Tauschbörsen-Fälle in der anwaltlichen Praxis
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Dieser Artikel wurde von dem Autor, Herrn Rechtsanwalt Roman Amonat, aktualisiert, überarbeitet und erheblich erweitert. Die neue Fassung ist ebenfalls abrufbar über das Portal anwalt.de unter: www.anwalt.de/rechtstipps/abmahnung-tauschboersen-filesharing-ein-aktueller-ueberblick-aus-der-anwaltlichen-praxis_081506.html.
Inzwischen ist bereits deutlich über ein Jahr vergangen, seit der Bundesgerichtshof die weitreichende BearShare-Entscheidung getroffen hat, BGH-Urteil vom 8. Januar 2014 - I ZR 169/12 – BearShare. Losgelöst von rechtlichen Details soll nun im folgenden Beitrag näher untersucht werden, welche Fragestellungen in der konkreten Situation einer anwaltlichen Filesharing-Beratung von Bedeutung sein können.
In dem „BearShare“-Urteil wurde u.a. entschieden, dass der Inhaber eines Internetanschlusses nicht für das Verhalten eines volljährigen Familienangehörigen haftet, wenn er zuvor keine Anhaltspunkte dafür hatte, dass über seinen Anschluss illegales Filesharing betrieben wurde.
Die praktischen Folgen von BearShare und anderer Urteile sind jedoch weit weniger eindeutig, als dies die neue Rechtsprechung vermuten lässt. Dies liegt in erster Linie daran, dass die abmahnenden Kanzleien die neue Tendenz der Rechtsprechung gar nicht oder nur sehr eingeschränkt berücksichtigen (wollen). Dies ist aus Sicht der abmahnenden Rechteinhaber nachvollziehbar; denn die Rechtsprechung in den frühen Jahren der sog. Filesharing-Fälle war aus Sicht der Abgemahnten um einiges ungünstiger.
In diesem Zusammenhang ist es häufig zu beobachten, dass eine Vielzahl von Abmahnungen bis zum heutigen Tage noch Zitate von älteren BGH-Urteilen sowie amts- und landgerichtlichen Entscheidungen enthalten. Die neuen Vorgaben der Gerichte, die insgesamt dem Abgemahnten zu Gute kommen, werden somit gerne ignoriert. Hinzu kommt der Umstand, dass immer wieder (ältere) Entscheidungen, beispielsweise aus dem Landgerichtsbezirk München aufgeführt werden. Aufgrund der zwischenzeitlichen Gesetzesänderung, wonach eine etwaige Klage am Wohnort des Schuldners zu erheben ist, führen solche Entscheidungen immer noch dazu, den Abgemahnten zu verunsichern und ggf. zu vorschnellen Zahlungen zu verleiten.
Natürlich sind auch nach der BearShare-Entscheidung noch nicht alle Rechtsfragen geklärt. So ist insbesondere unklar, wie weit im Rahmen der sekundären Darlegungslast die ausdrücklich vom Bundesgerichtshof genannte Nachforschungspflicht im Einzelfall geht. Häufig wird von Abmahnkanzleien die konkrete Namensnennung der Zugangsberechtigten, eine ausführliche Schilderung der „Tat“-Umstände und sogar die konkrete Benennung des wahren Täters verlangt. Eine außergerichtliche Einigung mit der Gegenseite wird aufgrund dieser unterschiedlichen Auffassungen weiterhin erschwert.
Sofern der Mandant dazu neigt, eine gerichtliche Klärung auf jeden Fall vermeiden zu wollen und auch ungern Einzelheiten zu den Tatumständen preisgeben möchte, ist eine außergerichtliche Einigung häufig nur möglich, wenn der Gegenseite zumindest eine reduzierte „Erledigungszahlung“ angeboten und ggf. eine modifizierte Unterlassungserklärung abgegeben wird. Hierdurch kann erreicht werden, dass die abmahnende Kanzlei schriftlich bestätigt, dass zukünftig keine weiteren Ansprüche gegen den Anschlussinhaber und etwaige Dritte geltend gemacht werden.
Ein solches Zahlungsangebot kann jedoch dann problematisch werden, wenn sowohl eine Täterhaftung als auch eine Störerhaftung ausscheiden. Denn dann besteht in rechtlicher Hinsicht weder ein Anspruch auf Schadensersatz noch auf Übernahme der Anwaltskosten. Wird jedoch auf Grundlage dieser – richtigen – Rechtsauffassung eine Zahlung abgelehnt, so ist es nur selten möglich, eine schriftliche Bestätigung über die Erledigung sämtlicher Ansprüche zu erreichen. Oftmals wird von den Abmahnern weiterhin, insbesondere auf Grundlage einer erhöhten sekundären Darlegungslast, an der Gelendmachung der ursprünglichen Ansprüche festgehalten. Eine Klage ist in diesen Fällen zwar unwahrscheinlich, jedoch kann eine solche auch nicht ausgeschlossen werden. Bis zum Eintritt der Verjährung drohen somit weiterhin eine neuerliche Einforderung der Ansprüche und/oder eine direkte gerichtliche Geltendmachung.
Welches Vorgehen im Einzelfall zu empfehlen ist, lässt sich daher keinesfalls pauschal beantworten. Der Wunsch, die Abmahnung „schnell vom Tisch“ zu bekommen, lässt sich mit einer kompletten Zahlungsverweigerung nicht immer vereinbaren. Dies gilt auch unter dem Aspekt, dass im Falle einer komplett gewonnenen Klage zwar die eigenen Kosten des Gerichtsverfahrens von der Gegenseite zu erstatten sind. Bereits im Rahmen der außergerichtlichen Beratung sollte jedoch auch bedacht werden, dass im Falle einer gerichtlichen Klärung zunächst eigene anwaltliche Kosten entstehen. Darüber wird ein meist über mehrere Monate dauernder Prozess zu einer fortwährenden Beschäftigung mit der Klage führen, auch wenn die Hauptarbeit natürlich von dem eigenen Anwalt erledigt wird. Zudem ist bereits im Vorfeld zu bedenken, dass es zu einer möglichen Befragung von Zugangsberechtigten im Rahmen einer Zeugenvernehmung kommen kann, sofern nicht die Voraussetzungen eines Zeugnisverweigerungsrechts gegeben sind.
Im Ergebnis zeigt sich, dass es selten eine pauschale Lösung für einen Filesharing-Fall gibt. Wichtig ist es daher, in jedem Einzelfall individuell zu beraten und schließlich eine gemeinsame und an den Interessen des Mandanten orientierte Lösung zu entwickeln. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass sowohl die Gesetzeslage und insbesondere die Rechtsprechung in ständiger Bewegung sind. Dies zeigt sich bei den jüngst ergangenen drei Urteilen des Bundesgerichtshofs (Tauschbörse I-III), deren Konsequenzen für die anwaltliche Beratung erheblich sein werden und deren Urteilsgründe zu einer neuen Bewertung der Rechtslage führen können.
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