Stimmenthaltungen bei der Beschlussfassung in Personengesellschaften

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Nicht selten kommt es bei der Beschlussfassung in einer Gesellschafterversammlung einer Personengesellschaft (GbR, oHG, KG) zu Stimmenthaltungen durch einen oder mehrere Gesellschafter. Der Gesetzgeber hat diesen Fall nicht geregelt. 

Soweit auch der Gesellschaftsvertrag keine ausdrückliche Regelung vorsieht, wie mit einer Stimmenthaltung umzugehen ist – was häufig der Fall ist –, fragt sich, ob eine Stimmenthaltung als Nein-Stimme zu werten ist oder aber die Stimme des jeweiligen, sich enthaltenden Gesellschafters unberücksichtigt zu bleiben hat und damit als nicht abgegebene Stimme zu qualifizieren ist.


Keine Regelungen zu Beschlussfassung im Gesellschaftsvertrag

Bei einem vollständigen Fehlen einer gesellschaftsvertraglichen Regelung zur Beschlussfassung, ist grundlegend festzuhalten, dass das Gesetz in § 714 BGB für die GbR, in § 109 Abs. 3 HGB für die oHG und in §§ 161 Abs. 2, 109 Abs. 3 HGB für die KG das Einstimmigkeitsprinzip vorsieht. Demnach müssen alle Gesellschafter dem jeweiligen Beschluss zustimmen. Darüber hinausgehende Regelungen sieht das Gesetz betreffend die Gesellschafterversammlung nicht vor. 

Verhält sich der Gesellschaftsvertrag also in keiner Weise zu vom Einstimmigkeitsprinzip abweichenden Regelungen, bedarf es der Zustimmung aller Gesellschafter. Eine Stimmenthaltung ist damit als Gegenstimme zu qualifizieren.


Gesellschaftsvertragliche Regelungen zur Beschlussfassung

Soweit der Gesellschaftsvertrag vom Einstimmigkeitsprinzip abweichende Regelungen – insbesondere betreffend die erforderlichen Mehrheiten – vorsieht, den Fall einer Stimmenthaltung jedoch außer Betracht lässt, stellt sich ebenso die Frage, wie mit einer solchen umzugehen ist. Der Bundesgerichtshof hat sich mit diesem Thema in seinem Urteil vom 19. Juli 2011 (Az. II ZR 209/09) beschäftigt: 

Im Rahmen der Beantwortung dieser Frage gilt es zwischen verschiedenen – oftmals derart oder in einer Spielart verwendeten – Formulierungen und daraus resultierenden Vorgaben für die Beschlussfassung zu unterscheiden. Zu betrachten sind einerseits der Fall, dass eine Mehrheit der „abgegebenen Stimmen“ erforderlich ist, andererseits der Fall der Erforderlichkeit einer Mehrheit der „anwesenden Stimmberechtigten“. 

Grundsätzlich ist anzunehmen, dass derjenige, der sich seiner Stimme enthält, nicht gegen den Gegenstand der Beschlussfassung stimmen, sondern vielmehr seine Unentschiedenheit durch die Stimmenthaltung zum Ausdruck bringen will.

Im erstgenannten Fall des Erfordernisses der Mehrheit der „abgegebenen Stimmen“ führt der soeben dargestellte Grundsatz dazu, dass die Stimmenthaltungen unberücksichtigt bleiben und nicht als Gegenstimmen gewertet werden. Diese Einschätzung liegt darin begründet, dass eine enthaltene Stimme als nicht abgegebene Stimme zu qualifizieren ist. Eine hiervon abweichende Einschätzung ist allein dann begründet, wenn der Gesellschaftsvertrag eine eindeutige, abweichende Regelung vorsieht, so dass für jeden Gesellschafter die Tragweite einer Stimmenthaltung unzweifelhaft erkennbar ist.

Im zweitgenannten Fall einer gesellschaftsvertraglichen Regelung betreffend eine Mehrheit der „anwesenden Stimmberechtigten“ oder einer vergleichbaren Formulierung verhält es sich hingegen anders. Bei einem derartigen Szenario werden die Stimmenthaltungen als Gegenstimmen gewertet, da es auf die Stimmberechtigten selbst ankommt. Nehmen diese an der Gesellschafterversammlung teil, werden sie im Hinblick auf die erforderliche Mehrheitsfindung berücksichtigt - unabhängig davon, ob sie abstimmen oder sich enthalten. Demgemäß wird von jedem Gesellschafter in dieser Konstellation verlangt, sich eindeutig zu positionieren. 


Fazit

Personengesellschaftsverträge sollten in jedem Fall eine eindeutige Regelung zum Umgang mit Stimmenthaltungen vorsehen. Nur so lassen sich etwaige Unklarheiten und Rechtsunsicherheiten vermeiden.

Für den Fall, dass es ohne gesellschaftsvertragliche Regelung zu einer Stimmenthaltung kommt, gilt es den Gesellschaftsvertrag auszulegen und über diesen Weg zu ermitteln, wie eine Stimmenthaltung zu werten ist. Insofern hängt es stark von den Formulierungen im Gesellschaftsvertrag ab, wie Stimmenthaltungen zu qualifizieren sind.


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