Online-Handel: Angebotene Ware muss verfügbar sein
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Der Online-Handel boomt – mit einem Klick kann man ganz bequem vom Sofa aus Waren einkaufen und sich nach Hause liefern lassen. Wer per Vorkasse zahlt, geht allerdings ein hohes Risiko ein: Am Ende hat man nämlich für eine Ware Geld überwiesen, die der Online-Händler gar nicht mehr vorrätig hat und damit auch nicht liefern kann. Um genau diese Konstellation und damit spätere Auseinandersetzungen mit dem Kunden zu vermeiden, müssen Online-Händler ihr Angebot eigentlich aktualisieren bzw. entfernen, wenn der Warenvorrat aufgebraucht und ihnen eine Lieferung daher unmöglich ist.
Händler hat verkauftes Elektrorad nicht auf Lager
Ein Händler verkaufte über das Internet Elektrofahrräder. Von einem Rad-Modell hatte er insgesamt nur ca. 40 Exemplare auf Lager – worauf er im Rahmen des Angebots hinwies und eine Lieferzeit von zwei bis vier Tagen angab. Ein Testkäufer erwarb im Auftrag eines Mitbewerbers ein Fahrrad dieses Modells, das der Online-Händler aber prompt mit der bestellten Rahmengröße 54 nicht mehr vorrätig hatte.
Nach der Bestellung erhielt der Testkäufer eine automatische Bestätigungs-E-Mail samt Zahlungsaufforderung. Keine Stunde später wurde er erneut angeschrieben: Der Online-Händler erklärte in der E-Mail, das bestellte Rad nicht auf Lager zu haben, bot aber das neue Modell an, das jedoch erst Anfang des nächsten Jahres auf den Markt komme.
Der Mitbewerber zog daraufhin vor Gericht: Der Online-Händler habe schließlich unlautere „Lockvogelwerbung“ betrieben, als er eine Ware angeboten hat, die er gar nicht liefern kann. Der Online-Händler erklärte, er habe sich nichts zuschulden kommen lassen. Das letzte Rad mit dieser Rahmengröße hatte er nur wenige Tage vorher an einen anderen Kunden verkauft, der die Rechnung unverzüglich beglichen hatte. Er habe daher nur nicht sofort den Datenbestand angepasst – ein Warenwirtschaftssystem, das die Anpassung der Angebote automatisch vornehme, sei für ihn nämlich zu teuer. Im Übrigen sei das ersatzweise offerierte Rad-Modell sogar qualitativ hochwertiger. Letztendlich habe er ausreichend auf den geringen Warenvorrat hingewiesen – ein Kunde könne deshalb, anders als z. B. in einem Laden vor Ort, bei Nichtverfügbarkeit des Rads jederzeit vom Kauf absehen.
Lockangebote sind wettbewerbswidrig
Das Oberlandesgericht Hamm hielt das Vorgehen des Online-Händlers für wettbewerbswidrig und verpflichtete ihn, derartige Angebote von seiner Website zu nehmen und ein erneutes Einstellen zukünftig zu unterlassen, vgl. § 8 I 1 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Schließlich hat der Händler seine Kunden nicht darüber aufgeklärt, dass er die bestellbare Ware gar nicht vorrätig hat – sie dennoch im Internet zum Verkauf anzubieten, stellte daher eine unzulässige Lockvogelwerbung nach § 3 III UWG i.V.m. Nr. 5 des Anhangs zu § 3 III UWG dar.
Angebot „lockt“ Kunden an
Das Argument, ein Kunde könne im Internet jederzeit vom Kauf der bestellten Ware Abstand nehmen, wenn sie nicht verfügbar sein sollte, hielt das Gericht nicht für stichhaltig. Denn sofern der Erwerber bereits sofort den Kaufpreis gezahlt hat, ist er eher geneigt, eine andere Ware zu nehmen, wenn ihm erklärt wird, dass die gewünschte Sache nicht vorrätig ist – schließlich will er in der Regel einen langwierigen Streit mit dem Verkäufer vermeiden. Den Laden vor Ort kann man dagegen unverrichteter Dinge verlassen, ohne sich eine andere Ware als die erwünschte „aufschwatzen“ zu lassen.
Entfernung des Angebots?
Da Internetangebote jederzeit flexibel geändert bzw. aktualisiert werden können, erwarten Kaufinteressenten darüber hinaus, dass die Angebote der Wahrheit entsprechen und der Händler über ausreichend Warenbestand verfügt. Ist die Ware also nicht mehr lieferbar, muss er das entsprechende Angebot zumindest von seiner Internetpräsenz entfernen. Das ist vorliegend jedoch nicht geschehen – obwohl der Online-Händler nicht mehr über ein Elektrofahrrad mit Rahmengröße 54 verfügte, hat er es dennoch zum Verkauf angeboten.
Hinweis auf geringen Warenvorrat bzw. Ersatzlieferung ausreichend?
Zwar hat er auf seiner Internetpräsenz darauf hingewiesen, dass er nur über eine beschränkte Anzahl der Fahrräder verfügt. Für Kaufinteressenten entsteht aufgrund dieser Erklärung jedoch der Eindruck, dass der Händler die Fahrräder durchaus vorrätig hat – man sich aber lediglich mit dem Bestellen beeilen sollte, um noch eines der wenigen Fahrräder zu bekommen. Der Hinweis war damit unzureichend.
Ein Händler kann nach Nr. 5 der Anlage zu § 3 III UWG theoretisch auch eine gleichartige Ware als Ersatz anbieten – nötig sind aber ein entsprechender Hinweis sowie die Lieferbarkeit der gleichartigen Ware zur Zeit der Bestellung. Ob das neuere Modell eine gleichartige Ware ist, klärte das Gericht nicht. Denn das Angebot einer Ersatzlieferung entlastete den Online-Händler schon deshalb nicht von seinem wettbewerbswidrigen Handeln, weil das neuere Modell des Elektrofahrrads erst einige Monate später erhältlich war. Er konnte es somit zur Zeit der Bestellung durch den Testkäufer noch gar nicht liefern.
(OLG Hamm, Urteil v. 11.08.2015, Az.: 4 U 69/15)
(VOI)
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