Sexuelle Belästigung gemäß § 184 i StGB? Fachanwalt erklärt's und bietet schnelle Hilfe.
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Sind Sie Beschuldigter einer Straftat der sexuellen Belästigung gemäß § 184 i StGB? Dann ist der folgende Beitrag von Rechtsanwalt Heiko Urbanzyk aus Coesfeld (bei Ahaus, Gescher, Borken) hilfreich, um Sie über die vorgeworfene Tat zu informieren und Ihnen aufzuzeigen inwiefern Verteidigungsansätze bestehen. Eine Verurteilung aufgrund einer Sexualstraftat geht immer mit einer starken Stigmatisierung einher und deshalb bedarf es frühzeitig einer Reaktion auf einen solchen Vorwurf und der professionellen Hilfe und Vertretung. Die Beauftragung eines professionellen Strafverteidigers ist schon im Ermittlungsverfahren sinnvoll. Bestenfalls kann Ihr Strafrechtsanwalt verhindern, dass eine öffentliche Anklage erfolgt.
Der § 184 i StGB bezeichnet die Strafbarkeit wegen sexueller Belästigung.
Welche Voraussetzungen bestehen für eine Strafbarkeit nach § 184 i StGB?
Nach § 184i Abs. 1 StGB macht sich strafbar, wer eine andere Person in sexuell bestimmter Weise körperlich berührt und dadurch belästigt. Der Strafrahmen liegt bei einer Geldstrafe oder bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe.
§ 184 i Abs. 1 StGB ist ein Delikt welches im wahrsten Sinne des Wortes eigenhändig begangen werden muss. Der Täter muss selber die andere Person körperlich berühren. Die Berührung kann sowohl an bekleideten als auch unbekleideten Körperstellen vorgenommen werden.
Beispielsweise liegt eine Berührung vor
- wenn der Täter das bekleidete Gesäß einer anderen Person mit seiner Hand kurz berührt
- oder wenn einer Person die körpernah getragene Hose und Unterhose heruntergezogen wird auch ohne Berührung von unbekleideten Körperstellen.
Die Berührung kann ebenfalls mittels eines Gegenstandes erfolgen. Beispiele dafür sind das Berühren des Gesäßes mittels einer Zeitung oder das Drücken einer Flasche in den Intimbereich.
Keine Berührung ist der mittelbare Kontakt durch Dritte. Zahlreiche Grenzfälle und Einzelfälle, die auch noch nicht höchstrichterlich beschieden wurden, sind im Alltag denkbar und möglich. Solch ein Fall ist jedoch entsprechend der Umstände des Einzelfalles abzuwägen und es kommt auf die Details an. Hierbei kann ein Strafverteidiger seine professionelle Einschätzung abgeben und kann eventuell entlastende Umstände hervorheben.
Entscheidend zu betonen ist, dass verbale Einwirkungen nicht erfasst sind und nicht unter den Straftatbestand der sexuelle Belästigung fallen (z.B. sog. Catcalling). Dies ist im Volksmund nicht hinreichend bekannt und oftmals wird fälschlicher Weise schon bei verbaler Belästigung von einer Strafbarkeit wegen Sexueller Belästigung gesprochen. Eine Strafbarkeit wegen einer verbalen Äußerung kommt jedoch allenfalls wegen Beleidigung gem. § 185 StGB in Betracht.
Von § 184 i StGB ebenfalls nicht erfasst sind Gesten, Hinterherpfeifen, Anstarren, Fotografieren oder sexuelle Handlungen ohne körperlichen Kontakt vor einer Person. Unter Umständen können einige dieser Handlungen in anderen Normen des StGB mit Strafe bedroht sein (z.B. Exhibitionismus oder sexueller Mißbrauch von Kindern durch Vornahme sexueller Handlungen vor einem Kind).
Sollte Sie nun unsicher sein, inwiefern Ihre Situation einzuschätzen ist, dann wenden Sie sich an einen erfahren Strafrechtler, der Akteneinsicht nimmt und mit Ihnen Ihren konkreten Fall besprechen und einschätzen kann.
Sexuelle Bestimmtheit der Berührung
Die Berührung muss für die Verwirklichung der Straftat zudem in sexuell bestimmter Weise vorgenommen werden. Zur Bestimmung dieses Tatbestandsmerkmals sind verschiedene Kriterien entscheidend. Vor allem die Art der Berührung, die Intensität und die Dauer des Vorgehens sind relevant. Ebenfalls ist wichtig in welcher Beziehung die Personen zueinander stehen und die konkrete Situation, in der die fragliche Handlung vorgenommen wurde.
Naheliegend ist eine solche sexuelle Bestimmtheit, wenn der Täter das Opfer an den Geschlechtsorganen berührt oder Handlungen vornimmt, die typischerweise eine sexuelle Intimität zwischen den Beteiligten voraussetzen. Dies kann zum Beispiel schon das Küssen des Mundes oder des Halses sein oder das Anfassen des Gesäßes.
Bei geringfügigeren Handlungen sind insbesondere der Handlungsrahmen und die Beziehung der Beteiligten zueinander näher zu untersuchen. Demnach ist der Kuss auf die Wange zur Begrüßung unter Bekannten typischerweise keine Berührung in sexuell bestimmter Weise. Anders kann dies jedoch beurteilt werden, wenn ein solcher Kuss auf die Wange bei einer fremden Person auf der Straße vorgenommen wird. Sogar das Herandrängen an eine Person kann in einer sexuell bestimmten Weise erfolgen.
Grundsätzlich kann angenommen werden, dass bei schlichtem In-Arm-nehmen oder dem Streicheln der Wange die sexuelle Bestimmtheit nicht ohne Weiteres angenommen werden kann. Auch solche Berührungen wie das bloße Hand-aufs-Knie-legen oder das Streicheln des Arms genügen wohl nicht zur Annahme einer sexuell bestimmten Weise der Berührung.
Die Einordnung dieses Tatbestandsmerkmals ist jedoch teilweise sehr umstritten und eine pauschalisierende Betrachtung ist nicht möglich. Demnach kann es hier besonders auf die Argumentation ankommen und jedes falsche oder unüberlegte Wort gegenüber der Polizei Sie gegebenenfalls erst Recht in die Strafbarkeit "hineinquatschen".
Sexuelle Belästigung
Durch die Berührung muss beim Opfer eine Belästigung hervorgerufen werden. Dies liegt vor, wenn beim Opfer eine subjektiv unangenehme Störung des Wohlbefindens, des Autonomiegefühls oder der Ungestörtheit hervortritt. Hierbei ist das Tangieren der sexuellen Selbstbestimmtheit des Opfers durch die Tathandlung entscheidend. Die Beurteilung, ob eine Belästigung vorliegt, bestimmt sich anhand des subjektiven Empfindens des Opfers. Dabei muss einschränkend beachtet werden, dass diese Empfindungen auch von einem objektiven Dritten nachvollziehbar sein müssen.
Strafbarkeit keinesfalls bei Einwilligung
Eine Belästigung ist auszuschließen, wenn eine Einwilligung der Person erfolgt oder das Vorgehen bei der Person nur Interesse, Verwunderung oder Vergnügung auslöst. Zum Beispiel beim Küssen der Wange kann fraglich sein, ob dies tatsächliche eine sexuelle Belästigung beim Opfer hervorruft. In solchen Situationen ist vor allem entscheidend wie die Aussage des (vermeintlichen) Opfers lautet, um zu ermitteln inwiefern solche Empfindungen geschildert werden.
Tatsächlich ist die Frage der ursprünglichen Einvernehmlichkeit mutmaßlicher sexueller Handlungen oftmals der entscheidende Streitpunkt in Sexualstrafverfahren. Sehr oft beruhen entsprechende Körperkontakte auf einer zuvor getroffenen Übereinkunft und erst im Nachhinein wird die Einvernehmlichkeit durch das angebliche Opfer bestritten. Die Motivlage dafür kann unterschiedlich sein: Scham, Alkohol/Drogen, Erklärungsnot gegenüber Verwandten / Lebensgefährte / Ehepartner, Rache, Eifersucht.
Vorsätzliche Tatbegehung
Die Tat muss vorsätzlich begangen worden sein, wobei sich der Vorsatz auf alle Tatbestandsmerkmale beziehen muss. Der Täter muss die sexuelle Handlung bewusst vornehmen und die mögliche belästigende Wirkung beim Opfer zumindest billigend in Kauf nehmen.
Auszuschließen ist der Vorsatz bei der irrigen Annahme des Täters, dass die vorgenommene Handlung beim Opfer auf Zustimmung stoße oder als Annäherung im Rahmen einer Kennenlernphase vorgenommen wird.
Auch die irrige Annahme des Täters die Handlung könnte als Ausdruck der Wertschätzung aufgenommen werden, kann den Vorsatz ausschließen. Zum Beispiel können demnach spontane Berührungen bei geselligen Ereignissen oder Annäherungsversuche in Clubs/Diskotheken unter Einfluss von Alkohol, dabei sei insbesondere an das typische „Antanzen“ in solchen Etablissements gedacht, ohne Vorsatz vorgenommen worden sein. Dies sehen leider Staatsanwälte nicht selten anders und neigen zur Anklage oder einem Strafbefehl. Hier muß ein Anwalt unbedingt frühzeitig Kontakt zur bearbeitenden Staatsanwältin suchen und die Sichtweise der Strafverfolgungsbehörden auf das Geschehen in Erfahrung bringen.
Auch zufällige Berührungen intimer Körperstellen wie etwa in der vollen Straßenbahn werden ohne Vorsatz vorgenommen und sind nicht strafbar. Diesbezüglich sollten jedoch keine vorschnellen Aussagen gegenüber der Polizei vorgenommen werden, sondern zuerst sollte eine Beratung über diesen möglichen Verteidigungsansätze mit einem professionellen Strafverteidiger erfolgen.
Besonders schwere Fall § 184i Abs. 2 StGB
Der Paragraph 184i normiert in Absatz 2 einen besonders schweren Fall der sexuellen Belästigung. Dort ist normiert, dass ein solcher besonders schwerer Fall in der Regel bei einer gemeinschaftlichen Tatbegehung vorliegt. Die gemeinschaftliche Begehung setzt voraus, dass mindestens drei Personen die Tat gemeinsam begehen. Nur einer der Täter muss die sexuelle Belästigung als solches vornehmen. Dies bedeutet, dass nur einer der Täter beim Opfer eine tatbestandliche körperliche Berührung vornehmen muss. Die anderen Personen können entweder ebenfalls als direkte Täter mit Körperkontakt agieren oder auch nur als Teilnehmer an der Tat, indem sie Hilfe leisten oder zur Tat anstiften. Entscheidend ist jedoch, dass die Personen am Tatort anwesend sein müssen, damit die strafschärfende Wirkung eintritt.
Die Einordnung der gemeinschaftlichen Tatbegehung als ein so genanntes Regelbeispiel impliziert, dass es noch andere im Gesetz nicht benannte besonders schwere Fälle geben kann. Solche wurden bis dato von der Rechtsprechung noch nicht benannt. Wann ein solcher besonders schwere Fall vorliegt, müsste sich anhand der konkrete Tatsituation bestimmen.
Der Strafrahmen verschiebt sich beim besonders schweren Fall gem. § 184 i Abs. 2 StGB zu einer erhöhten Freiheitsstrafe von drei Monaten bis fünf Jahren.
Verjährung, Strafantrag und Subsidiarität
Das Delikt wird zudem gem. § 184 i Abs. 3 StGB nur auf Antrag des Opfer verfolgt. Die Frage der Verfolgung der Straftat soll somit vorrangig von der Entscheidung des Opfers abhängen. Der Strafantrag muss innerhalb von drei Monaten nach der Tat gestellt werden gem. § 77 b Abs. 1 S. 1 StGB. Ausnahmsweise kann der fehlende Strafantrag ersetzt werden, wenn durch die Staatsanwaltschaft das besondere öffentliche Interesse begründet wird. Diese Entscheidung liegt im Ermessen der zuständigen Staatsanwaltschaft. Wird durch die Staatsanwaltschaft das öffentliche Interesse bejaht, dann kann nicht einmal die verletzte Person einer Verfolgung der Straftat nicht widersprechen.
Zu erwähnen sei in diesem Kontext ebenfalls, dass eine Strafbarkeit gem. § 184 i StGB nur einschlägig ist, wenn die Tathandlung in keiner anderen Vorschrift des 13. Abschnitts des StGB mit schwererer Strafe bedroht ist. Sollte demnach ein anderer Paragraph einschlägig sein, ist vorrangig eine Verurteilung nach diesem vorzunehmen.
Die sexuelle Belästigung gem. § 184i Abs. 1 StGB verjährt innerhalb von fünf Jahren gem. § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB. Bei einem besonders schweren Fall gem. § 184i Abs. 2 StGB liegt die Verjährungsfrist ebenfalls bei fünf Jahren.
Verteidigung ab der ersten polizeilichen Beschuldigten-Vorladung!
In Anbetracht der zahlreichen möglichen Verteidigungsansätze ist es im Falle eines solchen Vorwurfes unerlässlich einen erfahren Strafverteidiger zu engagieren. Dieser kann Akteneinsicht nehmen, die Unschlüssigkeit im Tatvorwurf anhand von Zeugenaussagen, erkennen und gemeinsam mit Ihnen eine Verteidigungsstrategie entwickeln. Machen Sie keine unüberlegten Aussagen gegenüber der Polizei, sondern bleiben Sie ruhig und lassen Sie nur ihren Anwalt mit den Ermittlungsbehörden in Kontakt treten. Rechtsanwalt H. Urbanzyk aus Coesfeld (bei Dülmen, Bocholt, Stadtlohn) ist Fachanwalt für Strafrecht und verteidigt Sie in allen Vorwürfen des Sexualstrafrechts vorbehaltlos, konsequent und bundesweit.
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