Ratgeber zum Widerrufsrecht bei Immobilien-Darlehen - Rechtsanwalt beantwortet häufige Fragen

  • 7 Minuten Lesezeit

Seit 2002 haben Darlehensnehmer von Immobiliendarlehen ein zweiwöchiges Widerrufsrecht. Diese Zweiwochenfrist beginnt allerdings erst dann, wenn der Darlehensnehmer über das Widerrufsrecht vollständig und richtig informiert wurde. Dabei sind Banken und Sparkassen allerdings in sehr vielen Verträgen Fehler unterlaufen. Dies hat zur Folge, dass das zweiwöchige Widerrufsrecht noch nicht zu laufen begonnen hat und die Darlehensnehmer auch heute noch ihre Darlehensverträge widerrufen können. Dies betrifft sowohl aktuell noch laufende Darlehensverträge als auch schon beendete.

Nachfolgende Darstellung soll versuchen, häufige Fragen zu beantworten.

Widerruf von Darlehensverträgen – worum geht es dabei?

Der Gesetzgeber hat dem Darlehensnehmer seit 2002 zum Schutz das Recht eingeräumt, die Vertragserklärung nach Ihrer Abgabe noch widerrufen zu können, eine so genannte Überlegungsfrist. In dieser Zeit ist der Vertrag in der Schwebe, er ist weder wirksam noch ist er unwirksam. Kommt der Darlehensnehmer in dieser Überlegungsfrist zu der Entscheidung, den Vertrag letztlich doch nicht zu wollen, so hat er nun die Möglichkeit, bis zum Ablauf der Frist seine Willenserklärung gegenüber der Bank zu widerrufen.

Damit die Kunden von diesem Recht Kenntnis erlangen und es auch ausüben können, müssen Sie über dieses Recht informiert werden. Dies geschieht durch die sogenannte Widerrufsbelehrung. Der Gesetzgeber hat bestimmt, dass die Widerrufsbelehrung deutlich gestaltet sein muss. Dies betrifft sowohl die äußere Darstellung und soll bewirken, dass der Darlehensnehmer das Widerrufsrecht in den oft umfangreichen Verträgen auch erkennt durch besondere Schriftart, Umrahmung farbliche Absetzung etc. Darüber hinaus muss die Belehrung auch inhaltlich deutlich sein, den Darlehensnehmer insbesondere über den Beginn der Frist, das Ende der Frist, die Form des Widerrufs und seine Folgen unmissverständlich informieren.

Zur Vereinfachung für die Unternehmer hat der Gesetzgeber dann sogenannte Musterwiderrufsbelehrung in geschaffen. Diese Musterwiderrufsbelehrungen geben vor, wie eine deutliche Widerrufsbelehrung aussieht. Nun haben viele Banken diese Musterwiderrufsbelehrungen nicht zu 100 % übernommen. Stattdessen haben diese die Belehrungen sowohl inhaltlich auch von der äußeren Gestaltung her bearbeitet.

In vielen Fällen ist die Widerrufsbelehrung durch die Bearbeitung falsch geworden. Ist die Belehrung falsch, so beginnt die Widerrufsfrist von 14 Tagen nicht zu laufen und so steht das Widerrufsrecht dem Darlehensnehmer auch noch nach vielen Jahren zu. D.h., auch Verträge aus den Jahren 2002 können widerrufen werden. Es können auch Verträge widerrufen werden, welche bereits durch vorzeitige Ablösung bei der Bank (z.B. im Falle eines Verkaufs des Hausgrundstückes ) und Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung beendet wurden.

Warum ist Handeln jetzt notwendig?

Vor kurzem hat der Gesetzgeber die Rechtslage geändert. Aus diesem Grunde muss ein Widerruf für alte Verträge, welche zumindest in der Zeit von 2002 bis März 2016 geschlossen wurden, bis spätestens 21. Juni 2016 den Banken und Sparkassen gegenüber erklärt werden.

Welche Vorteile hat ein Widerruf für den Darlehensnehmer?

Der Grund, weshalb das Widerrufsrecht momentan einen derart hohen Stellenwert hat, liegt darin, dass aktuell die Zinsen für Neuverträge auf einem historisch niedrigen Wert liegen. So ist es keine Seltenheit, wenn normale Darlehensverträge für Immobilienfinanzierungen mit einer Zinsfestschreibungsfrist von 10 Jahren einen Zinssatz von unter 2 % p. a. aufweisen.

1. Ausstieg aus laufendem Darlehensvertrag

Aus diesem Grund ist es interessant, einen aktuell laufenden Darlehensvertrag mit hohem Zinssatz durch Widerruf zu beenden und die weitere Finanzierung mit erheblich geringeren Zinsen fortzuführen. So lassen sich mehrere 1000 € sparen, in Einzelfällen sogar über 10.000 €.

2. Rückforderung schon gezahlter Vorfälligkeitsentschädigung

Darlehensnehmer, welche ihren Vertrag vorzeitig beendet haben, mussten an die Bank oftmals Vorfälligkeitsentschädigung in erheblicher Höhe zahlen. Mit einem Widerruf lässt sich diese Vorfälligkeitsentschädigung zurückverlangen.

3. Rückforderung von Nichtabnahmeentschädigung

Darlehensnehmer, welche sich womöglich günstige Zinsen für eine spätere Zeit sichern wollten, haben ein sogenanntes Forward-Darlehen abgeschlossen. Wird dieses Darlehen dann jedoch nicht mehr in Anspruch genommen, ist eine Nichtabnahmeentschädigung zu zahlen. Auch diese kann schnell fünfstellige Summen erreichen. Mit einem Widerruf können auch derartige Zahlungen von den Banken zurückverlangt werden.

Was sind typische Fehler in den Widerrufsbelehrungen der Banken und Sparkassen?

In folgenden Regelungspunkten sind häufig Fehler in den Widerrufsbelehrungen anzutreffen:

1. Optisch undeutlich

Oft ist die Belehrung im Vertragstext versteckt, extrem klein geschrieben, nicht ausreichend hervorgehoben, über zwei Seiten verteilt oder sind auf einer Seite mehrere Belehrung erteilt.

2. Ergänzung von Fußnoten

Haben Banken Fußnoten innerhalb ihrer Belehrungen, die nicht im Muster vorgesehen waren, so ist die Belehrung fehlerhaft. Die Sparkasse hat oft Fußnoten verwandt, nach welchen „die Frist im Einzelfall zu prüfen“ war. Dies werteten viele Oberlandesgerichte als undeutliche Widerrufsbelehrung.

3. Keine Hinweise auf rechtliche Konsequenzen

Wenn Rechtsfolgen innerhalb der Belehrungen nicht oder falsch erläutert wurden, ist die Belehrung fehlerhaft. So wurde oftmals der Hinweis unterlassen oder irreführend gestaltet, dass der Verbraucher seine Zahlungsverpflichtungen innerhalb von 30 Tagen nach Widerruf, die Bank ihre Zahlungspflichten 30 Tage nach Erhalt des Widerrufs zu erfüllen hat.

4. fehlerhafte Fristbelehrung

Der häufigste Fehler in Widerrufsbelehrungen war jedoch die Angabe einer falschen Frist für die Erklärung des Widerrufs. Die Klausel „Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung.“ wurde vom Bundesgerichtshof BGH als undeutlich angesehen und berechtigt zum Widerruf.

Kann ich als Darlehensnehmer selbst auch bei der Bank widerrufen?

Für den Widerruf bei der Bank benötigen Sie grundsätzlich keine anwaltliche Hilfe. Sie können an die Bank selbst ein Schreiben verfassen, in welchen Sie den Darlehensvertrag und die Darlehensnehmer genau bezeichnen und dann den Widerruf erklären. Damit Ihnen bei der Formulierung keine für Sie nachteiligen Fehler unterlaufen, empfiehlt es sich schon, auch dies mit einem Anwalt abzustimmen. Viele bieten diesbezüglich kostenfreie Musterschreiben an.

Die Bank wird in der Regel auf die gesetzte Frist reagieren und Ihnen mitteilen, ob sie den Widerruf akzeptiert. Lehnt die Bank dem Widerruf ab, sollten Sie sich spätestens dann anwaltliche Hilfe suchen.

Im Übrigen ist auch die schriftliche Ablehnung der Bank die Voraussetzung, um bei der Rechtsschutzversicherung Antrag auf Übernahme der Kosten (Anwalt und Gericht) für die weitere Auseinandersetzung zu stellen.

Wenn die Bank den Widerruf akzeptiert, muss ich sofort die ganze Darlehenssumme zurückbezahlen?

Der Widerruf ändert den Darlehensvertrag in ein „Rückabwicklungsverhältnis“ um.

Ist Ihr Widerruf erfolgreich, müssen Sie der Bank die gesamte Kreditsumme innerhalb von 30 Tagen zurückzahlen. Dabei werden bereits erfolgte Ratenzahlungen zunächst ignoriert. Es ist daher wichtig, dass Sie vor dem Widerruf ganz sicher sind, dass Sie den Kreditbetrag aus eigener Tasche begleichen können oder bereits die definitive Zusage einer Bank für eine neue Finanzierung haben. Ansonsten gehen Sie bei einem Widerruf ein Risiko ein.

Zusätzlich müssen Sie einen Wertersatz leisten. Das heißt, Sie müssen die vereinbarten Zinsen auf die noch offene Darlehenssumme zahlen. Zu Grunde gelegt wird dabei zunächst der Vertragszins. Kann man nachweisen, dass im Zeitpunkt des Vertragsschlusses der durchschnittliche Zinssatz für derartige Kredite geringer war, so ist bei der Berechnung dieser Zinssatz zu Grunde zu legen. Der durchschnittliche Zinssatz ergibt sich aus den Statistiken der Deutschen Bundesbank (SUD 116 – 118).

Die Bank ihrerseits muss alle vom Darlehensnehmer gezahlten Raten (Zinsen und Tilgungen) mit 5 % über Basiszins an Sie zurückzahlen. In der Praxis werden die Ansprüche der jeweiligen Seite zunächst errechnet und dann voneinander abgezogen. Je nach Fallgestaltung ist nach dieser Berechnung entweder noch die Bank zur Zahlung verpflichtet oder der Darlehensnehmer.

Muss ich einen Anwalt beauftragen und was kostet das?

Für den Widerruf an sich brauchen Sie grundsätzlich nicht zwingend die Hilfe eines Anwalts, auch wenn es sich aus Vorsichtsgründen empfiehlt. Spätestens aber dann, wenn die Bank ihren Widerruf zurückweist und ihnen dabei eine seitenlange Antwort voller Paragraphen und Urteile schickt, empfiehlt sich, einen spezialisierten Anwalt einzuschalten.

Die Kosten des Anwalts und des Gerichtsverfahrens richten sich nach dem Streitwert. Beispielhaft listen wir die möglichen Gesamtkosten eines gerichtlichen Verfahrens für eine Instanz nachfolgend für einen Streitwert von 5.000 €, 10.000 € und 20.000 € auf. Diese Kosten entstehen Ihnen, wenn Sie im Verfahren vor Gericht gegen die Bank vollständig unterliegen.

Streitwert

Gesamtkosten 1. Instanz

5.000 €

– 2.288,46   €

10.000 €

– 4.090,70 €

20.000 €

– 5.497,50 €

Für den Fall, dass Ihre Rechtsschutzversicherung einspringt, übernimmt die Rechtsschutzversicherung diese Kosten. Sie haben allenfalls eine vereinbarte Selbstbeteiligung (in der Regel 150 €) zu zahlen. Welche Kosten in ihrem speziellen Fall ganz genau entstehen bzw. entstehen können, erfragen Sie bei Ihrem Anwalt.

Wann übernimmt die Rechtsschutzversicherung die Kosten?

Ausschlaggebend für den Versicherungsschutz ist der sogenannte „Schadenszeitpunkt“, also der Zeitpunkt, an dem die Bank einen Widerruf von Ihnen abgelehnt hat.
In den Versicherungsbedingungen finden sich allerdings auch häufig Leistungsausschlüsse, z.B.

  • Bei neu errichteter oder sanierter Immobilie, greift die Rechtsschutzversicherung nicht ein.
  • Bei einer Umschuldung oder bei einer Anschlussfinanzierung
  • Bei vermieteten Objekten

Ein spezialisierter Anwalt wird Ihnen helfen, die richtige Strategie in Ihrem speziellen Fall zu finden.


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