Sittenwidrigkeit des Schuldbeitritts bei Ehegatten – Schutz vor finanzieller Überforderung?

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Oftmals ist schwierig, einen Kredit bei der Bank zu bekommen, insbesondere bei zinslichen Erhöhungen oder in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit. Des Öfteren kommt es vor, dass bei einem Zwei-Verdiener-Haushalt beide gemeinsam einen Kredit aufnehmen. Allerdings ist es nicht selten, dass nur ein Ehepartner oder ein Hauptverdiener vorhanden ist, sodass manche Kreditgeber oder Banken dennoch den anderen Ehegatten, häufig die Ehefrau, zur Haftung auffordern. Dieser Vorgang geschieht selbst dann, wenn diese Person kein eigenes Einkommen hat oder wirtschaftlich nicht leistungsfähig ist, sodass sie dennoch als Mitdarlehensnehmer oder Bürge mitunterschreibt.

Auf diese Weise sichern sich Banken sowie Kreditgeber zusätzlich ab, falls der Hauptkreditnehmer, häufig der Ehemann, zahlungsunfähig wird.

Es existieren verschiedene Möglichkeiten der personalen Kreditsicherung. Möglich ist ein Bürgschaftsvertrag (§§ 766 ff. BGB), aber auch ein Kreditauftrag, ein Garantievertrag oder ein sog. Schuldbeitritt.[1] Zu beachten ist, dass für das Bürgschaftsversprechens die besondere Formerfordernis des § 766 BGB gilt, was jedoch nicht für den Schuldbeitritt, den Kreditauftrag und den Garantievertrag vorgesehen ist.[2]

Beim Schuldbeitritt übernimmt der Beitretende – anders als bei der Bürgschaft – die Schuld gemeinsam mit dem bisherigen Schuldner als eigene Verpflichtung.[3] Dabei wird der Beitretende auf die gleiche Ebene wie der bisherige Schuldner gestellt, sodass er primär als Gesamtschuldner i.S.d. §§ 421 ff. BGB haftet.[4] Im Gegensatz dazu haftet der Beitretende bei der Bürgschaft subsidiär; nach der rechtlichen Richtlinie muss der Gläubiger zunächst versuchen, seinen Anspruch gegen den bisherigen Schuldner durchzusetzen. Demzufolge sind Forderungen gegen den Gesamtschuldner nach Maßgabe des § 425 BGB separat von der Hauptforderung – somit als eigenständige Forderungen – zu betrachten.[5]

Als Abgrenzungskriterium wird immer wieder auf das Vorliegen eines persönlichen, wirtschaftlichen oder auch rechtlichen Interesses des Bürgen zurückgegriffen.[6] Liegt es nahe, ein solches festzustellen, so wird in aller Regel ein Schuldbeitritt angenommen.[7] Allerdings ist es eine Frage der Beweiswürdigung, ob eine Vereinbarung eine Bürgschaft oder einen Schuldbeitritt zum Gegenstand hat.[8]

In der Praxis kommt es jedoch vor, dass ein Schuldbeitritt – somit eine Mithaftung des Ehegatten – sittenwidrig (§ 138 I BGB) und die Schuldübernahme daher nichtig ist. Hinter dem Sinn und Zweck einer sittenwidrigen Mithaftung eines nahen Angehörigen verbirgt sich das Ziel, Angehörige, die für hohe Kredite mithaften, ohne von ihnen einen unmittelbaren Profit zu erlangen, unter bestimmten Voraussetzungen vor einer dauerhaften Inanspruchnahme zu bewahren.[9]

Um sich als Angehöriger auf eine sittenwidrige finanzielle Überlastung berufen zu können, muss man darlegen und beweisen, dass man bereits bei der Schuldübernahme außerstande gewesen ist, aus eigenen finanziellen Mitteln oder Vermögen in signifikanten Umfang an deren Erfüllung beizutragen.[10] Darüber hinaus dürfte eine Änderung dieser Umstände in absehbarer Zeit auch nicht ersichtlich gewesen sein.[11] Demzufolge ist darauf abzustellen, ob die Bank oder das Kreditinstitut realistisch hätte annehmen dürfen, dass die Mitverpflichtung eine in Zukunft eine zusätzliche Sicherheit für den Kredit darstellt.[12]

Weiterhin ist erforderlich, dass die Bank Kenntnis von der finanziellen Überlastung des Schuldmitübernehmers hatte.[13] Allerdings ist eine bloße Kenntnisnahme der Umstände noch nicht ausreichend, um die Sittenwidrigkeit zu begründen.[14] Vielmehr müssten Umstände hinzutreten, die einen solchen Verstoß rechtfertigen.[15] Diese könnten sich zum Beispiel aus der Art ergeben, wie die Schuldübernahme erreicht wurde, sowie dem Umfang dieser Verpflichtung.[16] Als Beispiel – allerdings nicht notwendiges Kriterium – ist eine Überwältigung des Schuldübernehmenden Ehegatten anzuführen.[17]

Ein weiterer Fall ist die Ausnutzung einer seelischen Zwangslage des Angehörigen. Dies wäre der Fall, wenn ein Ehegatte durch den Appell an die eheliche Zuneigung und Unterstützung veranlasst wird, eine Mitverpflichtung einzugehen, die die Befriedigungsaussichten des Kreditinstituts nur geringfügig verbessert, für den Ehegatten jedoch möglicherweise ruinös sind.[18] Entscheidend ist daher, ob eine seelische Zwangslage für die Abgabe der Schuldbeitrittserklärung ausgenutzt wird.

Das gilt ebenso für den Fall, dass die Entscheidung des Ehegatten durch Aussagen beeinflusst wird, die seine Unterzeichnung als reine Formsache darstellen oder auf andere Weise die Bedeutung mindern sowie die Risiken der Mitverpflichtung verharmlosen.[19]

Allerdings bestehen in diesem Zusammenhang Umstände, die zugunsten der Bank sprechen und ihre Forderung stützen. Von Bedeutung ist, wer die Verwendung der Kreditmittel kontrolliert.[20] Auch wenn die oben genannten Umstände vorliegen, ist bei der Annahme einer Sittenwidrigkeit Vorsicht geboten, wenn der Mitverpflichtete ebenfalls die Kontrolle über die Verwendung innehat.[21] Dies gilt auch für den Fall, dass der Schuldmitübernehmer unmittelbar von der Kreditgewährung profitiert.[22]

Anders ist es, wenn der Mitverpflichtete nur mittelbare Vorteile erlangt – zum Beispiel bei völliger wirtschaftlicher Abhängigkeit des Mitverpflichteten oder der Deckung von Unterhaltskosten mit Darlehensmitteln.[23]

Zuletzt rechtfertigt das Interesse des Kreditgebers, zukünftigen Vermögensverschiebungen zwischen den Ehegatten entgegenwirken zu wollen, auch die Inanspruchnahme des ursprünglich leistungsunfähigen Ehegatten.[24] Allerdings rechtfertigt dies nur eine vertragliche Vereinbarung, die lediglich eine beschränkte Haftung vorsieht.[25]





[1] Greiner, SchuldR BT, § 5 Rn. 45.

[2] Greiner, SchuldR BT, § 5 Rn. 45.

[3] Brömmelmeyer, Schuldrecht BT, § 18 Rn. 5.

[4] Brömmelmeyer, Schuldrecht BT, § 18 Rn. 5.

[5] Greiner, SchuldR BT, § 5 Rn. 46.

[6] Greiner, SchuldR BT, § 5 Rn. 48..

[7] Greiner, SchuldR BT, § 5 Rn. 48; BGH 25.9.1980, NJW 1981, 47.

[8] Greiner, SchuldR BT, § 5 Rn. 49.

[9] BGH NWJ 1997, 257 (258); vgl. Kerls, DZWir 1994, 9 (13).

[10] DStR 1993, 440 (441).

[11] DStR 1993, 440 (441).

[12] DStR 1993, 440 (441).

[13] DStR 1993, 440 (441).

[14] DStR 1993, 440 (441).

[15] DStR 1993, 440 (441).

[16] DStR 1993, 440 (441).

[17] DStR 1993, 440 (441).

[18] DStR 1993, 440 (441); BGH 24.11.1992 – XI ZR 98/92.

[19] DStR 1993, 440 (441); BGH 24.11.1992 – XI ZR 98/92.

[20] DStR 1993, 440 (442); BGH 24.11.1992 – XI ZR 98/92.

[21] DStR 1993, 440 (442); BGH 24.11.1992 – XI ZR 98/92.

[22] DStR 1993, 440 (442); BGH 24.11.1992 – XI ZR 98/92.

[23] DStR 1993, 440 (442); BGH 24.11.1992 – XI ZR 98/92.

[24] DStR 1993, 440 (442); BGH 24.11.1992 – XI ZR 98/92.

[25] DStR 1993, 440 (442); BGH 24.11.1992 – XI ZR 98/92.



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