellt - der Vertragsübernahme zugestimmt. Jedenfalls durch das unstreitige Fortsetzen der Spieleraktivität und Weiternutzung ihres Spieleraccounts hat die Klägerin zumindest konkludent ihre Zustimmung zur Vertragsübernahme durch die Beklagte erteilt.“
Die Annahme bzw. Konstruktion einer solchen Vertragsübernahme kann natürlich erheblich die Forderungsdurchsetzung zugunsten des Spielers vereinfachen. In der Praxis kann es durchaus Schwierigkeiten geben, gerade bei langen Spielzeiträumen, den verantwortlichen Betreiber zu lokalisieren. Schnell kann dann das Problem tatsächlich auftauchen, dass der Anbieter, welcher die Auskunft über die Spielhistorie erteilt, gar nicht über den gesamten Zeitraum Betreiber des Spielangebots war. Das ist oft schon deshalb auf den ersten Blick nicht zu erkennen, da die Namen der jeweils sich ablösenden Gesellschaften sich stark ähneln. Da wird beispielsweise bildlich gesprochen eine „Spiele International Spass Ltd.“ mal eben schnell zur „Spiele International Sport Ltd.“.
Natürlich, nicht immer ist eine vermeintliche „neue“ Gesellschaft wirklich neu. In anderen Varianten ändert sich nur der Name, ausweislich des jeweiligen Business Registers ist es dennoch die gleiche Firma. Das Verwirrspiel ist mannigfaltig. Lässt sich daher in der Verantwortungskette jeweils eine mögliche Vertragsübernahme in der dargelegten Form belegen, könnten Probleme in der Nachweisbarkeit der Verantwortung für den Spielbetrieb deutlich minimiert werden. Dann käme es auf den Sachvortrag des beklagten Anbieters an, ob ihm der Beweis des Gegenteils gelingt.
Doch Vorsicht, ein Betreiberwechsel kann im umgekehrten Fall weiterhin schwierig sein. Nämlich dann, wenn nicht der übernehmende Betreiber verklagt wird, sondern der ursprüngliche Betreiber des Spielangebots. In dieser Konstellation entfällt eine Verantwortlichkeit des ursprünglichen Betreibers mit Abgabe an den neuen Betreiber. Dann können nur die Verluste gefordert werden, welche bis zur Übernahme entstanden sind. In der Folge wäre dann zusätzlich der neu übernehmende Betreiber heranzuziehen. Das muss im konkreten Fall daher exakt und sauber geprüft werden.
Es wurde in den letzten Tagen vermehrt die Frage gestellt, welche Probleme nach den Ausführungen des BGH denn überhaupt noch bestehen könnten, die einen Rückforderungsprozess erschweren. Die mögliche unklare Verantwortlichkeit des zu verklagenden Anbieters kann demnach als Beispiel einer solchen Schwierigkeit gesehen werden. Dies zeigt, dass trotz der positiven Signale des BGH ein Rückforderungsprozess nicht zwingend ein Selbstläufer ist. Eingehende Beratung und anwaltliche Betreuung ist daher weiterhin dringend zu empfehlen.
Sollten Sie Rückfragen zu diesem oder einem anderen Sachverhalt haben, können Sie mich gern kontaktieren. Sie erreichen mich idealerweise über das Kontaktformular oder per Email.
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