Rauswurf wegen Kritik – Was Arbeitnehmer wissen müssen!

  • 3 Minuten Lesezeit

In einem Urteil (BAG, Az. 2 AZR 356/21) hat das Bundesarbeitsgericht klargestellt, dass die Beweislast für eine Kündigung stets beim Arbeitgeber liegt. Dies gilt selbst dann, wenn das Verhalten des Arbeitnehmers strafrechtlich relevant sein könnte, beispielsweise im Fall von übler Nachrede (§ 186 StGB). Doch was bedeutet dies konkret für Arbeitnehmer und Arbeitgeber? Hier erfahren Sie die wichtigsten Details und rechtlichen Hintergründe.

Der Fall: Konflikte am Arbeitsplatz und die Konsequenzen

Im vorliegenden Fall ging es um eine Mitarbeiterin, die sich kritisch gegenüber einer Vorgesetzten äußerte. Die Klägerin hatte per E-Mail, unterzeichnet mit „Die Mitarbeiter des Infopoints“, Vorwürfe gegen ihre Vorgesetzte erhoben. Sie behauptete, diese habe Fehlverhalten gedeckt und versucht, problematische Vorfälle zu vertuschen. Diese E-Mail wurde an den Vorstand des Unternehmens gesandt, ohne zuvor den üblichen Dienstweg einzuhalten.

Der Arbeitgeber warf der Klägerin vor, mit ihren Behauptungen bewusst unwahre Tatsachen verbreitet zu haben. Zudem wurde argumentiert, dass die Klägerin durch die Unterzeichnung der E-Mail mit "Die Mitarbeiter des Infopoints" den Eindruck erweckt habe, dass sie für die gesamte Belegschaft spreche, obwohl dies nicht der Fall war. In der Folge wurde ihr gekündigt, was sie gerichtlich anfocht.

Das Urteil: Beweislast liegt beim Arbeitgeber

Das Bundesarbeitsgericht stellte klar:

  • Der Arbeitgeber trägt die Beweislast für den Kündigungsgrund. Dies umfasst nicht nur das Verhalten des Arbeitnehmers, sondern auch die Nachweise, dass keine milderen Mittel (z. B. Abmahnungen) ausreichend wären.
  • Auch wenn das Verhalten des Arbeitnehmers strafrechtlich relevant sein könnte, etwa bei übler Nachrede, bleibt die Kündigungsschutzregelung unberührt. Das Arbeitsgericht muss prüfen, ob die Kündigung sozial gerechtfertigt ist (§ 1 Abs. 2 KSchG).

Welche Kriterien machen eine Kündigung sozial gerechtfertigt?

Eine Kündigung ist sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer seine Pflichten erheblich und schuldhaft verletzt hat. Folgende Punkte müssen dabei erfüllt sein:

  • Erhebliche Pflichtverletzung: Die Verfehlung muss das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nachhaltig beeinträchtigen.
  • Verhältnismäßigkeit: Mildere Mittel, wie Abmahnungen, dürfen nicht ausreichen.
  • Interessenabwägung: Die Interessen des Arbeitgebers müssen das Interesse des Arbeitnehmers an einer Weiterbeschäftigung überwiegen.

In diesem Fall war unklar, ob die Vorwürfe der Klägerin tatsächlich vorsätzlich unwahr waren. Das BAG entschied, dass diese Frage in der unteren Instanz nicht hinreichend geklärt wurde, und verwies den Fall zurück.

Die Rolle des Betriebsrats

Ein weiteres Problem war, dass der Arbeitgeber den Betriebsrat vor der Kündigung nicht vollständig über alle relevanten Kündigungsgründe informiert hatte (§ 102 BetrVG). Das BAG betonte, dass eine Kündigung unwirksam sein kann, wenn die Betriebsratsanhörung unzureichend war. Dies gilt selbst dann, wenn andere Gründe vorliegen, die die Kündigung rechtfertigen könnten.

Abfindung als letzte Lösung?

Das BAG wies zudem darauf hin, dass Arbeitgeber in Fällen schwerer Konflikte das Arbeitsverhältnis durch Gerichtsbeschluss auflösen lassen können (§§ 9, 10 KSchG). Dies setzt voraus, dass eine weitere Zusammenarbeit unzumutbar ist. Eine Abfindung wird dabei in der Regel auf Grundlage der Betriebszugehörigkeit und des Verschuldens beider Parteien festgelegt.

Im vorliegenden Fall hatte der Arbeitgeber einen solchen Auflösungsantrag gestellt. Das BAG bemängelte jedoch, dass die unteren Instanzen nicht ausreichend geprüft hatten, ob die von der Klägerin erhobenen Vorwürfe tatsächlich wahrheitswidrig waren und ob sie bewusst erhoben wurden.

Was bedeutet das für Arbeitnehmer und Arbeitgeber?

  • Für Arbeitnehmer:
    Arbeitnehmer sollten sicherstellen, dass Vorwürfe gegen Kollegen oder Vorgesetzte gut dokumentiert und belegbar sind. Wer sich unsicher ist, sollte vorab juristische Beratung in Anspruch nehmen.
    Zudem haben Arbeitnehmer das Recht, eine Kündigungsschutzklage zu erheben und ihre Weiterbeschäftigung bis zur endgültigen Entscheidung zu verlangen.

  • Für Arbeitgeber:
    Arbeitgeber sollten ihre Entscheidungen sorgfältig dokumentieren und den Betriebsrat umfassend informieren. Unzureichende Anhörungen oder nicht belegte Kündigungsgründe können schnell zur Unwirksamkeit der Kündigung führen.
    Wenn Konflikte nicht lösbar sind, kann ein Auflösungsantrag unter Zahlung einer Abfindung eine Option sein.


Rechtstipp: Sorgfalt und klare Kommunikation sind entscheidend

Das Urteil des BAG zeigt, wie komplex Kündigungsschutzverfahren sein können. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollten gleichermaßen darauf achten, ihre Position klar und nachweisbar darzustellen. Bei Unsicherheiten ist eine frühzeitige rechtliche Beratung unverzichtbar.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Dirk M. Richter

Beiträge zum Thema