Rückzahlung von Verlusten beim Online-Glücksspiel – eine Übersicht zur aktuellen Rechtslage
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Nach dem Glücksspielstaatsvertrag sind Online-Casinos mit ihren Glücksspielangeboten nach deutschem Recht illegal – von Ausnahmefällen in Schleswig-Holstein einmal abgesehen. Was kann getan werden, wenn man sich trotzdem beteiligt und Verluste erlitten hat? Besteht die Möglichkeit, das verlorene Geld zurückzufordern?
Rückforderung beim Online-Casino
Zunächst kann tatsächlich der Betreiber des Online-Casinos in Anspruch genommen werden. Ziel des Glücksspielstaatsvertrages ist gemäß § 1 S. 1 Nr. 3 der Jugend- und Spielerschutz. Die Regelungen des Glücksspielstaatsvertrages sind damit als Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB zu qualifizieren. Wer gegen die Regelung des Glücksspielstaatsvertrages verstößt, schuldet damit Schadensersatz.
Außerdem ist der zivilrechtliche Spielvertrag, den der Spieler mit dem Online-Casino abschließt, gemäß § 134 BGB nichtig. Aufgrund dessen schuldet der Spieler seine zugesagten Spieleinsätzen nicht. Bereits geleistete Spiel einsetzen können gemäß § 812 BGB aufgrund einer ungerechtfertigten Bereicherung zurückgefordert werden. § 762 BGB gilt in Fällen unerlaubten Glücksspiels nicht.
Hierbei ist auch gegenüber ausländischen Online-Casinos deutsches Recht anzuwenden. Mehr noch: Aufgrund anderer europäischer Verordnungen kann ein Verbraucher seine Ansprüche unter Umständen sogar vor deutschen Gerichten geltend machen. Dies gilt vor allem dann, wenn der Betreiber des Online-Casinos seine Tätigkeit auf den deutschen Markt ausgerichtet hat, insbesondere durch deutschsprachige Internetseiten, .de-Topleveldomains oder durch deutschsprachige Werbung in deutschen Medien.
Grundsätzlich bestehen damit gute Erfolgsaussichten, um die Betreiber von Online-Casinos auch in Deutschland und nach deutschem Recht auf die Rückzahlung der vereinnahmten Glücksspieleinsätze in Anspruch nehmen zu können. Schwierigkeiten kann in diesen Fällen natürlich die mitunter sehr mühsame Vollstreckung eines Urteils im Ausland bereiten. Allerdings bestehen möglicherweise auch Vermögenswerte in Deutschland, die einen Vollstreckungszugriff erlauben.
Haftung der Zahlungsdiensteanbieter?
Gleichwohl ist der abschließende Erfolg eines Durchgreifens gegenüber den Betreibern der Online-Casinos damit nicht einfach. Deswegen gab es in der jüngeren Vergangenheit vermehrte Bestrebungen, nicht allein die Betreiber von Online-Glücksspielen in Anspruch zu nehmen, sondern auf andere Unternehmen in der Zahlungskette zurückzugreifen.
Hintergrund dieser Versuche sind einmal mehr die Regelungen im Glücksspielstaatsvertrag. § 4 Abs. 1 S. 2 des Glücksspielstaatsvertrages bestimmt hierzu ausdrücklich: „Das Veranstalten und das Vermitteln [von öffentlichen Glücksspielen] ohne diese Erlaubnis (unerlaubtes Glücksspiel) sowie die Mitwirkung an Zahlungen im Zusammenhang mit unerlaubtem Glücksspiel sind verboten.“
Unterschiedliche Rechtsprechung
Tatsächlich haben in diesem Zusammenhang einige Gerichte den Teilnehmern von Online-Glücksspielen in Prozessen gegenüber ihren Banken, Kreditkartenunternehmen oder Zahlungsdienstleistern Recht gegeben und darauf entschieden, dass diese gegen ihre Kunden keinen Anspruch auf Aufwendungsersatz haben, wenn Zahlungen an Betreiber von ausländischen Online-Casinos geleistet werden (Amtsgericht Wiesbaden, Urteil vom 16. Juni 2017 zum Aktenzeichen 92 C 4323/16; Amtsgericht München, Urteil vom 21. Februar 2018 zum Az. 158 C 19107/17; Amtsgericht Leverkusen, Urteil vom 19. Februar 2019 zum Aktenzeichen 26 C 346/18).
Diesen Urteilen stehen allerdings auch mehrere Entscheidungen anderer Gerichte entgegen, die den Banken, Kreditkartenunternehmen und Zahlungsdienstleistern Recht gegeben haben (Landgericht München, Urteil vom 28. Februar 2018 zum Az. 27 O 11716/17; Oberlandesgericht München, Verfügung vom 6. Februar 2019 zum Az. 19 U 793/18; Amtsgericht Berlin-Mitte, Urteil vom 29. März 2019 zum Az. 124 C 160/18, Landgericht Berlin, Urteil vom 16. April 2019 zum Az. 37 O 367/18; Landgericht Wuppertal, Urteil vom 30. Oktober 2019 zum Az. 3 O 384/18, Landgericht Hamburg, Urteil vom 3. Januar 2020 zum Az. 330 O 111/19).
Hintergründe der Rechtsprechung
Das insoweit unterschiedliche Entscheidungen ergangen sind, hängt zum einen mit nicht immer vollständig identischen Sachverhalten zusammen. Zum anderen werden durch die Gerichte auch die Regelungen des Glücksspielstaatsvertrages insbesondere mit Blick auf das angeordnete Verbot, an Zahlungen im Zusammenhang mit unerlaubtem Glücksspiel mitzuwirken, unterschiedlich interpretiert. Hinsichtlich der jeweiligen Sachverhaltskonstellation wird insbesondere hinsichtlich der Frage differenziert, ob (wie im Fall Amtsgericht München, Urteil vom 21. Februar 2018 zum Az. 158 C 19107/17) eine Zahlung mittels Kreditkarte erfolgt und ob in diesem Fall aufgrund der Verwendung des Merchant Category Codes erhöhte Transaktionskosten für den Zusammenhang mit einem Glücksspielentgelt abgerechnet worden sind, oder ob dies nicht der Fall gewesen ist (wie im Fall des Landgericht München, Urteil vom 28. Februar 2018 zum Az. 27 O 11716/17 bzw. des Oberlandesgericht München, Verfügung vom 6. Februar 2019 zum Az. 19 U 793/18).
Zum Hintergrund: Bei jeder Zahlung mit einer Kreditkarte muss das Vertragsunternehmen, das eine Zahlung für sich beansprucht, die hierfür erbrachte Leistung mit einem Zifferncode angeben. Für Wetten, Lotterielose, Casino und „Gaming“ existiert ein spezieller Merchant Category Code mit der Nr. 7995. Außerdem sehen die Preisverzeichnisse für die Kreditkartennutzung in der Regel erhöhte Gebühren für Zahlungen in Bezug auf dieses Leistungssegment vor. Diesem Aspekt dürfte – wie noch zu zeigen sein wird, eine entscheidende Bedeutung zukommen. Jedenfalls sehen die zu Gunsten der Verbraucher urteilenden Gerichte nach der Verwendung des Merchant Category Code mit der Nr. 7995 eine Pflicht der Zahlungsdienstleister begründet, sich anhand der so genannten „White List“ der Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder darüber zu informieren, ob für das entsprechende Vertragsunternehmen, das die Zahlung für sich beansprucht, eine Erlaubnis zum Anbieten öffentlicher Glücksspiele vorliegt.
Allerdings sehen manche Gerichte auch bei der Verwendung des Merchant Category Code mit der Nr. 7995 und der Abrechnung erhöhter Gebühren einen Verstoß der Zahlungsdienstleister gegen den Glücksspielstaatsvertrag nicht als gegeben an. Sie beziehen sich diesbezüglich auf die Erläuterungen zum Glücksspielstaatsvertrag aus denen sich ergeben soll, dass das Verbot zur Mitwirkung an Zahlungen erst dann besteht, wenn die Behörden der Glücksspielaufsicht ihnen gegenüber entsprechende Anordnungen getroffen haben.
Einschätzung zur Rechtslage
Diese Auffassung ist allerdings nicht unkritisch.
Zunächst stellt sich schon die Frage, welche Qualität den Erläuterungen zum Glücksspielstaatsvertrag zukommt. Unzweifelhaft können die Erläuterungen zum Glücksspielstaatsvertrag zur Auslegung herangezogen werden. Grenze der Auslegung ist allerdings stets der Wortlaut der Norm und § 4 Abs. 1 S. 2 des Glücksspielstaatsvertrages spricht sehr deutlich davon, dass die Mitwirkung an Zahlungen im Zusammenhang mit unerlaubtem Glücksspiel verboten sind. Wenn man allerdings schon die Erläuterungen zum Glücksspielstaatsvertrag bemüht, muss man diese auch vollständig zur Kenntnis nehmen. Neben den eigentlichen Erläuterungen gibt es nämlich auch die so genannten „weiteren Erläuterungen“. Dort wiederum heißt es unmissverständlich: „Zur Bekämpfung des illegalen Glücksspiels nimmt der Glücksspielstaatsvertrag auch den Finanzsektor in die Pflicht und statuiert ein allgemeines Verbot für alle am Zahlungsverkehr Beteiligten, an Zahlungen für illegales Glücksspiel mitzuwirken“.
Demnach besteht eben ein allgemeines Verbot und nicht nur ein Verbot nach entsprechenden Anordnungen der Glücksspielaufsicht. Natürlich haben die Entscheidungen, die den Banken, Kreditkartenunternehmen und Zahlungsdienstleistern Recht gegeben haben, einen entscheidenden Punkt für sich: Es ist für einen Zahlungsdienstleister nicht möglich, bei automatisierten Abläufen für die entsprechende Kontrolle zu sorgen. Allerdings kann die Kontrolle erfolgen, wenn bei Zahlungsvorgängen mittels Kreditkarte unter Verwendung es Merchant Category Code mit der Nr. 7995 eine gesonderte gegen Prüfung mit der „White List“ der Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder vorgenommen wird. Dies verursacht natürlich einen erhöhten Bearbeitungsaufwand beim Zahlungsdienstleister. Allerdings lässt er sich diesen auch vergüten, denn nur so ist zu erklären, warum ausgerechnet für Zahlungsvorgänge unter Verwendung des Merchant Category Code mit der Nr. 7995 höhere Gebühren verlangt werden als bei der Bezahlung von Schuhen oder Büchern. Auf der einen Seite lassen sich die Zahlungsdienstleister also jedenfalls bei der Verwendung von Kreditkarten den erhöhten Überprüfungsaufwand bezahlen, wollen ihn aber auf der anderen Seite kann ich erst gehabt haben. Dies ist vor allem eines: Widersprüchlich.
Bislang hat sich noch kein Gericht mit diesem Aspekt beschäftigt. Natürlich gelten die voranstehenden Ausführungen nur bei der Verwendung von Kreditkarten. Bei einer Zahlung mittels Überweisung durch den Kunden wird dieser keine Chance haben, seine Bank in Anspruch nehmen zu können. Wiederum anders verhält es sich beim Lastschrifteinzug, der noch geraume Zeit widerrufen werden kann.
4. Ausblick
Es bleibt abzuwarten, wie sich die Rechtsprechung in den kommenden Monaten zu diesen Fragen weiterentwickelt. Gegebenenfalls wird sich irgendwann der Bundesgerichtshof mit diesen Aspekten beschäftigen müssen, um abschließende Rechtsklarheit herzustellen.
Bis dahin sollten sich geschädigte Verbraucher individuell durch eine mit der Materie vertrauten Rechtsanwalt unter besonderer Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls beraten lassen, damit erfolgversprechende Erstattungs- oder Schadensersatzansprüche nicht zwischenzeitlich verjähren.
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