Rechtliche Anknüpfungspunkte für Anleger bei der Abwertung offener Immobilienfonds

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Der rasante Zinsanstieg in den letzten Jahren, explodierende Baukosten und die zunehmenden regulatorischen Vorschriften haben aktuell zu einem erheblichen wirtschaftlichen Einbruch und zu einer Abwertung von offenen Immobilienfonds geführt. Aktuell wurden mehrere offene Immobilienfonds, beispielsweise ein milliardenschwere offener Immobilienfonds von Union Investment, erheblich abgewertet, was für viele Anleger zu einem erheblichen Kapitalverlust geführt hat.


Ähnliche Einschnitte mussten Anleger offener Immobilienfonds vor etwa fünfzehn Jahren nach der Finanzkrise im Jahr 2008 hinnehmen. Um Kapitalabfluss zu verhindern, wurden damals zahlreiche „offene“ Immobilienfonds geschlossen, mit der Folge, dass Anleger ihre Beteiligung währen der Schließungsphase nicht mehr liquidieren konnten. Die Rechtsprechung hatte seinerzeit bereits Gelegenheit, sich mit den hiermit verbundenen rechtlichen Fragen, die sich nun aktuell wieder stellen werden, zu befassen.


Hierzu Folgendes:


1.

In vielen Anlageprospekten und Risikoklassifizierungen, aber auch im Rahmen der persönlichen Beratung sind Investitionen in offene Immobilienfonds als „risikoarm“ eingestuft worden. Vielfach wurde die Investition in einen offenen Immobilienfonds im Rahmen einer Risikoklassifizierung nur der Risikostufe 2 zugeordnet.


In rechtlicher Hinsicht stellt sich allerdings wegen des Risikos der Fondschließung sehr häufig die Frage, ob ein Anlageberater eine Investition in einen offenen Immobilienfonds auch risikoscheuen Anlegern empfehlen darf. Denn die Empfehlung eines Anlageberaters muss auf die persönlichen Verhältnisse des Kunden zugeschnitten sein („profilgerechte Beratung“), vgl. beispielhaft BGH, Urteil vom 24.04.2014 – III ZR 389/12 – juris, Tz. 27; BGH, Urteil vom 11.12.2014 – III ZR 365/13 – juris Tz. 13.


Dies bedeutet, dass der Anlageberater grundsätzlich die Vermögensverhältnisse aber auch die Risikogeneigtheit des Kunden bei seinen Empfehlungen berücksichtigen muss, und keine Empfehlung erteilen darf, die zu dem Profil des Anlegers nicht passt.


Offene Immobilienfonds wurden häufig deswegen als „risikoarme“ Kapitalanlagen empfohlen, weil es Anlegern hier (anders als etwa bei geschlossenen Immobilienfonds) grundsätzlich freisteht, die Beteiligung jederzeit zu liquidieren. Nach der Finanzkrise im Jahr 2008 hat sich jedoch bereits gezeigt, dass in diesem Zusammenhang die erhebliche Einschränkung besteht, dass die Fondsgesellschaften insbesondere im Falle eines drastischen Kapitalentzugs – wie er auch gegenwärtig bei einigen Fonds in Folge der Abwertung droht – die Möglichkeit haben, den Fonds zu schließen.


Ob vor diesem Hintergrund offene Immobilienfonds, auch abhängig von ihrer Ausgestaltung im Einzelfall, auch risikoscheuen Anlegern im Rahmen einer profilgerechten empfohlen werden dürfen, ist im Einzelfall zu prüfen.


2.

Im Rahmen der objektgerechten Beratung muss der Anlageberater außerdem über sämtliche für die Anlageentscheidung relevanten Produktrisiken aufklären.


Der Bundesgerichtshof hat durch seine Urteile vom 29.04.2014 – XI ZR 477/12 – und – XI ZR 130/13 – nach der Finanzkrise 2008 grundlegend entschieden, dass der Anlageberater bei offenen Immobilienfonds über das Risiko, dass die Fondsgesellschaft die Rücknahme der Anteile auszusetzen kann, auch ungefragt ausdrücklich informieren muss.


Denn die ansonsten für den Anleger bestehende Möglichkeit, das investierte Kapital zu liquidieren und hierdurch Verluste zu minimieren, ist während der Schließungsphase eines ansonsten „offenen“ Immobilienfonds gerade ausgeschlossen. Das sogenannte Fungibiliätsrisiko (d.h. das Risiko der eingeschränkten Handelbarkeit) ist also auch bei „offenen“ Immobilienfonds aufklärungspflichtig.


Die Aufklärung über anlagerelevante Risiken kann zwar nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung des XI. und III. Zivilsenats des BGH auch in Emissionsprospekten erfolgen.


Diese müssen aber deutlich und unmissverständlich gestaltet sein und im Übrigen dem Anleger so rechtzeitig vor seiner Anlageentscheidung übergeben worden sein, dass es ihm möglich ist, den Inhalt der meistens sehr ausführlichen Emissionsprospekte zur Kenntnis zu nehmen.


Dabei spielt in der Praxis leider häufig der Gesichtspunkt eine Rolle, dass der Anlageberater Risikohinweise in den Emissionsprospekten nicht durch mündliche Angaben verharmlosen oder herabspielen darf, vgl. BGH, Urteil vom 23.03.2017 – III ZR 93/16 –; BGH, Urteil vom 10.01.2019 – III ZR 109/17 –.


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